2034. Stefan Koenig
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Название: 2034

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783754185223

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СКАЧАТЬ Oder habe ich sie gar schon bei Facebook eingestellt und ich habe ... habe ... habe vielleicht unangenehmen Besuch bekommen?

      Ein Geräusch: KLACK! Ein Geräusch, das ich liebe. Ein Geräusch, bei dem ich mich sicher fühle. Ein Anschnallgurt. Aha, ich werde liegend im Auto gefahren. Ich werde wahrscheinlich jeden Moment zu Hause ankommen.

      Eine Art Taxi-Service.

      Aber alles totaler Quatsch, kann gar nicht sein, denn ein fahrendes Auto macht Geräusche einer anderen Art – das hier quietscht höchstens wie ein kaputtes Rad an einem Kettcar.

      Ich werde an Schultern und Waden gepackt und hochgehoben. Das erschreckt mich furchtbar, und wieder versuche ich zu schreien. Wieder bleibt der Schrei irgendwo im Nirwana zwischen Wollen und Können stecken. Kein Ton verlässt meine tonformende Mundhöhle ... Oder vielleicht ein einziges winziges Quietschen nur, viel leiser als das des Rades unter mir. Wahrscheinlich nicht einmal das. Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein.

      Warum tut meine Zunge nichts? Plötzlich schießt mir ein schrecklich obszönes Bild durch den Kopf, das eine befreundete Malerin für den Kunstverein Laubach, KVL, gemalt hatte. Kurz, sehr kurz, schießt die Erinnerung ein, wie sehr sich der örtliche Karnevalsverein und der Kunstverein um das Kürzel KVL stritten. Ich liebe Vereinsstreitereien. Sie beweisen immer wieder Einsteins Relativitätstheorie – denn es gibt sie tatsächlich, die relative Blödheit. Natürlich hat Einstein weit darüber hinaus gedacht, relativ gesehen. Letztlich entschied zwischen den konkurrierenden Vereinen das Los. Gezogen hatte ich (als neutraler Schriftsteller) jenes friedensstiftende Glückslos. Leider erinnere ich mich im Moment nicht mehr, wer sich nun glücklich fühlen und KVL nennen durfte.

      Meine Gedanken reißen ab. Dann, mit einem Mal, werde ich in dem mich umgebenden Dunkel durch die Luft geschwungen. He, lasst mich nicht fallen, ich habe Rückenprobleme, versuche ich zu sagen. Es stimmt zwar nicht, doch wann taugen Notlügen, wenn nicht in dieser Situation? Und auch diesmal bewegen sich weder Lippen noch Zähne. Meine Zunge liegt weiter auf dem Meeresboden. Die Flunder ist inzwischen vielleicht für immer eingeschlafen, und ich habe jetzt einen schrecklichen Gedanken, der Angst auslöst, die fast schon einer gediegenen Panik gleicht: Was ist, wenn sie mich falsch hinlegen, wenn meine Zunge nach hinten rutscht und meine Luftröhre blockiert? Ich werde nicht mehr atmen können. Das meinen Leute, wenn sie sagen, jemand habe seine Zunge verschluckt, nicht wahr? Kein Atem, kein Leben. Kein Leben, kein Buch, kein Bericht über jenes Jahr 2034, von dem ich jetzt nicht einmal weiß, ob ich es je erleben werde. Langsam drehe ich am Rad ...

      Ich rekapituliere nun ein drittes Mal, was bisher geschah: Ich glaube, ich bin bewusstlos und werde auf einer Krankenliege zum OP gefahren. Aber das kann nicht stimmen, denn Bewusstlose kriegen eigentlich nichts mit. Ich hingegen kriege allerhand mit. Ich höre mehrere Stimmen, und ich habe das Gefühl, dass ich Gefühle habe. Aber ich sehe nichts. Und ich kann nicht sprechen. Jedenfalls nicht wirklich. Ich spreche mehr in Gedanken. Alles, was sich Erinnerung nennt, besteht darin: Ich saß auf einem Plastikstuhl und starrte, nach der Impfspritze, zehn lange Minuten auf die große Uhr, die vor Bens und meiner Nase an der Frontseite der Beratungskabine tickte – wie eine Zeitbombe.

      War das ein überirdischer Hinweis: Deine Zeit läuft ab?

      Oder hatte ich einen besonders schwierigen Corona-Ausbruch und bin hinüber – und was ich wahrnehme entspricht jener bekannten Nahtod-Erfahrung?

      Oder will man mich retten – wovor auch immer? Komme ich jetzt unters Messer? Warum? Wozu? Was ist hier wirklich los?

