Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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Название: Der Waldläufer

Автор: Gabriel Ferry

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Menschen zu sein.

      Seine offenbare Mißstimmung hatte den höchsten Grad erreicht, als an dem Abend, an dem unsere Erzählung beginnt, der Capitan Don Lucas Despierto nach ihm zum Posten schickte und ihn zu sich entbieten ließ. Bei diesem unvorhergesehenen Befehl erhob sich Pepe, streckte sich gewissenhaft, gähnte und ging mit den Worten hinaus: »Welch einen tollen Einfall hat wohl der Capitan, mich holen zu lassen?«

      Einmal allein jedoch, machte sich der Küstenwächter viel lebhafter, als dies sonst seine Gewohnheit war, nach der Wohnung seines Oberen auf den Weg. Der Capitan war, als er eintrat, sehr beschäftigt und hörte nicht, daß sich die Tür öffnete.

      Während der Soldat unbeweglich auf der Schwelle stand und wartete, bis sein Capitan den Verweis beginnen würde, auf den er rechnete, bemerkte er auf dem Boden ein gefaltetes Papier; Form und Farbe bewiesen, daß es lange in irgendeiner Tasche gewesen war. Pepe war trotz seiner Apathie ein Mann der Ordnung; er dachte, daß es schade wäre, ein Papier herumliegen zu lassen, das von Wert sein mußte, da man es so sorgsam bis jetzt verwahrt hatte, und er entschloß sich zu einer Bewegung, um sich desselben zu bemächtigen. Mit anscheinend doppelter Trägheit machte er wie ein Wankender zwei Schritte vorwärts. Der Capitan hörte ihn und wandte sich um; aber Pepe hatte schon auf das Papier, nach dem er lüstern war, den Fuß gesetzt.

      Der Soldat schien zu schlafen, während er eine Zigarre zwischen seinen Fingern hin und her drehte. »Da bin ich, mein Capitan«, sagte er, indem er Don Lucas ehrfurchtsvoll grüßte.

      »Gut, mein Junge«, begann der Capitan in gutmütigem Ton. »Die Zeiten sind sehr hart, nicht wahr?«

      »Ich habe davon sprechen hören.«

      »Ich begreife«, sagte Don Lucas lächelnd; »das Elend der Zeit erreicht dich nur halb; du schläfst immer.«

      »Wenn ich schlafe, hungert mich nicht«, erwiderte Pepe, ein Gähnen unterdrückend. »Und dann träume ich auch, daß die Regierung mich bezahlt.«

      »Bis dahin bist du nur ihr Gläubiger für vier Stunden des Tages. Aber, mein Junge, darum handelt es sich nicht. Ich will dir vielmehr diesen Abend eine Probe meines Vertrauens geben.«

      »Ah!« machte Pepe.

      »Und auch eine Probe meiner Zuneigung. Die Regierung hat ein offenes Auge für uns alle; der Ruf der Teilnahmslosigkeit, in dem du stehst, fängt an, sich zu verbreiten, und du könntest leicht als ein unnützes Subjekt entlassen werden. Es wäre gewiß sehr traurig für dich, ohne Anstellung zu sein.«

      »Schrecklich, mein Capitan«, erwiderte Pepe mit vollkommener Gutmütigkeit; »denn wenn ich schon bei meiner Anstellung vor Hunger sterbe, so weiß ich wahrlich nicht, was geschehen würde, wenn ich keine mehr hätte!«

      »Um dieses Unglück von dir abzuwenden, habe ich mich entschlossen, allen, die deinen Charakter verleumden könnten, einen Beweis meines Vertrauens auf dich zu geben, indem ich dir für diese Nacht den Posten an der Ensenada gebe.«

      Pepe öffnete wider seinen Willen die Augen beinahe ganz und gar.

      »Überrascht es dich?« fragte Don Lucas.

      »Nein«, erwiderte Pepe.

      Der Capitan konnte ein leichtes Auffahren nicht verbergen. »Wie? Nein?« sagte er.

      »Der Capitan Despierto«, antwortete Pepe mit einschmeichelnder Stimme, »ist durch seine Wachsamkeit und seinen unfehlbaren Blick bekannt genug, um auch seinem geringsten Beamten den wichtigsten Posten ohne Gefahr anvertrauen zu können. Darum bin ich auch gar nicht erstaunt, wenn Ihr mir diesen anvertrauen wollt. Ich erwarte nur die Befehle, die Eure Hoheit mir gefälligst erteilen werden.« Nach diesen Worten bückte sich Pepe, um die Zigarre, die ihm entfallen war, wieder aufzuheben; mit dieser Zigarre aber kam dank der Falten seines Mantels zugleich das Papier in die Hand des Soldaten.

