Die Gefühle der Tiere. Peter Wohlleben
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Название: Die Gefühle der Tiere

Автор: Peter Wohlleben

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isbn: 9783895668012

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СКАЧАТЬ seinem Spieltrieb folgte und den Hasen nicht tötete, bis dieser schließlich doch sein Leben aushauchte. Abstoßend an der Sache war, dass kein Jäger eingriff, den Hund zu sich holte und den Hasen mit einem Gnadenschuss erlöste. Aber zurück zum Hund. Sofern wir ihm keine Bösartigkeit unterstellen möchten, bleibt nur noch die mangelnde Empathie. Und das wäre bei Tieren auch völlig normal. Genauso wenig, wie wir mit Fliegen oder Kellerasseln fühlen, Wesen, die sehr verschieden von uns sind, genauso wenig kann ein Hund sich in einen Hasen hineinversetzen. Derartige Vorstellungsgrenzen mag es bei allen Tierarten geben.

      Umso erstaunlicher ist die Beobachtung, die ein amerikanisches Rentnerehepaar machte. Ann und Wally Collito saßen auf ihrer Veranda, als eine junge, streunende Katze durch den Garten schlich. Klein, hilflos – sofort regte sich Mitleid bei den Collitos. Doch nicht nur bei ihnen. Denn plötzlich tauchte eine Krähe auf, die sich zum Kätzchen gesellte. Würde es einen Kampf geben? Nein, offensichtlich begleitete der schwarze Vogel das kleine Raubtier, und nicht nur das. Er suchte im Gras nach Würmern und fing an, das Waisenkind zu füttern. Die Freundschaft sollte über Jahre halten, und selbstverständlich adoptierten auch Ann und Wally die Katze. Die erste Kontaktszene wurde von dem Ehepaar übrigens filmisch festgehalten und kann bei YouTube unter Eingabe der beiden Tiernamen »Cassie und Moses« aufgerufen werden.

      Mitgefühl? Oder handelte die Krähe instinktiv, da sie keinen Partner und keine Jungen hatte und das Kätzchen mütterliche Gefühle auslöste? Selbst wenn es so wäre, so gleicht die Qualität dieser Empathie derjenigen, die zwischen Mensch und Hund herrscht. Auch bei dieser Beziehung hat der Vierbeiner häufig den Status eines Familienmitgliedes und ersetzt nicht selten das fehlende Kind.

      Nicht weit entfernt von der Empathie ist der Altruismus. Der Begriff umfasst Handlungsweisen, die dem Handelnden mehr Kosten als Nutzen einbringen, klassischerweise also als uneigennützig gelten. Was zunächst nach moralischer Höchstleistung klingt, kann im Tierreich rein instinktgesteuert und unbewusst ablaufen. Denken Sie an Ammenbienen, die selbst kinderlos sind, sich aber um die Brutpflege kümmern, oder ein Ameisenvolk, dessen Soldaten sich heldenhaft überlegenen Angreifern in den Weg stellen, um das Volk und vor allem die Königin zu retten. Alles kleine Altruisten, die sich für Volk und Vaterland auffressen lassen?

      Auf Menschen bezogen, wird der Begriff mit moralischen Werten verbunden. Ein Altruist handelt aus Überzeugung, um etwa der Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen. Daneben wird altruistisches Handeln durch sozialen Druck, etwa Gesetze oder berufliche Zwänge, hervorgerufen. Welcher Soldat steht schon in Afghanistan, um sich oder seine Familie zu verteidigen?

      Eine andere typische Form ist die Adoption von Waisenkindern. Die aufnehmenden Eltern haben Kosten und Mühen für die, rein biologisch gesehen, Rettung fremden Erbguts. Natürlich gibt ein solches Kind den Eltern viel zurück, unter evolutionären Gesichtspunkten endet der Weg der Stiefeltern jedoch in einer Sackgasse.

