Название: Himmel (jetzt reicht's aber)
Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
isbn: 9783967525328
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»Stephen, was geht hier eigentlich vor?!« Kirstie verschränkte energisch die Arme vor der Brust und funkelte ihren Sohn mit schief gelegtem Kopf wütend an; ihre grünen Augen verschossen gefährliche Blitze. »Du bist mir gleich mehrere Erklärungen schuldig!«
Ihr Gegenüber stöhnte und zeigte auf die Harley. »Ich weiß! Komm, wir fahren erst einmal nach Hause. Dort bestellen wir uns eine schöne, große Pizza mit allem drauf, was du magst – ich zahle! Und dann erkläre ich dir alles, versprochen!«
Kirstie McLaman stand noch immer mit in die Hüften gestemmten Armen auf dem Parkplatz. »Eine lausige Pizza? Das reicht nicht! Ein Tiramisu kannst du hinterher auch noch ausgeben, wenn du schon ungefragt über das Leben deiner Mutter bestimmst! Das ist das Mindeste!«
Jetzt musste Stephen lachen. Man hätte dem äußeren Anschein nach wieder einmal wirklich nicht entscheiden können, ob Kirstie tatsächlich sauer war, oder ob sie nur auf seine Kosten ein Abendessen herausschinden wollte.
»Schön, meine eigene Mutter will mich in den Ruin treiben. Also auch eine Tiramisu; sehr wohl, die Dame!« Stephen verdrehte theatralisch die Augen.
Kirstie rührte sich noch immer nicht vom Fleck, sah nachdenklich aus. »Was nun noch?«, fragte Steve. »Fehlt etwa die passende Vorspeise unseres opulenten Mahls?«
»Quatsch! Nein, im Ernst, Stephen – ich verstehe das alles nicht. Wieso konntest du dich vorhin nicht mehr daran erinnern, dass dein Projekt bei der I-COMP GmbH längst ausgelaufen ist? Du warst erst vor zwei Wochen dort auf der Abschiedsparty, bist wie ein Held gefeiert worden. Dank deines Erfolges hat diese Firma lauter positive Kommentare aus der Fachwelt für sich verbuchen können. Es KANN doch gar nicht sein, dass dir all das entfallen ist! Und woher rührt bitteschön dein plötzliches Interesse an der LAMANTEC? Vater hat mir erst neulich erzählt, du hättest üble Kraftausdrücke gebraucht, um die Firma und deren »geldgeile Schergen« zu beschreiben; ihn selbst eingeschlossen. Weshalb dieser extreme Sinneswandel? Seit wann verstehst du etwas von Verhandlungstaktik und, vor allen Dingen – wer hat dir den verdammten Code des Safes verraten? Vater doch bestimmt nicht!« Stephen konnte und wollte seiner Mutter diese Fragen nicht sofort beantworten. Schließlich durfte er zu seinem Leidwesen nicht vollkommen ehrlich sein, sonst hätte er ihr ungeschminkt die volle Wahrheit seiner drei Existenzen präsentieren müssen. Das erschien ihm aber nicht möglich, jedenfalls nicht ohne umgehend in den Verdacht einer schlimmen Geisteskrankheit zu geraten. Er musste sich unbedingt erst eine halbwegs plausible Geschichte bereitlegen, die zwar nicht vollständig gelogen sein durfte, jedoch auch nicht zur Gänze der furchtbar komplizierten Wahrheit entsprechen konnte. Vor allem jedoch musste sie Kirsties sprichwörtlicher Spürnase für Ungereimtheiten standhalten.
Als Mutter und Sohn eine Stunde später vor riesigen aufgeklappten Pizza-Schachteln saßen und Pizza »Quattro Stagioni« futterten, konnte Stephen langsam aufatmen. Kirstie hatte die Darstellung geschluckt, dass er in Mühlensteins Gegenwart nur geblufft hatte, als er sein angeblich noch bestehendes Arbeitsverhältnis bei der I-COMP GmbH erwähnte; es komme auf diese Weise einfach besser herüber, als im Status eines Arbeitslosen über einen lukrativen Vertrag zu verhandeln.
Den Code für den Safe wollte Vater ihm selbstverständlich nicht freiwillig verraten, erzählte Steve grinsend. Der selbsternannte Clanführer habe versehentlich nicht aufgepasst, als er diesen in Stephens Gegenwart vor einigen Wochen eingegeben habe; vermutlich sei er durch das gleichzeitig stattfindende Streitgespräch abgelenkt gewesen.
Im Übrigen stecke in ihm, Stephen, erheblich mehr, als Vater und sie, Kirstie, jemals wahrgenommen hätten, verkündete er stolz. Solche Dinge wie Verantwortungsbewusstsein und Verhandlungsgeschick eben – Vater habe einfach nur zu wenige Möglichkeiten seiner Entfaltung zugelassen, hauptsächlich um seine eigene allwissende Machtposition nicht zu gefährden. Schon gar nicht durch den eigenen Sohn.
