СКАЧАТЬ
und Kleider, alles, wie es gerade lag, unverpackt und nicht zusammengelegt – hineinwarf. Da kam aber gerade ein Guß, und Dunja mußte, beleidigt und geächtet, unter strömendem Regen ganze siebzehn Werst mit dem Bauer im offenen Wagen fahren. Nun überlege Dir, was konnte ich Dir in meinem Antwortbrief auf den Deinigen, den ich vor zwei Monaten erhalten habe, schreiben? Ich war selbst verzweifelt; Dir die Wahrheit zu schreiben, wagte ich nicht, weil Du unglücklich, erbittert und empört geworden wärest; und was hättest Du auch in der Sache tun können? Du hättest Dich vielleicht zugrunderichten können, und auch Dunjetschka wollte es mir nicht erlauben; aber einen Brief mit Dummheiten füllen, wo ich im Herzen solchen Kummer hatte, das konnte ich nicht. Einen ganzen Monat lang erzählte man sich in unserer ganzen Stadt allerlei Klatsch über diese Geschichte, und es kam so weit, daß ich mit Dunja vor Tuscheln und verächtlichen Blicken nicht mal in die Kirche gehen konnte; die Leute sprachen sogar ganz laut in unsrer Gegenwart. Alle Bekannten sagten sich von uns los, alle hörten sogar auf, uns zu grüßen, und ich erfuhr aus sicherer Quelle, daß die Ladenkommis und einige Kanzlisten uns eine gemeine Beleidigung durch das Beschmieren unseres Haustores mit Teer antun wollten, so daß die Wirtsleute verlangten, daß wir die Wohnung räumen. Schuld an alledem hatte Marfa Petrowna, die es fertigbrachte, Dunja in allen Häusern zu verleumden und anzuschwärzen. Sie kennt hier alle Leute und kam in diesem Monat jeden Augenblick in die Stadt; und da sie ein wenig geschwätzig ist und gern über ihre Familienangelegenheiten spricht, mit besonderer Vorliebe aber jedem, der es hören will, über ihren Mann klagt, was doch sehr häßlich ist, so hat sie diese Geschichte in kürzester Zeit nicht nur in der Stadt, sondern auch im ganzen Landkreise ausposaunt. Ich wurde ganz krank, Dunjetschka war aber fester als ich, und Du hättest nur sehen sollen, wie sie alles trug und auch mich noch tröstete und mir Mut zusprach! Sie ist ein Engel! Doch dank der Barmherzigkeit Gottes wurden unsere Qualen abgekürzt: Herr Swidrigailow besann sich, bereute und legte, wohl aus Mitleid mit Dunja, Marfa Petrowna volle und überzeugende Beweise für die Unschuld Dunjetschkas vor, und zwar einen Brief, den Dunja, noch bevor Marfa Petrowna sie im Garten überraschte, ihm zu schreiben und einzuhändigen gezwungen war, um alle persönlichen Erklärungen und geheimen Zusammenkünfte, die er von ihr verlangte, abzulehnen, – und dieser Brief war nach Dunjetschkas Abreise in den Händen des Herrn Swidrigailow geblieben. In diesem Briefe warf sie ihm mit der glühendsten und tiefsten Entrüstung sein gemeines Benehmen gegen Marfa Petrowna vor – und erklärte ihm, wie niedrig es von ihm, einem Vater und Gatten sei, ein ohnehin schon unglückliches, wehrloses Mädchen so zu quälen und noch unglücklicher zu machen. Mit einem Wort, lieber Rodja, der Brief war so edel und rührend geschrieben, daß ich beim Lesen weinte und ihn auch jetzt nicht ohne Tränen lesen kann. Zur Rechtfertigung Dunjas kamen jetzt auch noch die Aussagen der Dienstboten hinzu, die viel mehr gesehen hatten und wußten, als es Herr Swidrigailow annahm, wie es auch immer zu gehen pflegt. Marfa Petrowna war ganz bestürzt und ›von neuem erschlagen‹, wie sie uns selbst gestand, aber völlig von der Unschuld Dunjetschkas überzeugt. Gleich am nächsten Tag, einem Sonntag, fuhr sie direkt in die Domkirche und erflehte sich von der Mutter Gottes kniefällig und unter Tränen die Kraft, diese neue Prüfung zu ertragen und ihre Pflicht zu erfüllen. Direkt aus der Kirche, ohne jemand anderen zu besuchen, kam sie zu uns, erzählte uns alles, weinte bitterlich, umarmte Dunja voller Reue und bat sie um Verzeihung. Am selben Morgen begab sie sich unverzüglich, direkt von uns in alle Häuser der Stadt und stellte überall in den schmeichelhaftesten Ausdrücken, unter Tränen, Dunjetschkas Unschuld fest und sprach vom Adel ihrer Gefühle und ihres Betragens. Und noch mehr als das: sie zeigte allen den eigenhändigen Brief Dunjetschkas an Herrn Swidrigailow, las ihn vor und ließ von ihm sogar Abschriften anfertigen (was ich sogar für überflüssig halte). So mußte sie einige Tage hintereinander alle Menschen in der Stadt aufsuchen, so daß manche sich sogar gekränkt fühlten, weil sie erst nach den anderen kamen; auf diese Weise wurde eine Reihenfolge festgesetzt, so daß man sie in jedem Hause schon im voraus erwartete, und alle Menschen wußten, daß Marfa Petrowna an dem und dem Tage dort und dort den Brief vorlesen würde; zu jeder Vorlesung versammelten sich immer neue Leute, und auch solche, die den Brief schon einige Male wie bei sich, so auch bei ihren Bekannten gehört hatten. Ich meine, daß hierbei vieles, sehr vieles überflüssig war. Aber Marfa Petrowna ist