Название: Zivilprozessrecht
Автор: Irmgard Gleußner
Издательство: Bookwire
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811475212
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IIIa. Liegt ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Prozessstandschafters vor?
IIIb. Ist die Prozessführung durch den Prozessstandschafter rechtsmissbräuchlich?
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Das Erfordernis eines eigenen schutzwürdigen Interesses dient dem Schutz des Beklagten. Dieser vertraut im Regelfall darauf, mit dem von ihm ausgewählten Vertragspartner vor Gericht „die Klingen zu kreuzen“. Taucht ein Dritter auf, muss der Dritte dafür Gründe = ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse haben. Dies wird bejaht, wenn der Ausgang des Prozesses die eigene Rechtslage des Prozessstandschafters beeinflusst. Ob allein ein wirtschaftliches Interesse reicht, ist strittig. Folgende Fallgruppen sind von der Rechtsprechung akzeptiert:[93] Sicherungsabtretung der Forderung (Sicherungsgeber darf als Prozessstandschafter klagen), Forderungsverkauf/-abtretung vor einem Rechtsstreit (Zedent = Verkäufer darf als Prozessstandschafter klagen), Drittschadensliquidation (geschädigter Käufer darf als Prozessstandschafter klagen), mangelhafte Leasingsache (Leasingnehmer darf als Prozessstandschafter klagen).
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Ein schutzwürdiges Interesse ist bei erkennbarem Missbrauch der Prozessstandschaft abzuerkennen. Der Beklagte muss davor geschützt werden, dass seine berechtigten Belange durch die Einschaltung eines Dritten beeinträchtigt werden. Rechtsmissbräuchlichkeit wird vor allem dann bejaht, wenn der Prozessstandschafter eine juristische Person und vermögenslos ist.[94] Hier besteht die Gefahr, dass der Beklagte seinen Kostenerstattungsanspruch nicht realisieren kann und auf seinen Anwaltskosten „sitzen bleibt“.
Beispiel
Mona ermächtigt ihre gleichaltrige Freundin Sabine, die Gewährleistungsrechte gegen die V-GmbH im eigenen Namen bei Gericht einzuklagen. Sabine ist allerdings hoch verschuldet und hat vor kurzem die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragt. Sabine erhebt nun Klage bei Gericht (den Gerichtskostenvorschuss zahlt Mona). Ist die Klage von Sabine zulässig? Das ist der Fall, wenn alle Prozessvoraussetzungen vorliegen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, ordnungsgemäße Klageerhebung, zuständiges Gericht etc.). Problematisch ist hier die Prozessführungsbefugnis von Sabine. Sie macht ein fremdes Recht (Gewährleistungsansprüche von Mona) im eigenen Namen geltend. Dies ist nur möglich, wenn ein Fall der gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft vorliegt. Hier kommt nur die gewillkürte Prozessstandschaft in Betracht. Voraussetzung ist zunächst eine Ermächtigung durch den Rechtsinhaber analog § 185 Abs. 1 BGB. Hier hat Mona ausdrücklich Sabine zur Prozessführung ermächtigt. Auch die Abtretbarkeit der Gewährleistungsansprüche aus § 437 BGB ist gegeben. Gewährleistungsansprüche sind grundsätzlich abtretbar. Des Weiteren müsste ein eigenes schutzwürdiges Interesse von Sabine vorliegen, den Prozess zu führen. Dies wäre beispielsweise bei einem Forderungskauf oder bei einer Sicherungsabtretung der Fall. Derartige Konstellationen liegen hier nicht vor. Ein rechtliches Interesse ist daher nicht erkennbar. Außerdem erscheint die Ermächtigung von Sabine rechtsmissbräuchlich. Verliert Sabine den Prozess, muss sie sämtliche Kosten, also auch die Anwaltskosten der V-GmbH, tragen (§ 91 ZPO). Da sie kein Geld hat und ein Verbraucherinsolvenzverfahren sechs Jahre[95] dauert, würde die V-GmbH höchstwahrscheinlich auf ihren Kosten sitzen bleiben. Derartige „Verschiebungen“ des Prozessrisikos zu Lasten einer Partei sind rechtsmissbräuchlich. Sabine fehlt daher die Prozessführungsbefugnis. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen.
