Die meisten der versklavten Indios hatten nicht die körperliche Verfassung für die unmenschliche Sklavenarbeit. Also kamen die Kolonialherren zu der verhängnisvollen Entscheidung, Indiosklaven durch die körperlich weitaus stärkeren Afrikaner zu ersetzen. Damit begann eines der furchtbarsten Kapitel der Geschichte Amerikas und Afrikas. Tausende und abertausende Frauen und Männer wurden als Sklavinnen und Sklaven von Afrika nach Brasilien und Amazonien transportiert. Viele haben aufgrund der brutalen Verhältnisse auf den Navios Negreiros (wörtlich: Negerschiffe) die Überfahrt nicht überlebt. Unvorstellbar sind das physische Leid dieser Menschen und dazu noch das furchtbare Heimweh, das sie plagte. Gar manche starben an einer von den Bantus als Kubanza bezeichneten Krankheit. Es handelte sich um eine grenzenlose Sehnsucht nach der verlorenen Heimat, die in vielen Fällen zu einer Schwermut mit pathologischen Ausmaßen und sogar zum Tod führte.
Der 13. Mai 1888 ist der Tag der offiziellen Abschaffung der Sklaverei in Brasilien durch Prinzregentin Isabella – als letztes Land der westlichen Halbkugel setzte Brasilien diesen Schritt. Debora Gerstenberger, Historikerin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, sagt dazu: „Paradoxerweise ist gerade die schrittweise Abschaffung der Sklaverei in Brasilien ein Prozess, der auf rassistischen Prinzipien beruht – weil man die weiße Bevölkerung für hochwertiger hielt. Damals hieß es, man müsse die Gesellschaft aufweißen.“ Statt weiterhin Sklaven aus Afrika zu holen, fördert die brasilianische Regierung die Einwanderung aus Europa. Mit der Abschaffung der Sklaverei begann ein weiteres Kapitel für die Afrobrasilianer. Sie wurden auf freien Fuß gesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Sie hatten nichts, was ihnen gehörte. Die einzige Möglichkeit zu überleben, war, sich weiterhin bei einem Patrão (Großgrundbesitzer, Großunternehmer) zu verdingen und in sklavenähnlichen Verhältnissen zu arbeiten. Diese Art von Arbeitsverhältnissen und -bedingungen reicht zum Teil bis in unsere Tage.
Die Nachkommen dieser aus Afrika stammenden Sklaven machen heute einen Großteil der Bevölkerung Amazoniens aus. Manche Gemeinschaften in Amazonien sind als Quilombos sogar gesetzlich anerkannt, aber auch hier ist derselbe Trend wie bei den indigenen Völkern zu beobachten, nämlich die Aberkennung eines besonderen Rechtsstatus. Die religiösen und kulturellen Traditionen im brasilianischen Amazonien spiegeln vielerorts heute noch die afrikanische Seele wider. Die meisten rhythmischen Lieder und Tänze und die dazu benutzten Perkussionsinstrumente erinnern an die Mãe África (Mutter Afrika).
Bis heute konnte der Rassismus nicht ausgerottet werden. Gerade in Amazonien ist er oft und oft zu spüren. Afrobrasilianer und Indios werden nach wie vor diskriminiert, zwar seltener explizit, aber unterschwellig. Der weit überwiegende Teil der Favelabewohner ist dunkler Hautfarbe. Eine Studie des Instituts Datafolha zeigt, dass 80 Prozent der nichtschwarzen Brasilianer rassistische Vorurteile hegen. Auf der politischen Ebene geht es in Brasilien viel weniger um Rechts- und Linksparteien. Casa Grande e Senzala (Herrenhaus und Sklavenhütte) charakterisieren bis heute die brasilianische Gesellschaft, und dies ganz besonders in Amazonien.
Gerade in diesen Tagen befinden sich die indigenen Völker und Quilombolas wieder in einer äußerst bitteren Situation. Die Zeichen stehen auf entschiedenem Widerstand gegen die Regierung. Der am 1. Jänner 2019 angelobte Präsident Jair Messias Bolsonaro machte schon während des Wahlkampfes keinen Hehl daraus, dass er die Rechte der indigenen Völker beschneiden und die Afrobrasilianer ignorieren werde. Zudem will er Amazonien an multinationale Konzerne für eine weitere Zerstörungswelle freigeben. Es stört ihn absolut nicht, dass seine anti-indigene Einstellung verfassungswidrig ist. Sie widerspricht Art. 231 und 232 des brasilianischen Grundgesetzes.