einmal so. Jedenfalls stellte sie die Ehre Dunjetschkas vollkommen wieder her, und die ganze Gemeinheit dieser Sache fiel als unverwischbare Schmach auf ihren Mann, als den Hauptschuldigen, so daß er mir sogar leid tut; man hat diesen Wahnsinnigen doch zu streng bestraft. Dunja bekam sofort mehrere Aufforderungen, in verschiedenen Häusern Unterricht zu geben, doch sie schlug es ab. Alle begannen ihr überhaupt eine besondere Achtung zu zeigen. Dies alles trug hauptsächlich zu dem unerwarteten Ereignis bei, durch das sich jetzt unser ganzes Schicksal sozusagen wendet. Wisse nun, lieber Rodja, daß ein Freier um Dunja angehalten und daß sie ihm bereits ihr Jawort gegeben hat: dies beeile ich mich, Dir mitzuteilen. Obwohl diese Sache auch ohne Deinen Ratschlag zustande gekommen ist, wirst Du wohl weder mir noch Deiner Schwester Vorwürfe machen, denn Du kannst aus der Sache selbst ersehen, daß es uns unmöglich war, zu warten und die Entscheidung bis zum Eintreffen Deiner Antwort hinauszuschieben. Auch hättest Du das alles von Petersburg aus gar nicht beurteilen können. Es kam aber so. Er ist schon Hofrat, heißt Pjotr Petrowitsch Luschin und ist ein entfernter Verwandter von Marfa Petrowna, die die ganze Sache lebhaft gefördert hat. Es fing damit an, daß er durch sie den Wunsch äußerte, unsere Bekanntschaft zu machen; dann wurde er, wie es sich ziemt, empfangen, trank bei uns Kaffee und schickte schon am nächsten Tag einen Brief, in dem er sehr höflich seinen Antrag darlegte und um eine schnelle und bestimmte Antwort ersuchte. Er ist ein vielbeschäftigter Mensch und hat die Absicht, so fort nach Petersburg zu reisen, und will keinen Augenblick verlieren. Natürlich waren wir zuerst sehr bestürzt, denn es war allzu schnell und unerwartet gekommen. Wir überlegten uns die Sache gemeinsam den ganzen Tag. Er ist ein zuverlässiger, gut versorgter Mann, bekleidet zwei Stellungen und besitzt schon ein eigenes Kapital. Allerdings ist er schon fünfundvierzig Jahre alt, aber von recht angenehmem Außern und kann noch Frauen gefallen; er ist auch überhaupt ein höchst solider und anständiger Mann, nur ein wenig düster und vielleicht auch hochmütig. Es mag sein, daß das nur auf den ersten Blick so vorkommt. Ich bitte Dich schon jetzt, lieber Rodja, ihn, wenn Du ihn in Petersburg siehst, was sehr bald geschehen wird, nicht so voreilig und zu hitzig zu beurteilen, wie es Dir eigen ist, wenn Dir auf den ersten Blick etwas an ihm mißfällt. Ich sage das für jeden Fall, obwohl ich überzeugt bin, daß er auf Dich einen angenehmen Eindruck machen wird. Außerdem muß man an einen Menschen, den man wirklich kennenlernen will, ganz allmählich und mit der größten Vorsicht herantreten, um nicht in Fehler oder Vorurteile zu verfallen, die später sehr schwer zu korrigieren und zu beseitigen sind. Pjotr Petrowitsch ist aber, wenigstens nach vielen Anzeichen zu schließen, ein höchst ehrenwerter Mann. Gleich bei seinem ersten Besuch erklärte er uns, daß er ein nüchterner Mensch sei, doch in vielen Dingen, wie er sich selbst ausdrückte, ›die Überzeugungen unserer jüngsten Generation‹ teile und ein Feind von allen Vorurteilen sei. Er sagte noch vieles andere, denn er scheint etwas ehrgeizig zu sein und es zu lieben, daß man ihm zuhöre, aber das ist ja fast kein Fehler. Ich habe davon natürlich wenig verstanden, aber Dunja erklärte mir, daß er zwar nicht übermäßig gebildet, doch klug und anscheinend auch gut sei. Du kennst doch den Charakter Deiner Schwester, Rodja. Sie ist ein starkes, vernünftiges, geduldiges und großmütiges Mädchen, wenn auch etwas zu hitzig, was ich an ihr genau studiert habe. Natürlich liegt hier weder auf seiner noch auf ihrer Seite eine besondere Liebe vor, aber Dunja ist nicht nur ein kluges Mädchen, sondern auch ein edles Wesen, ein Engel, und wird es für ihre Pflicht halten, das Glück eines Mannes auszumachen, der auch seinerseits für ihr Glück sorgt; das letztere zu bezweifeln, haben wir zunächst keine zwingenden Gründe, obwohl die Sache, offen gestanden, doch etwas zu schnell zustandegekommen ist. Außerdem ist er ein klug berechnender Mann und wird natürlich selbst einsehen, daß sein eigenes Eheglück um so gesicherter sein wird, je glücklicher Dunjetschka mit ihm ist. Was aber irgendwelche Unebenheiten im Charakter, irgendwelche alte Angewohnheiten und sogar gewisse Gegensätze in den Ansichten (die sich ja auch in den glücklichsten Ehen nicht vermeiden lassen) betrifft, so hat mir Dunjetschka gesagt, daß sie sich darin auf sich selbst verläßt; daß kein Grund zur Beunruhigung vorliege und daß sie vieles tragen könne, unter der Bedingung, daß das Verhältnis auch in Zukunft ebenso ehrlich und gerecht bleibe. Das Außere eines Menschen ist aber oft trügerisch. Mir erschien er zum Beispiel im ersten Augenblick etwas schroff; das kann aber auch
СКАЧАТЬ