cc) Konsequenzen im Prozess
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Partei des Prozesses ist allein der Prozessstandschafter. Prozessfähigkeit und Prozessführungsbefugnis sind in seiner Person zu prüfen. Die Prüfung erfolgt von Amts wegen.[96] Fehlt die Prozessführungsbefugnis, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.[97] Der Klageantrag des Prozessstandschafters muss grundsätzlich auf Leistung an den (echten) Anspruchsinhaber lauten. Das fremde Recht ist somit offen zu legen. Ausnahmsweise darf der Prozessstandschafter Leistung an sich selbst verlangen (z.B. wenn der Beklagte nach § 362 Abs. 2 BGB befreiend an ihn leisten kann). Da allein der Prozessstandschafter Partei ist, kann der wahre Rechtsträger Zeuge sein. Eine parallele Klage des Rechtsinhabers ist nicht zulässig; der Gegner ist gegen eine zweite Klage durch die Einrede der Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) geschützt. Das Urteil entfaltet für und gegen den Rechtsinhaber Rechtskraft (s. Rn. 387). Der Beklagte muss also nicht Sorge haben, dass er von verschiedenen Parteien mehrfach verklagt wird.
2. Teil Erkenntnisverfahren › C. Die Zulässigkeit der Klage › V. Streitgegenstandsbezogene Prozessvoraussetzungen
1. Schlichtungsversuch vor Klageerhebung
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Wissen Sie noch, in welchen Fällen die Schlichtung vorgesehen ist? Andernfalls wiederholen Sie diese Zulässigkeitsvoraussetzung (Rn. 21 ff.).
Der Zivilprozess wird durch die Erhebung einer Klage eingeleitet. Diese muss den zwingenden Anforderungen des § 253 ZPO genügen (Rn. 63 ff.). Soweit dies landesrechtlich vorgeschrieben ist, muss vor der Klageerhebung eine Schlichtung durchgeführt worden sein (Rn. 21 ff.). Fehlt die Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch, ist die Klage unzulässig und durch Prozessurteil abzuweisen.[98]
2. Klagbarkeit des Anspruchs
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Kann ein Anspruch nach materiellem Recht nicht eingeklagt werden, ist eine trotzdem erhobene Klage unzulässig.[99] Die Fälle sind zwar nicht zahlreich, aber wichtig. Hat beispielsweise ein türkisches Mädchen auf Drängen ihrer Eltern die Eingehung der Ehe mit einem türkischen Mann versprochen, kann keine Klage auf Eingehung der Ehe erhoben werden (§ 1297 Abs. 1 BGB). Spiel- und Wettschulden (§ 762 BGB) begründen keine Verbindlichkeiten; wird dennoch Klage erhoben, ist diese zwar zulässig, aber unbegründet.
3. Rechtsschutzbedürfnis
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Zulässig ist eine Klage nur dann, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hat, sein Recht vor einem Zivilgericht geltend zu machen. Da Selbsthilfe grundsätzlich verboten ist, ist ein Interesse des Klägers bei Leistungsklagen stets anzuerkennen. Bei einer klausurmäßigen Bearbeitung muss es daher nicht explizit erwähnt werden. Anders ist die Situation bei der Feststellungsklage. Hier verlangt § 256 ZPO ausdrücklich ein Feststellungsinteresse des Klägers. Dies ist zu bejahen, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht (z.B. Unklarheit, ob der Mieter zu Schönheitsreparaturen verpflichtet ist)[100] oder der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet.[101] Bei positiven Feststellungsklagen fehlt das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger sofort eine Leistungsklage erheben könnte. Grund ist, eine doppelte Beanspruchung der Gerichte zu vermeiden. Da Feststellungsklagen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, müsste der Kläger häufig eine Leistungsklage „hinterher schieben“.
Beispiel
Mona СКАЧАТЬ