      Diese moralische Form des Altruismus wurde Tieren bisher abgesprochen. Beobachtet wurden Adoptionen von Tierwaisen bislang nur innerhalb bestehender Verwandtschaftsbeziehungen. Die Sorge um Individuen, die nicht zur eigenen Familie gehören, galt als eine der letzten Domänen des Menschen. Bis Leipziger Forscher um Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aufsehenerregende Ergebnisse aus dem Tai-Nationalpark der Elfenbeinküste mitbrachten. Die dort lebenden Schimpansen adoptierten in 18 beobachteten Fällen familienfremde Waisen. Mehrere Jahre lang sorgten sie für Nahrung und Schutz vor Raubtieren, ganz wie für den leiblichen Nachwuchs. Schnell waren Erklärungen zur Hand: Die lokal hohe Leopardenpopulation stelle ein hohes Bedrohungspotenzial dar. Dieses schweiße die Affenkolonien fester zusammen und führe möglicherweise deshalb zu den altruistischen Handlungen. Aber lassen sich in letzter Konsequenz nicht auch für menschliches Handeln derartige Gründe finden? Nebenbei bewiesen die frei lebenden Schimpansen einmal mehr, dass Zootiere ungeeignete Forschungsobjekte sind. Denn den gefangenen Artgenossen kommt die neu entdeckte Eigenschaft offenbar abhanden, weil sie von Wärtern versorgt werden und daher eine gegenseitige Sorge überflüssig ist.

      Freude und Glück

      Gefühle müssen die Menschen ihren tierischen Erdgenossen wohl oder übel zugestehen. Immerhin. Und zwar nicht nur im Sinne der Sensibilität, sondern auch in Form von Emotionen. Sollen Vierbeiner etwa in derselben Klasse spielen wie wir? Angst als notwendige Reaktion auf eine Bedrohung, Empathie und Mitgefühl für andere, in Ordnung, aber sollten Tiere tatsächlich auch Glück empfinden? Dieses Glück, das uns Menschen als einer der erstrebenswertesten Zustände gilt? Welches in Geburtstagsliedern besungen wird, bei freudigen Anlässen von den Gratulanten gewünscht wird und sogar in der Nationalhymne auftaucht?

      Meine Familie reist oft und gern. Höhepunkt des Jahres ist der Sommerurlaub, der häufig im hohen Norden verbracht wird. Für ein früheres Familienmitglied galt dies jedoch nicht: unsere Hündin Maxi. Weder auf der großen Skandinavienfähre noch in den Zügen wäre sie gern gesehen gewesen, zudem ging es ihr zuhause nicht schlecht. Meine Eltern, tierlieb und naturverbunden, versorgten Haus, Hof und natürlich Maxi. Tägliche Wanderungen, Leckerlis alle paar Minuten, keine Frage, Maxi liebte meine Eltern. War der Urlaub zu Ende, so holte uns mein Vater vom nahegelegenen Bahnhof ab und fuhr uns zurück zum Forsthaus. Dort wartete meine Mutter schon im Garten auf uns Rückkehrer, und noch vor ihrer Begrüßung stürmte uns Maxi entgegen. Sie jaulte, warf sich auf den Rücken und pinkelte vor lauter Aufregung. Für uns keine Frage: Maxi war glücklich, uns wiederzusehen.

      Glück ist schwer zu fassen. Psychologen beschreiben es mit einer extrem positiven Emotion und einem Zustand tiefster Zufriedenheit. Sie möchten es genauer wissen? Aber selbst in einigen Standardwerken der Psychologie des 20. Jahrhunderts werden Sie vergeblich auch nur nach diesem Wort suchen. Immerhin sind etliche Prozesse bekannt, die dieses Gefühl begleiten. So schüttet das Gehirn bestimmte Botenstoffe, wie etwa Dopamin, aus. Das Selbstwertgefühl wird gesteigert, die soziale Aufgeschlossenheit erhöht. Heraus kommt ein Moment des absoluten Wohl-befindens, der leider schnell wieder verpufft. Dennoch ist das Gefühl so angenehm, dass jeder Mensch es so oft wie möglich erleben möchte. Und ausgerechnet dieser starke Ausdruck aus der Sprache des Unterbewusstseins soll im Vokabular der Tiere fehlen?

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