Im 19. Jahrhundert erlangte die Gewinnung von Latex aus den Gummibäumen des tropischen Regenwaldes eine große wirtschaftliche Bedeutung, weckte das Interesse großer europäischer und nordamerikanischer Unternehmen und lockte Zehntausende aus dem brasilianischen Nordosten an. Bis 1850 beschränkte sich die Gummiausbeutung auf die Region rund um die Hauptstadt Belém und die benachbarten Inseln. Dann eroberte die Gummigewinnung das gesamte brasilianische Amazonien. Die ersten Nebenflüsse des Amazonas, die für den kommerziellen Transport genutzt wurden, waren Xingu und Tapajós, später dann auch die Nebenflüsse am Oberlauf des Amazonas: Solimões, Purus, Alto Madeira und Juruá.
Zu dieser Zeit kamen auch Türken, Syrer, Libanesen und Juden nach Amazonien, die anfangs allesamt den Handel im Sinne von Warenaustausch praktizierten. Diese Art von Handel in den weitvernetzten Flussgebieten Amazoniens dauerte zum Teil bis in die vergangenen Jahrzehnte fort. Der Tauschhandel florierte. Vielerorts machten die Händler damit einen doppelten Gewinn. Sie drosselten einerseits den Wert der von den Flussbewohnern angebotenen Produkte des Extraktivismus (von lat. ex-trahere, herausziehen; ex-tractum, das Herausgezogene), der Bewirtschaftung von naturnahen Landschaften, andererseits verkauften sie ihre Waren um exorbitante Preise.
Das brasilianische Produktionsmonopol und die hohen Gummipreise auf dem Weltmarkt bereicherten die Besitzer der Regionen, in denen die Gummibäume heimisch sind. Für einige Zeit wurden Manaus und Belém zu „Hauptstädten des Luxus und der Verschwendung“. Die Gummizapfer selbst aber blieben arm. Wer in Saus und Braus lebte, waren die Familien der Gummibarone und Großhändler. Als in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Gummiboom in Amazonien aufgrund der Konkurrenz durch den asiatischen Kautschuk einbrach, stürzten tausende Familien der Gummizapfer ins Elend, aus dem sie sich – wenn überhaupt – nur langsam erholten.
Während des Zweiten Weltkriegs, als Japan im Juli 1940 Truppen in Indochina stationierte, stellte Washington umgehend die Erdöllieferungen nach Japan ein. Japan reagierte mit seinem Einfluss auf den Kautschukmarkt in Südostasien und die asiatischen Länder stornierten die Kautschuklieferungen an die Vereinigten Staaten. Die brasilianische Regierung witterte damals ihre Chance und unterzeichnete gleich ein Abkommen mit den USA zur Lieferung von Kautschuk aus Amazonien.
Dadurch geriet das Land ins Visier Nazideutschlands und im Juli 1942 torpedierten deutsche U-Boote brasilianische Handelsschiffe vor der Küste Brasiliens. Darauf erklärte Brasilien am 22. August 1942 Deutschland und dem faschistischen Italien den Krieg. Es sollte fortan zwei Schlachtfelder geben: eines in Europa und das andere in Amazonien. Erst im Juli 1944 wurden brasilianische Truppen in der Stärke von etwa 25.000 Mann nach Europa entsandt, aber längst vorher kamen etwa 60.000 Menschen aus den nordöstlichen Bundesstaaten, vorwiegend aus Ceará, nach Amazonien. Sie wurden von der Regierung für die Kautschukgewinnung an der Amazonasfront rekrutiert, mit dem Versprechen, dort bessere Lebensverhältnisse zu finden als in dem von langen Dürreperioden heimgesuchten Nordosten. Um ihnen eine Art militärischen Status zuzuerkennen, bekamen sie den Namen Kautschuksoldaten.
Statt eine bessere Lebensqualität zu finden, erwartete die Neuankömmlinge die ihnen bisher unbekannte Realität des tropischen Regenwaldes mit all seinen Tücken und Krankheiten. Vom Tag ihrer Ankunft an unterstanden sie in einem sklavenähnlichen Verhältnis den Gummibaronen, die sie bis aufs Blut ausbeuteten. Oft gab es auch Konflikte zwischen den Gummizapfern und indigenen Völkern, die die Gegenwart der Kuben (Menschen weißer Hautfarbe) in ihrem angestammten Gebiet nicht duldeten. Der indigene Widerstand mit Pfeil und Bogen provozierte die Rache der Kautschukbarone, die sofort mit Feuerwaffen antworten ließen. Massaker standen an der Tagesordnung. So manche Indiodörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die Flüsse färbten sich rot vor Blut. Von den 60.000 Kautschuksoldaten starben rund 35.000 aufgrund von Tropenkrankheiten oder im Konflikt mit den Indigenen. Über die Anzahl der ermordeten Indios schweigen СКАЧАТЬ