Название: Besonderes Verwaltungsrecht
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811472341
isbn:
Das kommunale Kooperationsrecht wird aus Rechtsquellen verschiedener Ebenen gespeist; es ist größtenteils zwingend, teilweise aber auch nachgiebig. Aus der Perspektive der Kooperationsform ist es teils fremd-, teils selbstgesetzt. Dabei lässt es sich in Form einer Normenpyramide darstellen[17]: An der Spitze stehen europarechtliche Bestimmungen wie Art. 4 Abs. 2 EUV und die verfassungsrechtlichen Regelungen aus Art. 28 Abs. 2 GG und den übrigen grundgesetzlichen Bestimmungen. Es folgen völkerrechtliche Verträge wie die Europäische Kommunalcharta, die gemäß Art. 59 Abs. 2 GG im Range eines einfachen Bundesgesetzes innerstaatlich gelten. Dem schließen sich die jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Regelungen an. Sodann kommen die zwingenden landesgesetzlichen Vorschriften, vor allem in den einfachen Landesgesetzen über kommunale Gemeinschaftsarbeit bzw. kommunale Zusammenarbeit als leges speciales, ergänzt um die zwingenden Vorschriften in den jeweiligen Gemeinde- und Kreisordnungen. Darunter stehen die von den Beteiligten vertraglich vereinbarten Regelungen. Danach ist auf die nachgiebigen Vorschriften in den Landeskooperationsgesetzen sowie sonstige dispositive gesetzliche Vorschriften zurückzugreifen. Es schließen sich die von der Kooperationsform, z.B. einem Zweckverband, selbst erlassenen Regelungen an.
Zehntes Kapitel Kommunalrecht › § 65 Kommunale Zusammenarbeit › D. Verfassungsrechtliche Grundlagen
D. Verfassungsrechtliche Grundlagen
14
Die kommunale Kooperationshoheit ist Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und als solche verfassungsrechtlich sowohl durch Art. 28 Abs. 2 GG als auch durch die vergleichbaren Garantien in den Landesverfassungen geschützt[18]. Sie umfasst als positive Kooperationshoheit die Befugnis, mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten, als negative Kooperationshoheit das Recht, nicht zu einer solchen Zusammenarbeit gezwungen zu werden. Sie ist kein Grundrecht, weist aber strukturelle Ähnlichkeiten zu der Vereinigungsfreiheit auf. Sie kann verfassungsprozessual geltend gemacht werden durch Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem jeweiligen LVerfG oder subsidiär vor dem BVerfG; dabei können sich die Kommunen vor dem LVerfG nur auf die Garantie in der Landesverfassung berufen, vor dem BVerfG nur auf Art. 28 Abs. 2 GG.
15
Das Recht der Kommunen zur Zusammenarbeit ist zu unterscheiden von der rechtlichen Absicherung der so entstandenen Kooperationsform selbst. Diese sind in der Regel nicht verfassungsrechtlich geschützt und können nicht selbst eine Kommunalverfassungsbeschwerde erheben. Lediglich in Baden-Württemberg genießen Zweckverbände gemäß Art. 71 Abs. 1 S. 1 LV ebenfalls das Recht der Selbstverwaltung, aber auch dort haben sie keine Möglichkeit, Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß Art. 76 LV zu erheben – ihre prozessuale Absicherung bleibt also hinter der materiellen Garantie zurück[19].
16
Neben der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gewinnen weitere verfassungsrechtliche Bestimmungen Einfluss auf das kommunale Kooperationsrecht, denn auch kommunale Zusammenschlüsse sind in gleicher Weise wie ihre Mitgliedskommunen nach Art. 20 Abs. 3 GG an höherrangiges Recht und insbesondere gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
17
Finanzverfassungsrechtlich nehmen die kommunalen Kooperationsformen keine besondere Stellung ein, sondern sie partizipieren vor allem durch die Verbandsumlage an ihren Mitgliedskommunen. Im Finanzausgleich werden sie vor allem bei Bedarfszuweisungen berücksichtigt, soweit sie von ihren Mitgliedskommunen Aufgaben übernehmen und insoweit an deren Stelle treten.
18
Hinsichtlich der übrigen an kommunalen Zusammenschlüssen Beteiligten fehlt es an ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelungen, allerdings kann sich für öffentlich-rechtliche Beteiligte aus ihrem jeweiligen Organisationsrecht eine Kompetenz zur Zusammenarbeit ergeben. Für Private folgt insbesondere aus Art. 9 GG kein Recht auf Beteiligung an öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen, jedoch ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Privaten (nicht mit Kommunen).
Zehntes Kapitel Kommunalrecht › § 65 Kommunale Zusammenarbeit › E. Europarechtliche Einflüsse
E. Europarechtliche Einflüsse
19
Das kommunale Kooperationsrecht wird daneben vom Europarecht beeinflusst, wobei zwischen dem Recht der Europäischen Union (I.) und dem Recht des Europarates (II.) zu unterscheiden ist.
I. Europäische Union
20
Im Primärrecht der Europäischen Union ist die kommunale Selbstverwaltung nunmehr in Art. 4 Abs. 2 EUV ausdrücklich gewährleistet, die auch hier die Befugnis umfasst, mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten. Gleichwohl besteht im europäischen Primärrecht keine spezielle verfahrensrechtliche Absicherung, insbesondere kein mit der deutschen Kommunalverfassungsbeschwerde vergleichbares Verfahren vor dem EuGH. Die Kommunen können deshalb auch hinsichtlich der Zusammenarbeit nur Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV als nicht-privilegierte Kläger erheben[20].
21
Im Sekundärrecht der Europäischen Union steht nunmehr mit dem Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit eine spezielle Kooperationsform zur Verfügung, die gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG Anwendungsvorrang vor nationalem Recht genießt.
II. Europarat
22
Unter dem Dach des Europarates wurde die Europäische Kommunalcharta als halboffener völkerrechtlicher law-making treaty beschlossen, die in Art. 10 EKC ausdrücklich das Recht der Kommunen zur Zusammenarbeit vorsieht[21]. Sie gilt in Deutschland gemäß Art. 59 Abs. 2 GG als einfaches Bundesgesetz und wurde durch die Kommunalordnungen und Kooperationsgesetze der Länder bereits vorab weitgehend umgesetzt. Die EKC ist von ihrer Struktur her der EMRK vergleichbar, enthält aber im Unterschied zu dieser keine Staaten- oder Individualbeschwerde, sondern nur Anzeigepflichten[22]. Zwar können die Kommunen sich innerstaatlich auf die EKC berufen, jedoch hat diese soweit ersichtlich bislang angesichts der umfangreichen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Deutschland keine nennenswerte praktische Relevanz entfaltet.
Zehntes Kapitel Kommunalrecht › § 65 Kommunale Zusammenarbeit › F. Überblick über die gesetzlichen Regelungen
F. Überblick über die gesetzlichen Regelungen
23
Das kommunale Kooperationsrecht ist als Teil des Kommunalrechts Landesrecht und vorwiegend in den kommunalen Kooperationsgesetzen der Länder geregelt (I.). Ergänzende Vorschriften, z.B. über die Zuständigkeiten der kommunalen Vertretungskörperschaft bei Eingehen einer Kooperation, finden sich in den Kommunalordnungen der Länder und weiteren kommunalrechtlichen Gesetzen wie den Kommunalabgabengesetzen СКАЧАТЬ