      Don Lucas gab ihm seine Befehle in einer so weitschweifigen Art, daß es vielleicht schwierig war, sie alle zu behalten, und verabschiedete ihn mit den Worten: »Vor allen Dingen schlaf nicht ein auf deinem Posten!« Pepe blieb ehrfurchtsvoll stehen, ohne zu antworten.

      »Du kannst nun gehen; vergiß aber deine Laterne nicht!« sagte abermals Don Lucas, der das Schweigen seines Beamten für eine stumme Versicherung hielt, seinen Befehlen Folge zu leisten.

      Der Soldat jedoch rührte sich nicht.

      »Aber verstehst du mich denn nicht?« rief der Capitan, der, betroffen von diesem Schweigen, Pepes Arm tüchtig schüttelte.

      Pepe fuhr plötzlich aus seinem Traum auf. »Ja, mein Capitan«, sagte er.

      Dieser Bursche ist nicht zu bezahlen; ich hätte beim besten Willen keinen besseren finden können, dachte Don Lucas, als Pepe gegangen war. Und mit zufriedener Miene rieb er sich die Hände.

      Die kleine Bucht mit Namen Ensenada, die man eben der Wachsamkeit Pepes des Schläfers anvertraut hatte, war so geheimnisvoll mit Felsen besetzt, daß sie ganz besonders geschaffen schien, um den Schleichhandel zu begünstigen; freilich nicht den, der friedlich an den Schlagbäumen unserer Städte getrieben wird, sondern wie ihn die spanischen Schmuggler so tollkühn betrieben, den Dolch und die Büchse in der Faust. Eben wegen seiner abgesonderten Lage war dieser Posten nicht gefahrlos. Wenn nämlich in einer nebligen Novembernacht die Dünste des Ozeans sich erheben und wie ein Traghimmel die Atmosphäre überspannen, so verliert das Auge seinen Scharfblick, die hilfesuchende Stimme wird gedämpft. Niemand würde Pepe den Schläfer; Pepe, der sich gewöhnlich in tiefem Traum befand, den Mann mit der einfältigen Miene und dem trägen Gang, in dem Soldaten wiedererkannt haben, der mit erhobenem Kopf und elastischem Schritt seinen Posten bezog; seine gewöhnlich verschleierten Augen schienen in der Dunkelheit zu blitzen, als wollten sie auch deren geringstes Geheimnis durchforschen.

      Die Nacht war kalt, düster und still wie all die Nächte des Monats, der der Totenfeier geweiht ist. Es mochte etwa zehn Uhr sein. Kein Geräusch ließ sich im Dorf hören; das dumpfe Murren des Ozeans, der zürnend gegen die Felsendämme schlug, wie ein gefangener Tiger sich an den Eisenstäben seines Käfigs reibt, unterbrach allein das Schweigen der Natur. Kein Stern am Himmel; auf dem Land eine tiefe Finsternis; auf dem Meer ein Nebel, der sich zwar zuweilen öffnete, aber in dem argwöhnischen oder abergläubischen Gemüt tausend Erscheinungen hervorrief. Das war das Schauspiel, das sich den Blicken des Wächters darbot, als er auf dem Posten der Ensenada anlangte.

      Nachdem der Grenzjäger mit seiner düsteren Laterne sorgsam die Umgebung untersucht und die Beleuchtung ihm gezeigt hatte, daß er sich ganz allein befand, stellte er seine Laterne so auf, daß sie den Hohlweg, der zum Dorf führte, erhellte, und legte sich zehn Schritt weiter in seinen Mantel gehüllt nieder, so daß er zugleich den Weg und die Bucht überwachen konnte.

      »Aha, Capitan«, sagte der Soldat zu sich, »Ihr seid ein schlauer Mann; aber Ihr glaubt den Leuten zuviel, die immer schlafen, und Euer Papier, das ich gelesen habe, beweist, daß Ihr sehr besorgt darum seid, mich diesen Abend recht tief schlafen zu lassen. Wer weiß? Doch vielleicht«, fügte er hinzu, indem er sich, so gut er konnte, in seinem Mantel zurechtlegte, »ist es gut, zu … aber nein, es ist unmöglich!«

      Während ungefähr einer halben Stunde blieb Pepe allein, seinen Gedanken preisgegeben, und befragte mit seinem Auge bald die Bucht, bald den Hohlweg. Am Ende dieser Zeit hörte er den Sand des Fußpfades knirschen; dann erschien in dem von der Laterne verbreiteten Licht eine schwarze Figur, und bald ließ sich der Capitan der Grenzjäger bestimmt unterscheiden. Er schien einige Minuten zu suchen; endlich aber bemerkte er den Küstenwächter auf der Erde liegend.

      »Pepe!« rief er halblaut.

      Pepe СКАЧАТЬ