2034. Stefan Koenig
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Название: 2034

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783754185223

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СКАЧАТЬ unter einer widerlichen Maske bei der Arbeit abquälen?

      Kein einfaches Thema: Sollte man das Virus mit einem unwirksamen Impfstoff, den man alle paar Wochen neu spritzen musste, gewissermaßen mit einer Art Dauerimpfschleife, bekämpfen? Oder sollte man auf die Eigenimmunisierung vertrauen, nachdem die erste und aggressivste Virusvariante durch war? Zu letzterem gab es eine Menge länderspezifischer Beispiele. Aber weder Ben noch ich hatten damals das Bedürfnis, uns mit dieser Frage als Hobbyforscher hervorzutun und das Laien-Spiel der »Alleswisser« auf Social Media mitzuspielen.

      Und es interessiert mich im Moment auch wirklich nicht. Im Moment habe ich das Gefühl, mich durchs Dunkel zu bewegen, von einem leisen rhythmischen Geräusch begleitet, das nur ein quietschendes Rad sein kann.

      Ich bin ziemlich sicher, dass ich mich ohne mein Zutun bewege. Und ich spüre mich; spüre meinen Körper von der rasierten Glatze bis zu den pedikürten kleinen Fußzehen. Ich glaube, etwas rundum riecht nach Gummi oder Vinyl – und dieser Geruch rollt mit mir. Das ist keine Bewusstlosigkeit; meine Empfindungen sind zu echt, um ein Traum zu sein.

      Wo also bin ich?

      Was passiert mit mir?

      Bin ich der, den ich persönlich kenne, wenn ich noch in den Spiegel schauen könnte?

      Seien Sie, verehrte Leser, bitte in den kommenden Minuten tapfer. Zumindest Sie sollten unerschrocken und bei Bewusstsein bleiben.

      Wenigstens Sie!

      Sie wissen, was auch ich weiß: Ich liege im Dunkeln und rolle und glaube, ich sei bewusstlos. Dann dämmert mir langsam, dass Bewusstlose nicht das Gefühl haben, sich durchs Dunkel zu bewegen, von einem leisen, rhythmischen Geräusch begleitet, das nur ein quietschendes Rad sein kann. Das idiotische Quietschen jenes dämlichen Rades verstummt, und ich höre plötzlich auf, mich zu bewegen. Der Gummigeruch bekommt eine zweite Dimension und wird als Knisterton hörbar. Kann so etwas sprechen? Oder ist das eine menschliche Stimme?

      Stimme Eins: „Wohin soll er?“

      Keine Antwort. (Versinkt jetzt mein Hörorgan in die besagte Bewusstlosigkeit?)

      Nach langer Pause, Stimme Zwei: „In die 508, glaub‘ ich ...“ Erneute Pause, jedoch nicht so lange wie zuvor, dann: „Ja, doch, Tiefgeschoss, die Fünfhunderter-Abteilung.“

      Ich werde wieder in Bewegung gesetzt, diesmal etwas langsamer. Da schlürfen Füße, wahrscheinlich in irgendwelchen Badelatschen, vielleicht in Clogs. Die Besitzer der Stimmen sind auch die Besitzer der Schuhe. Schon wieder halten sie inne und Stimme Eins sagt:

      „Komisch, warum für das Tiefgeschoss die Raum-Nummern aus dem fünften Stock vergeben wurden.“

      Stimme Zwei: „Weil es nur vier Stockwerke gibt, Blödmann!“

      Ich kapiere das Ganze nicht; ich höre ein Geräusch, als drücke jemand auf einen schwergängigen Knopf, dann höre ich einen dumpfen Schlag, dem ein leises Zischen folgt. Aha, eine Sicherheitstür, die mit Druckluft geöffnet wird.

      Hey, was ist hier los?, schreie ich, aber der Schrei tönt nur in mir, wahrscheinlich nur in meinem Kopf. Mein Mund bewegt sich nicht, ebenso wenig wie meine Lippen, die geschlossen bleiben, lose aufeinander liegend. Ich denke, ich kann sie fühlen – und meine bleierne Zunge, die wie eine Flunder auf dem Meeresboden meiner Mundhöhle liegt. Aber ich kann diese Flunder nicht aufscheuchen, nicht in Bewegung bringen. Trotz meiner starken Willenskraft bleibt sie einfach wie betäubt auf dem feuchten Boden und rührt sich nicht.

