Название: Schuld und Sühne
Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754188675
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»Ich tue ...« versetzte Raskolnikow unwillig und düster.
»Was tust du denn?«
»Eine Arbeit ...«
»Was für eine Arbeit?«
»Ich denke«, antwortete er nach einem Schweigen ernst.
Nastasja schüttelte sich vor Lachen. Sie war von den Lachlustigen, und wenn man sie zum Lachen brachte, lachte sie lautlos, sich schüttelnd und am ganzen Leibe bebend, bis es ihr übel wurde.
»Hast du dir schon viel Geld erdacht?« brachte sie endlich hervor.
»Ohne Stiefel kann man keine Stunden geben. Ich spucke auch darauf.«
»Spuck nicht in den Brunnen.«
»Das Stundengeben bringt nur Kupfergeld ein. Was kann man mit den paar Kopeken anfangen?« fuhr er unwillig fort, als antwortete er seinen eigenen Gedanken.
»Du willst aber wohl das ganze Kapital auf einmal haben?«
Er sah sie sonderbar an.
»Ja, das ganze Kapital«, antwortete er mit fester Stimme nach einer Pause.
»Platz doch nicht gleich damit heraus, sonst machst du einem Angst; es ist gar zu schrecklich. Soll ich dir die Semmel holen oder nicht?«
»Wie du willst.«
»Ja, ich hab's vergessen! Gestern, als du fort warst, kam ein Brief für dich.«
»Ein Brief?! Für mich?! Von wem?!«
»Von wem, das weiß ich nicht. Drei Kopeken habe ich dem Briefträger aus eigenem Geld geben müssen. Wirst du sie mir zurückgeben?«
»Bring ihn doch um Gottes willen her!« schrie Raskolnikow ganz aufgeregt. »Mein Gott!«
Nach einer Minute erschien der Brief. »Also wirklich von der Mutter aus dem R-schen Gouvernement.« Er erbleichte sogar, als er ihn in die Hand nahm. Lange schon hatte er keine Briefe erhalten, und jetzt preßte ihm auch noch etwas anderes das Herz zusammen.
»Nastasja, geh fort, um Gottes willen; da hast du deine drei Kopeken, geh aber um Gottes willen schnell fort!«
Der Brief zitterte in seinen Händen; er wollte ihn nicht in ihrer Anwesenheit öffnen: er wollte mit dem Briefe allein bleiben. Als Nastasja gegangen war, führte er den Brief schnell an seine Lippen und küßte ihn; dann studierte er lange die Handschrift der Adresse, die ihm so gut bekannte und liebe, feine, schräge Schrift der Mutter, die ihn einst im Lesen und Schreiben unterrichtet hatte. Er zögerte; er schien sogar etwas zu fürchten. Endlich öffnete er ihn: der Brief war lang, ganze zwei Lot schwer; zwei große Briefbogen waren eng beschrieben.
»Mein lieber Rodja,« schrieb die Mutter, »es sind schon über zwei Monate her, daß ich mit Dir nicht mehr brieflich gesprochen habe; darunter habe ich selbst gelitten und konnte manche Nacht vor lauter Denken nicht einschlafen. Du wirst mir sicher aus diesem ungewollten Schweigen einen Vorwurf machen. Du weißt doch, wie ich Dich liebe; Du bist unser Einziger, Du bist für mich und Dunja unser alles, unsere ganze Hoffnung und Zuversicht. Was habe ich nicht alles gelitten, als ich erfuhr, daß Du schon vor einigen Monaten die Universität aus Mangel an Mitteln verlassen hast und daß das Stundengeben und die übrigen Einkünfte aufgehört haben! Wie hätte ich Dir auch bei meiner Pension von hundertzwanzig Rubeln im Jahre helfen können? Die fünfzehn Rubel, die ich Dir vor vier Monaten schickte, habe ich, wie Du selbst weißt, von unserem Kaufmann Wasilij Iwanowitsch Wachruschin auf meine Pension hin geliehen. Er ist ein guter Mensch und war einst mit Deinem Vater befreundet. Indem ich ihn aber ermächtigte, die Pension für mich zu empfangen, mußte ich warten, bis die ganze Schuld gedeckt war; dies ist soeben erst eingetreten, und darum konnte ich Dir die ganze Zeit nichts schicken. Aber jetzt, Gott sei Dank, kann ich Dir wohl wieder schicken; wir können uns jetzt überhaupt mit einer Besserung unserer Finanzen rühmen, und das beeile ich mich, Dir mitzuteilen. Erstens – wirst Du es wohl erraten, lieber Rodja, – daß Deine Schwester schon seit anderthalb Monaten mit mir wohnt und daß wir uns auch in Zukunft nicht mehr trennen werden? Gott sei Dank, ihre Martern haben ein Ende genommen, ich will es Dir aber alles der Reihe nach erzählen, damit Du weißt, wie