Schließlich hatte Kirstie verständnisvoll genickt und sämtliche Erklärungen mehr oder weniger bereitwillig akzeptiert. »Na gut! Aber ein Hühnchen habe ich mit dir dennoch zu rupfen«, mahnte Kirstie und klappte mit Schwung ihre leere Pizzaschachtel zu.
»Du weißt, dass ich meinen derzeitigen Job sehr schätze, ich bin jetzt schon seit vielen Jahren bei dieser Firma beschäftigt. Wie kannst du einfach über meinen Kopf hinweg behaupten, ich wolle wieder bei der LAMANTEC anfangen?« In dieser Frage schwang ein deutlicher Vorwurf an Stephens Adresse mit.
»Ach Mama, es tut mir leid, wenn ich mir da etwas angemaßt haben sollte. Aber schau mal, du hast diese Firma doch von Grund auf mit aufgebaut. Gegangen bist du damals nur, weil Vater dich im Vorzimmer dauernd schikaniert hat, so wie er es mit allen Bediensteten tat. Und das war richtig so, er hat dadurch lernen müssen, dass er bei dir damit an Grenzen stößt. Auf diese Weise hast du dir wenigstens ein bisschen Respekt gesichert. Aber jetzt liegen die Dinge doch ganz anders. Vater ist nicht mehr da und wir müssen sehen, dass die Firma reibungslos weiter läuft. Du selbst hast mir vor einigen Tagen deine Ängste geschildert, wegen der unsicheren finanziellen Zukunft und unserer mangelhaften Möglichkeit der Einflussnahme auf das Unternehmen. Und jetzt? Wir sind beide drin, direkt am Puls des Geschehens. Man kann uns nicht mehr so leicht übergehen; außerdem haben wir für einen würdigen Abgang dieser Hugler gesorgt, findest du nicht?« Jetzt lächelte Kirstie, zwirbelte versonnen eine dicke Haarsträhne um ihren linken Zeigefinger. »Na ja, du hast natürlich Recht. Gleich morgen werde ich in den sauren Apfel beißen und meinem Chef die Kündigung schonend beibringen müssen. Ich hoffe, er wird meine Gründe verstehen können – Dieter hat ohnehin schon immer befürchtet, dass ich eines Tages reumütig in die LAMANTEC zurückkehren müsste. Tja – ich habe ihn jedes Mal, wenn die Sprache hierauf kam herzhaft ausgelacht und gemeint, eher gefriere wohl die Hölle zu … wie es jetzt aussieht, erlebt der Teufel demnächst also tatsächlich einen unvorhergesehenen Kälteeinbruch«, witzelte Kirstie süß-sauer.
Stephen riss voller Vorfreude die Plastikverpackung seiner Tiramisu-Portion auf und genoss sichtlich den leicht alkoholischen Duft, der ihm sogleich aus dem Behältnis entgegenschlug.
»Hmmm … ich denke, das mit dieser Nachspeise war eine Spitzenidee von dir«, murmelte er anerkennend in Richtung seiner Mutter, schon um endlich das Thema wechseln zu können.
Doch Kirsties steile Falte zwischen den schön geschwungenen Augenbrauen, welche stets unangenehme Denkprozesse signalisierte, war noch immer nicht vollständig verschwunden. »Stephen? Was ist das eigentlich für ein merkwürdiger Baum, dessen Zeichnung auf deinem Schreibtisch liegt?«
Herrjeh … Stephens Appetit auf Tiramisu sank augenblicklich gen Nullpunkt.
* * *
Eine Kundin noch! Nur eine, versuchte Belinda McLaman sich selbst zu beruhigen. Sie verachtete ihre Chefin dafür, dass sie ihr regelmäßig noch in letzter Minute Kosmetikbehandlungen am späten Nachmittag hineindrückte und selbst indessen gut gelaunt schon mal nach Hause ging. Dabei hätte sie die Anruferin auch locker auf den nächsten Tag vertrösten können, fand Belinda. Denn diese war noch nicht einmal in der Kundenkartei zu finden, somit konnte es sich lediglich um Laufkundschaft handeln. Einzig damit diese Eintagsfliege von Kundin mit frisch gefärbten Wimpern herumlaufen konnte, durfte Belinda nachher wieder im gefühlten Tiefflug zum Kindergarten fahren und sich auch noch für ihr verspätetes Auftauchen entschuldigen, während Dennis sie vorwurfsvoll mit seinen großen, braunen Kinderaugen mustern würde. Vermutlich heftete auch längst ein schöner, teurer Strafzettel an der Windschutzscheibe ihres Peugeot, denn der Parkschein war schon vor einer Stunde abgelaufen. Wenn sie nur eine Alternative zu diesem Ausbeuter-Job gesehen hätte …
Gerade als Belinda sich trotzig einen СКАЧАТЬ