Название: Zivilprozessrecht
Автор: Irmgard Gleußner
Издательство: Bookwire
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811475212
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b) Örtliche Zuständigkeit und besonderer Gerichtsstand der Widerklage
196
Grundsätzlich wird die örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO ermittelt. Dies gilt auch für die Widerklage. Der Widerkläger muss den Widerbeklagten (= Kläger) also grundsätzlich an dessen Wohnsitz verklagen.
Beispiel
Hat Martin als Verkäufer des Motorrads in Köln seinen Wohnsitz, ist das AG Köln nach den allgemeinen Regeln (§§ 12, 13 ZPO) für die Widerklage von Thomas zuständig.
197
Schwierig wird es, wenn der Verkäufer seinen Wohnsitz in einem anderen Gerichtsbezirk hat. Hier hilft der besondere Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO). Nach § 33 ZPO kann die Widerklage bei dem Gericht erhoben werden, wo die Klage erhoben ist. Allerdings macht § 33 ZPO eine kleine Einschränkung. Voraussetzung für dieses Privileg ist, dass der Gegenstand der Widerklage mit dem der Klage in Zusammenhang (= Konnexität) steht. Wann Konnexität besteht, ist streitig. Die überwiegende Ansicht fordert einen rechtlichen Zusammenhang, der allerdings weit verstanden wird. Ein Zusammenhang ist etwa gegeben, wenn die Forderungen von Kläger und Beklagtem auf ein einheitliches Rechtsverhältnis (z.B. Vertrag) zurückzuführen sind oder auf einem einheitlichen Lebensverhältnis beruhen.[48]
Beispiel
Der Verkäufer Martin hat seinen Wohnsitz in Dortmund. Ist die Widerklage am Amtsgericht Köln zulässig? Nach den allgemeinen Regeln wäre das AG Dortmund für die Widerklage zuständig (§§ 12, 13 ZPO). Hier ist aber der besondere Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO) zu prüfen. Nach § 33 ZPO kann Thomas die Widerklage am Gericht der Klage erheben. Voraussetzung ist ein rechtlicher Zusammenhang. Diese Voraussetzung ist in unserem Beispiel unzweifelhaft gegeben, da Klage und Widerklage aus dem Kaufvertrag über das Motorrad (§ 433 BGB) resultieren. Nicht ausreichend ist hingegen ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang. Dieser rechtfertigt kein „wohnortfernes“ Verfahren.
c) Rechtshängigkeit der Hauptforderung
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Eine besondere Prozessvoraussetzung der Widerklage ist, dass die Hauptforderung im Zeitpunkt der Klageerhebung (noch) rechtshängig ist. Ist die Klage bereits zurückgenommen (§ 269 ZPO) oder über sie schon rechtskräftig entschieden (§ 322 ZPO), ist die Widerklage unzulässig. Ist die Widerklage aber einmal zulässig erhoben, weil die Hauptforderung rechtshängig war, bleibt sie zulässig. Ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erleidet die Widerklage ein selbstständiges Schicksal.[49]
d) Gleiche Prozessart
199
Die Widerklage soll grundsätzlich in derselben Prozessart wie die Hauptklage erhoben werden. Nach Ansicht des BGH ist eine Urkunden-Widerklage im ordentlichen Verfahren zulässig.[50]
e) Konnexität als zusätzliche Prozessvoraussetzung?
200
Umstritten ist, ob die Konnexität, die im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit bereits thematisiert wurde, eine zusätzliche besondere Prozessvoraussetzung der Widerklage ist. Diese Frage ist ein Dauerbrenner in zivilprozessualen Klausuren. Sie kommt insbesondere zum Tragen, wenn die Widerklage im allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO) erhoben wurde (damit wurde § 33 ZPO noch nicht geprüft).[51]
Beispiel
Martin hat seinen Wohnsitz in Köln. Er verklagt Thomas auf Kaufpreiszahlung vor dem AG Köln. Thomas erhebt Widerklage mit der Begründung, dass Martin ihn bei einer Massenschlägerei im Bierzelt verletzt habe.
201
Nach der Rechtsprechung ist die Konnexität eine besondere Prozessvoraussetzung für die Widerklage.[52] Argument ist, dass die Grundidee des § 33 ZPO eine gemeinsame Beweisaufnahme verlangt. Nur das rechtfertige die Verbindung zweier Klagen. Nach dieser Auffassung ist die Widerklage von Thomas unzulässig, weil ihr der rechtliche Zusammenhang mit der Klage fehlt. Die Widerklage ist durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen, selbst wenn das Gericht aus anderen Gründen örtlich zuständig wäre. Inkonnexität führt also stets zum Prozessurteil. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht stellt § 33 ZPO lediglich einen besonderen Gerichtsstand dar und keine besondere zusätzliche (!) Prozessvoraussetzung.[53] Argument ist der Wortlaut des § 33 ZPO und seine systematische Stellung bei den Gerichtsständen. Daraus folgt: Fehlt der Zusammenhang, aber ist das Gericht aus anderen Gründen (§ 39 ZPO u.ä.) örtlich zuständig, ist die Widerklage zulässig. Das Gericht trennt dann die Verfahren (§ 145 Abs. 2 ZPO). Folgt man dieser Auffassung, wäre die Widerklage von Thomas zulässig.
JURIQ-Klausurtipp
Die Widerklage ist ein bei Prüfern und Prüferinnen beliebtes ZPO-Thema. Denn Wortlaut und Stellung des § 33 ZPO eignen sich besonders gut, systematische Zusammenhänge abzufragen.
3. Drittwiderklage
202
Dass sich der Kläger in der Rolle des Widerbeklagten findet, darf ihn nicht überraschen. Komplizierter wird es, wenn durch die Widerklage ein Dritter in den Rechtsstreit hinein gezogen wird. Hier werden zwei Fallgruppen unterschieden. Der Beklagte erhebt gegen den Kläger und einen Dritten Widerklage (parteierweiternde Drittwiderklage) oder der Beklagte erhebt isoliert Widerklage gegen einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten (isolierte Drittwiderklage).
Beispiel
Isolierte Drittwiderklage
Thomas bekommt bei einem Kurzurlaub in Regensburg Zahnschmerzen. Er geht dort zum Zahnarzt. Dieser zieht einen Zahn – allerdings den falschen. Thomas zahlt daher die Rechnung in Höhe von 1000 € nicht. Der Zahnarzt tritt nun seinen Anspruch an eine Verrechnungsstelle in Stuttgart ab. Diese verklagt Thomas an seinem Wohnsitz in Köln auf Zahlung. Thomas erhebt vor dem Amtsgericht Köln Drittwiderklage gegen den Zahnarzt mit der Feststellung, dass dem Zahnarzt aufgrund der Falschbehandlung keine Forderung zustehe. Der Zahnarzt aus Regensburg macht insbesondere die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Köln geltend.
a) Parteierweiternde Drittwiderklage
203
Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine parteierweiternde Drittwiderklage („aus eins mach zwei“) erhoben werden kann. Der Streit betrifft СКАЧАТЬ