Название: Auf zwei Planeten
Автор: Kurd Laßwitz
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Als ihnen Hil zum erstenmal die Einrichtung erklärt hatte, wodurch sich die Martier in ihren Zimmern den Druck der Erdschwere erleichterten, und Grunthe mit zusammengekniffenen Lippen in tiefes Nachdenken verfiel, sagte Saltner einfach: »Medizin« und hob Grunthe samt dem Stuhl, auf welchem er saß, mit ausgestreckten Armen über seinen Kopf. Diese Kraftleistung war zwar für ihn bei der auf ein Drittel verringerten Erdschwere durchaus nichts Besonderes, ließ ihn aber doch den Martiern als einen Riesen an Stärke erscheinen.
Das Zimmer, welches an die beiden Schlafzimmer von Grunthe und Saltner stieß, war für den bequemen Verkehr der Martier mit den Menschen in eigentümlicher Weise eingerichtet worden. Da nämlich die Verringerung der Erdschwere, deren die Martier für die Leichtigkeit ihrer Bewegungen bedurften, von Grunthe und Saltner nicht gut vertragen wurde, so hatte man es durch eine am Boden markierte Linie – Saltner nannte sie den ›Strich‹ – in zwei Teile zerlegt. Der abarische Apparat konnte für die Hälfte des Zimmers, welche an die Wohnräume der Menschen grenzte, ausgeschaltet werden, während in dem übrigen Teil die Gegenschwere auf das den Martiern gewohnte Maß eingestellt wurde. Hier hielten sich die Martier auf, wenn sie bei den Deutschen ihre Besuche machten, während diese sich nach ihren Wünschen eingerichtet hatten, soweit es mit den von den Martiern bereitwillig hergegebenen Möbeln und den wenigen von ihnen selbst mitgebrachten Gegenständen geschehen konnte. Freilich beschränkte sich diese Einrichtung nur auf die Aufstellung eines Arbeitstisches, einiger Bücher, Schreibmaterialien und Instrumente; denn in dieser Hinsicht wußten die Forscher nur in der ihnen gewohnten Weise auszukommen. Was im übrigen die Bequemlichkeiten des täglichen Lebens anbetraf, so waren sie nicht nur auf die Apparate und Gewohnheiten der Martier angewiesen, sondern fanden dieselben auch bald um so viel vorteilhafter und angenehmer, daß sie gern darüber nachdachten, wie sie dergleichen in ihre Heimat verpflanzen könnten.
Saltner, der seinen photographischen Apparat unter den geretteten Gegenständen wiedergefunden hatte, konnte kaum Zeit genug gewinnen, alle die Ausstattungsstücke der Martier aufzunehmen und die gänzlich neuen Formen der Verzierungen, die Gemälde, Kunstwerke und Zimmerpflanzen abzubilden. Ein besonderes Studium machte er aus den Automaten, deren Mechanismus er zu ergründen suchte und sich immer wieder aufs neue erklären ließ.
Seine Beraterin in diesen Dingen war in der Regel die immer heitere Se, seine liebenswürdige Pflegerin beim ersten Erwachen. Sie hielt sich täglich einen großen Teil ihrer Zeit über in dem gemeinschaftlichen Gesellschaftszimmer auf und machte den Gästen gewissermaßen die Honneurs des Hauses. Dagegen bekam Saltner La nur selten zu sehen, gewöhnlich nur des Abends, wenn sich die Martier in größerer Anzahl einzustellen pflegten. Und dann hielt sie sich gern zurück, obwohl er oft fühlte, daß ihre großen Augen mit einem sinnenden Ausdruck auf ihm ruhten. Sein lebhaftes Gespräch mit Se aber unterbrach sie häufig durch eine Neckerei. Da man sich meist bei geöffneten Fernhörklappen unterhielt, so konnte man, sobald man wollte, einem Gespräch in einem andern Zimmer zuhören und sich hineinmischen; so war es nichts Ungewöhnliches, daß man von einem Zwischenruf eines ungeahnten Zuhörers unterbrochen wurde. Ebensowenig aber nahm es jemand übel, wenn man einfach seine Klappe abschloß.