sich alles zutrug und was wir vor Dir bisher verheimlicht haben. Als Du mir vor zwei Monaten schriebst, Du hättest gehört, daß Dunja im Hause der Herrschaften Swidrigailow viele Grobheiten zu leiden habe, und von mir genaue Erklärungen verlangtest, was konnte ich Dir damals antworten? Hätte ich Dir die ganze Wahrheit geschrieben, so wärest Du imstande, alles liegen zu lassen und, sei es auch zu Fuß, zu uns zu kommen, denn ich kenne Deinen Charakter und Deine Gefühle, und Du würdest die Beleidigung Deiner Schwester nicht dulden. Ich war auch selbst verzweifelt, aber was konnte ich tun? Ich kannte damals auch selbst nicht die ganze Wahrheit. Die größte Schwierigkeit bestand aber darin, daß Dunjetschka, als sie im vorigen Jahre die Gouvernantenstelle annahm, sich ganze hundert Rubel als Vorschuß auszahlen ließ, unter der Bedingung, daß das Geld ihr monatlich vom Gehalt abgezogen werde; sie konnte also die Stelle nicht aufgeben, bevor die ganze Schuld abgetragen war. Diese Summe aber (jetzt kann ich Dir alles erklären, teurer Rodja) hatte sie hauptsächlich darum genommen, um Dir die sechzig Rubel schicken zu können, die Du damals so dringend gebraucht und die Du von uns im vorigen Jahre auch wirklich erhalten hast. Wir haben Dich damals betrogen, wir schrieben Dir, es sei von dem Gelde, das Dunjetschka sich früher erspart hätte; es war aber nicht so, jetzt teile ich Dir die ganze Wahrheit mit, weil alles sich plötzlich nach Gottes Fügung zum Besten gewendet hat, und damit Du weißt, wie sehr Dich Dunja liebt und was für ein kostbares Herz sie hat. Herr Swidrigailow hatte sie zuerst wirklich sehr grob behandelt und sich ihr gegenüber allerlei Unhöflichkeiten und Sticheleien bei Tisch erlaubt ... Ich will mich aber auf diese traurigen Einzelheiten nicht einlassen, um Dich jetzt, wo alles vorbei ist, nicht aufzuregen. Kurz, trotz des gutmütigen und vornehmen Verhaltens Marfa Petrownas, der Gattin des Herrn Swidrigailow, wie auch der ganzen Familie, hatte es Dunjetschka sehr schwer, besonders wenn Herr Swidrigailow nach seiner alten Regimentsangewohnheit unter dem Einfluß des Gottes Bacchus stand. Aber was stellte sich später heraus? Denke Dir nur: dieser Wahnsinnige hatte schon früher eine Leidenschaft zu Dunja gefaßt, verbarg sie aber immer unter der Maske von Grobheit und Verachtung. Vielleicht schämte er sich auch und entsetzte sich, als er, der doch ein bejahrter Mann und Familienvater ist, sich auf solchen leichtsinnigen Hoffnungen ertappte, und ließ darum seine Wut unwillkürlich an Dunja aus. Vielleicht wollte er auch unter dem Deckmantel seines groben Benehmens und Spottes die Wahrheit vor den andern verbergen. Zuletzt hielt er es nicht mehr aus und erfrechte sich, Dunja einen offenen und gemeinen Antrag zu machen unter der Versprechung, sie reich zu belohnen und auch alles im Stich zu lassen und mit ihr auf ein anderes Gut oder sogar ins Ausland zu ziehen. Du kannst Dir wohl alle ihre Leiden vorstellen! Sie konnte aber ihre Stellung nicht sofort aufgeben, und zwar nicht nur wegen der Geldangelegenheit, sondern auch aus Rücksicht auf Marfa Petrowna, die dadurch Verdacht schöpfen könnte, was zu einem Zerwürfnis in der Familie hätte führen können. Und auch für Dunjetschka wäre es ein Skandal; ohne einen solchen wäre es doch nicht abgelaufen. Es waren auch noch viele andere Gründe da, so daß Dunja gar nicht rechnen durfte, früher als in sechs Wochen aus diesem schrecklichen Hause herauszukommen. Du kennst natürlich Dunja und weißt, wie klug und charakterfest sie ist. Dunjetschka kann vieles ertragen und im äußersten Falle noch soviel Mut aufbringen, um nicht ihre Kraft zu verlieren. Sie hat mir nichts darüber geschrieben, um mich nicht aufzuregen; wir tauschten aber oft Briefe. Die Lösung kam sehr unerwartet. Marfa Petrowna belauschte einmal zufällig ihren Mann, wie er Dunjetschka im Garten anflehte; sie faßte aber alles falsch auf, schob die ganze Schuld auf Dunja und glaubte, sie hätte angefangen. Es kam gleich im Garten zu einer fürchterlichen Szene: Marfa Petrowna schlug sogar Dunja, СКАЧАТЬ