      Das Ding, auf dem ich zu liegen scheine, kommt wieder in Fahrt. Ein großes rollendes Skateboard? Ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich, das kenne ich nur aus der Simpson-Serie! Eher ein rollendes Bett. Ahhh, jetzt dämmert‘s mir: eine Krankentrage. Ich liege auf einer rollbaren Krankentrage. Damit habe ich mal auf einer Anti-Castor-Demo Bekanntschaft gemacht. Damals hatten sich die Sanitäter über meinen zusammengeschlagenen Zustand belustigt und dachten, ich würde sie nicht hören. Sei’s drum. Sehr unsensible Sani-Täter. Egal. Es ist Vergangenheit.

      Das Letzte, was mit mir geschehen ist, woran ich mich im Moment erinnere, spielte sich an einem schönen Mai-Nachmittag in einer Kabine in jenem umgeräumten Möbelhaus Roller in Heuchelheim ab – später einmal werde ich behaupten »Heuchelheim« oder auch »Meuchelheim« seien geeigneten Namen für so ein Impfzentrum gewesen.

      Ich versuche krampfhaft, mich zu erinnern, was geschehen ist. Da war zuerst der Arzt, der routinemäßig und ziemlich unbeteiligt nach meinen Vorerkrankungen fragte. Ich schilderte ihm ausführlich meine Bedenken. Zwischendurch kamen zwei Mädels in ihren sterilen Impfklamotten und fragten ihn irgendeinen organisatorischen Kram. Schließlich sagte er wie abwesend zu mir: „Alles kein Problem. Kabine 3 ist frei.“

      Dann setzte er mir die Spritze. Das Schild auf seinem Kittel weist ihn als Dr. Widuweit aus. Der kurze Pieks, dann zehn Minuten abwarten. Und dann geschah es wohl. Was dann passierte, entzieht sich meiner Erinnerung.

      Was mein Hier und Jetzt allerdings betrifft, wird mir aus den Reden der fremden Stimmen klar, dass ich im fünften Stock eines Krankenhauses bin, dass mir etwas sehr Schlimmes zugestoßen ist, und dass ich operiert werden soll. Andererseits liegt das fünfte Stockwerk im Tiefgeschoss … Wie geht das? Wie passt das zusammen?

      Da sagt Stimme Eins: „Ist doch einfach Schwachsinn, dem Untergeschoss hohe Raum-Nummern zu verpassen.“

      „Wegen der Angehörigen“, höre ich Stimme Zwei antworten. „Die brechen doch sonst in Tränen aus, wenn sie am Telefon erfahren, sie sollen mit dem Aufzug ins Untergeschoss auf -1 fahren, um dann Raum -13 aufzusuchen. Minusgeschosse, Hölle, Tod und Teufel und dazu diese martialische Unglückszahl – 13. Jeder gefühlvolle ärztliche Kondolenz-Versuch wäre für die Katz. Problem verstanden, Bubi?“

      Meine Gedanken fliehen zurück zum Krankenhaus und überhören das Gehörte. In der Krankenhaus-Idee stecken viele beruhigende Gedanken. Ich habe keine Beschwerden, spüre keine Schmerzen. Von der Kleinigkeit abgesehen, dass ich in Todesangst schwebe, fühle ich mich total fit. Nur eines wirkt auf mich etwas beunruhigend: Wenn das Krankenpfleger sind, die mich in einen OP-Saal rollen, warum kann ich sie dann nicht sehen, obwohl, wie ich denke, meine Augen offen sind? Und warum kann ich nicht sprechen und sie fragen?

      Eine dritte männliche Stimme ruft von etwas weiter her: „Hier zu mir, Jungs!“

      Mein rollendes Bett wird in eine neue Richtung geschoben, und die Frage, die mir durch den Kopf geht, lautet: In welche Scheiße bin ich verwickelt?

       Und wer hat meine Operation veranlasst?

      Hängt das nicht davon ab, wer du bist, frage ich mich, denn das ist wenigstens etwas, was ich weiß, wie ich jetzt feststelle. Ich bin Stefan Koenig, das wird wohl stimmen. Aber was macht man hier mit mir?

      Zweite Stimme (spricht direkt über meinem Kopf): „Hui, haben Sie die Haare schön, Frau Doktor!“

      Vierte Stimme (weiblich, eher kühl): „Immer wieder nett, Ihre Komplimente, Pit. Aber könnten Sie sich eventuell ein wenig beeilen? Ich möchte gerne zu WER WIRD MILLIONÄR zu Hause sein und einen netten Abend mit meinem Gast aus Amerika verbringen.“

      Die Jauch-Sendung um Viertel nach acht. Es muss ein Freitag sein. Es ist noch Nachmittag, vielleicht später Nachmittag, aber hier ist es rabenschwarz, Schwarzer Frühling 2022 hin oder her, warum ist ein Mai-Nachmittag total finster? Was geht hier vor? War ich wirklich im Impfzentrum, bevor ich СКАЧАТЬ