Die Sprachstudien waren speziell zwischen La und Saltner nicht wieder aufgenommen worden. Denn La hatte noch mehrere Tage nach ihrem Unfall sich vollkommener Ruhe hingeben müssen, und als sie wieder gesundet war, fand sie das gegenseitige Verständnis zwischen Menschen und Martiern schon ziemlich weit vorgeschritten. Aber auch sie hatte ihre unfreiwillige Muße benutzt und nicht nur den Ellschen Sprachführer, sondern auch die wenigen Nachschlagwerke, welche die Luftschiffer mit sich hatten, durchstudiert.
Trotz des Eindrucks, den die reizende Se auf Saltners empfängliches Gemüt machte, flogen seine Gedanken immer zu der stilleren, milden La zurück, und es war ihm stets wie eine leichte Enttäuschung, wenn er sie im Zimmer nicht vorfand. Gerade daß er öfter ihre tiefe Stimme vernahm, ließ ihn ihren Anblick um so mehr vermissen.
Las Zurückhaltung war nicht absichtslos. Daß sowohl sie wie Se eine unentrinnbare Gefahr für Saltners Herz waren, lag ja für beide auf der Hand, nachdem sie sich überhaupt erst an den Gedanken gewöhnt hatten, daß ein Mensch sich verlieben könne. Was aber Se höchst komisch vorkam und als äußerst spaßhaft erschien, das vermochte La so harmlos nicht anzusehen. Der ›arme Mensch‹, mit dem Se sich so lustig unterhielt, war ihr doch in einem andern Licht erschienen, damals, als er, in seinem eignen Element tätig, Leistungen verrichtete, die über das Vermögen der Nume hinausgingen.
Sie konnte den Moment nicht vergessen, in welchem sie sich in seinen starken Armen vom vernichtenden Abgrund zurückgerissen fühlte. Und so blieb es ihr immer gegenwärtig, daß dieses Spielzeug der erhabenen Nume, wenn auch nur ein Mensch, doch ein freies Lebewesen sei, kein ebenbürtiger Geist, aber vielleicht ein ebenbürtiges Herz. Ein doppeltes Mitleid stritt mit sich selbst in ihrer Seele, sie vermochte ihn nicht zu kränken durch Kälte und Zurückweisung, und sie wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu größerem Leid werden konnten. Wer kann wissen, wie Menschenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren die Menschen viel stärker in ihren Gefühlen als in ihrem Verstand. Und sie war Saltner zu dankbar, um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht verstand. – Aber was tun?
Wäre Saltner ein Martier gewesen, so hätte es keiner Vorsicht für La bedurft. Er hätte dann gewußt, daß ihre Freundlichkeit und selbst ihre Zärtlichkeit nichts bedeuteten als das ästhetische Spiel bewegter Gemüter, das die Freiheit der Person nicht beschränken kann. Wie jedoch mochten Menschen in diesem Fall denken? Durfte sie hierin ohne weiteres gleiche Sitten voraussetzen? Und würde er wohl verstehen, was von vornherein und immer den Menschen, den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Gefahr, bei Se demselben Schicksal zu verfallen, vor dem sie ihn selbst zu behüten suchte?
Wenn sie Se ihre Bedenken andeutete, so lachte diese nur.
»Aber La«, sagte sie, »du bist auch gar zu bedächtig! Ich bitte dich, er ist ja bloß ein Mensch! Es ist doch furchtbar komisch, wenn der sich Mühe gibt, so recht liebenswürdig zu sein.«
»Du kannst aber nicht wissen«, antwortete La, »ob ihm auch so furchtbar komisch zumute ist. Ein Tier, das wir necken, scheint uns oft äußerst lächerlich, und ich muß dann doch immer denken, daß es vielleicht bitter dabei leidet. Und ein Mensch ist doch nicht bloß komisch –«
»Ich habe freilich noch keinen in einer Eisgrube gesehen«, sagte Se, »doch ich glaube, du brauchst dir um den keine Sorge zu machen. Wenn es dich aber beruhigt, so kann man ihn ja leicht merken lassen, wie’s gemeint ist –«
»Ich will ihn aber nicht kränken.«
»Im Gegenteil, wir machen gemeinsame Sache. Wir binden ihn beide.«
»Meinst du, daß ein Mensch das Spiel versteht?«
»Na, wenn er so dumm ist –«
»Wir wissen doch gar nichts von den Anschauungen –«
»So werden wir uns eben alle drei belehren. Schade, daß der steife Grunthe nicht mitspielen kann. Willst du?«
»Ich werde mir’s überlegen.«
La zog sich zu ihren Studien zurück. Se begab sich in das Gesellschaftszimmer, СКАЧАТЬ