      Zweite Stimme (Pit): „Der wird Ihnen gefallen, Frau Doktor, er sieht aus wie Stephan Remmler. Vielleicht ist er‘s. Seine Personalien und die Impfakte kommen in den nächsten dreißig Minuten, hat man uns versprochen.“

      Ärztin: „Wer ist Remmler?“

      Dritte Stimme, scheint ein junger Mann zu sein, kaum älter als ein Teenie: „Das ist dieser Sänger von der Gruppe TRIO. Ihr Jahrgang, Frau Doktor! Sind 1982 mit dem Hit »Da da da« groß rausgekommen. Ich glaub‘ aber nicht, dass er‘s hier ist.“

      Das löst Gelächter aus, in das die weibliche Stimme einstimmt (eher zweifelnd), und als ich auf etwas gelegt werde, das sich wie ein ungepolsterter Stahltisch anfühlt, macht Pit bereits den nächsten köstlichen Witz. Er hat anscheinend ein ganzes Repertoire davon auf Lager; vielleicht sogar auswendig Gelerntes von der Facebook-Seite »Humor ist, wenn man trotzdem lacht«. Ich jedenfalls verpasse diese neuerliche Heiterkeit, weil mich jähes Entsetzen befällt. Wenn meine Zunge meine Luftröhre blockiert, werde ich nicht atmen können, das war der Gedanke, der mir noch eben durch den Kopf gegangen war. Aber was ist, wenn ich gar nicht atme?

      Was ist, wenn ich tot bin? Was ist, wenn der Tod genauso aussieht? Man kann nicht mehr sprechen, kann nichts mehr sehen – außer schwärzestes Schwarz.

      Das passt. Das passt mit schrecklicher Genauigkeit zu allem. Das unheimliche Dunkel. Der Gummigeruch – als Sanitäter bei der Bundeswehr hatte ich einmal eine Inventur für Leichensäcke durchführen müssen, natürlich ohne Leichen. Und jetzt erkenne ich dieses Gefühl, diesen Geruch plötzlich wieder.

      Großer Gott, ich bin in einem Leichensack.

      Genf, Frühsommer 2009

      Lange ist’s her, das Jahr 2009. Die erste große Weltwirtschaftskrise nach 1929. Bumm! – das Platzen der US-Immobilienblase 2007. US-Bankencrash 2008, erweitert von Banken- und Unternehmens-Crashs in Europa in der Folgezeit. Vernichtung von Kapital in Billionenhöhe. Pleite der größten US-amerikanischen Investmentbank »Lehman Brothers« – gegründet 1848 auf dem profitablen atlantischen Geschäftsfeld des Sklavenhandels. Jetzt war alles mit einem Schlag futsch. Die Zeit zwischen 2007 und 2010 – die erste bedrohlich große Krise des Casinokapitalismus.

      Es ist Frühsommer. Genf, die Hauptstadt des gleichnamigen Schweizer Kantons. Eine Stadt zwischen den Alpen und dem Juragebirge vor der spektakulären Kulisse des Mont Blanc an der Südspitze des Genfer Sees. Sitz der Weltgesundheitsorganisation, WHO, und diverser Waffenhändler-Ringe und Politkrimineller – was natürlich nichts zu sagen hat. Vielleicht aber ist die unmittelbare Nähe der Gemeinde Cologny, gelegen am östlichen Genfer Seeufer, von etwas mehr Bedeutung. Dort hat Klaus Schwab, Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums, WEF, samt seiner Stiftung seinen Geschäftssitz. Und er ist sehr geschäftig. Jahr für Jahr schart er die wichtigsten und mächtigsten Wirtschaftsbosse um sich. Sie beratschlagen. Sie denken nach. Sie planen. Sie spielen Strategien durch. Alles halb so wild.

      An jenem Frühsommerwochenende, an einem Samstag, kurz vor Mitternacht, geht die WHO-Chefin, Margaret Chan aus der Volksrepublik China, und WEF-Chef Schwab, ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler, schweigsam ihren Gleichgesinnten zum Schwarzen Salon voraus. Nicht alle ihrer sieben Gäste kennen sich in dem langgestreckten, stahlgestärkten Glasgebäude aus. Thierry Malleret, Schwabs strategischer Mitstreiter, ist das erste Mal dabei; Gates hatte darauf bestanden.

      Der Sekretär des Präsidenten der Rockefeller Foundation, Edwin R. Embree, und der Schatzmeister dieser einflussreichen Stiftung, Mr LG Myers, haben zwar mit dem Bellagio Center – der Villa Serbelloni im italienischen Bellagio am Comer See – ein äußerst repräsentatives Konferenzzentrum, aber es herrschte von Anbeginn Einvernehmen darüber, dass das heutige Treffen in der Zentrale zukünftiger Entscheidungen hier stattzufinden habe, hier, im Haus der Weltgesundheitsorganisation.

      Die neun mächtigen Entscheidungsträger treten wie Verschwörer auf, sind es aber nicht. Im Gegenteil: Ihre Ideen und Absichten sollen sehr publik werden. Sie haben eine Nachtsitzung vor sich. Und überhaupt: Es liegen nicht nur ein paar Nächte, nein, СКАЧАТЬ