Schuld und Sühne. Fjodor Dostojewski
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Читать онлайн книгу Schuld und Sühne - Fjodor Dostojewski страница 8

Название: Schuld und Sühne

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754188675

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СКАЧАТЬ ist denn das Geld?« schrie sie. »O Gott, hat er denn alles vertrunken?! Zwölf Rubel waren ja im Koffer übrig geblieben! ...«

      Und plötzlich packte sie ihn wie rasend an den Haaren und schleppte ihn ins Zimmer. Marmeladow erleichterte ihr selbst die Mühe, indem er ihr demütig auf den Knien nachrutschte.

      »Und das ist mir ein Genuß! Und das ist mir kein Schmerz, sondern ein Ge-nuß, sehr ge-ehr-ter Herr!« schrie er, während sie ihn an den Haaren herumzerrte und er sogar einmal mit der Stirn gegen den Boden anschlug.

      Das Kind, das auf dem Fußboden schlief, erwachte und fing zu weinen an. Der Junge in der Ecke hielt es nicht länger aus: er fing zu zittern an, schrie auf und stürzte in furchtbarer Angst, beinahe in einem Krampfe, zu seiner Schwester hin. Das älteste Mädchen fuhr wie aus dem Schlafe auf und zitterte wie Espenlaub.

      »Vertrunken! Alles, alles vertrunken!« schrie die arme Frau in ihrer Verzweiflung. »Auch die Kleider sind hin! Und die sind hungrig, hungrig! (sie zeigte händeringend auf die Kinder). O, dieses verfluchte Leben! Und Sie, Sie schämen sich nicht?« wandte sie sich plötzlich zu Raskolnikow: »Aus der Schenke! Du hast mit ihm getrunken? Auch du hast mit ihm getrunken?! Hinaus!«

      Der junge Mann beeilte sich, ohne ein Wort zu sagen, hinauszugehen. Da ging auch noch die Innentür sperrweit auf, und aus ihr blickten mehrere Neugierige herein. Freche, lachende Gesichter, mit Zigaretten und Pfeifen zwischen den Zähnen und Kappen auf dem Kopfe, drängten sich in die Tür. Man sah Gestalten in offenen Schlafröcken, in sommerlicher Kleidung, die beinahe unanständig war, manche mit Karten in der Hand. Sie unterhielten sich besonders gut und lachten, wenn der an den Haaren herumgezerrte Marmeladow schrie, daß dies ihm ein Genuß sei. Manche traten sogar ins Zimmer; schließlich erklang ein unheildrohendes Kreischen: es war Amalie Lippewechsel, die sich einen Weg durch die Zuschauer bahnte, um auf ihre Weise Ordnung zu schaffen und die arme Frau zum hundertsten Male durch den von Schimpfworten begleiteten Befehl, die Wohnung morgen zu räumen, zu erschrecken. Beim Weggehen fand Raskolnikow noch Zeit, die Hand in die Tasche zu stecken und einige von den Kupfermünzen, die er in der Schenke auf den Rubel herausbekommen hatte, ohne zu zählen, zusammenzuraffen und auf die Fensterbank zu legen. Später, auf der Treppe, besann er sich und wollte umkehren.

      »Was habe ich eben für eine Dummheit gemacht,« sagte er sich, »sie haben ja ihre Ssonja, und ich brauche mein Geld selber.« – Als er aber eingesehen hatte, daß er das Geld nicht mehr zurückholen konnte und daß er es sowieso nicht mehr zurücknehmen würde, machte er eine unbestimmte Gebärde mit der Hand und ging nach Hause. – »Ssonja braucht ja auch Pomade« – fuhr er fort, durch die Straße gehend und giftig lächelnd. – »Diese Reinlichkeit kostet doch Geld ... Hm! Ssonjetschka wird vielleicht heute selbst Bankerott machen, denn es ist immerhin ein Risiko, diese Jagd auf den reichen Mann ... eine Art Goldgräberei ... So würden sie vielleicht morgen ohne mein Geld auf dem Trocknen sitzen ... Ja, die Ssonja, alle Achtung! Was für einen Brunnen haben sie sich gegraben! Und sie schöpfen aus ihm! Sie schöpfen doch aus ihm! Und sie haben sich daran gewöhnt. Sie haben ein wenig geweint und haben sich dann gewöhnt. An alles gewöhnt sich der Mensch, dieser Schuft!«

      Er wurde nachdenklich.

      »Nun, und wenn ich gelogen habe,« rief er plötzlich aus, »wenn der Mensch wirklich kein Schuft ist, der Mensch im allgemeinen, das heißt das ganze Menschengeschlecht, so ist alles übrige nur ein Vorurteil, eine Angst, die man sich selbst gemacht hat, und es gibt keine Schranken, und so muß es auch sein! ...«

      III

      Er erwachte am anderen Tage nach einem unruhigen Schlafe sehr spät, der Schlaf hatte ihn aber nicht gestärkt. Er erwachte in einer galligen, reizbaren, bösen Stimmung und sah sich voll Haß in seiner Kammer um. Es war ein Loch von etwa sechs Schritt Länge, das mit seinen gelben, staubigen und überall von den Wänden abstehenden Tapeten den jämmerlichsten Eindruck machte; es war dabei so niedrig, daß es jedem einigermaßen großen Menschen ganz unheimlich wurde, vor Angst, er würde gleich mit dem Kopf an die Decke stoßen. Die Möbel entsprachen durchaus dem Zimmer: es gab da drei alte, nicht ganz heile Stühle, einen gestrichenen Tisch in der Ecke, auf dem einige Hefte und Bücher lagen; schon der Staub, mit dem sie bedeckt waren, ließ darauf schließen, daß sie schon lange von keiner Menschenhand berührt worden waren; und schließlich ein großes plumpes Sofa, das fast die ganze Wand und die Hälfte des Zimmers einnahm und einst mit Kattun bezogen gewesen, jetzt aber ganz zerfetzt war und Raskolnikow als Bett diente. Oft schlief er darauf, ohne sich auszuziehen, ohne Laken, mit seinem alten, abgetragenen Studentenmantel als Bettdecke und einem einzigen kleinen Kissen unter dem Kopfe, worunter er alles, was er an sauberer Wäsche besaß, stopfte, damit es höher sei. Vor dem Sofa stand ein kleines Tischchen.

      Es würde einem Menschen schwer fallen, noch tiefer zu sinken und noch mehr zu verkommen; Raskolnikow war das aber in seiner jetzigen Gemütsverfassung nur angenehm. Er hatte sich von allen Menschen vollkommen zurückgezogen, wie eine Schildkröte in ihre Schale, und selbst das Gesicht der Dienstmagd, die ihn zu bedienen hatte und zuweilen in sein Zimmer hineinschaute, reizte seine Galle und brachte ihn zu Krämpfen. So geht es manchen Monomanen, die sich allzu stark auf etwas konzentriert haben.

      Seine Wirtin hatte schon seit zwei Wochen aufgehört, ihm Essen zu geben, und es war ihm bisher noch gar nicht eingefallen, zu ihr zu gehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, obwohl er ohne Mittagessen saß. Nastasja, die Köchin und einzige Dienstmagd der Wirtin, war über diese Gemütsverfassung des Zimmerherrn zum Teil sogar froh und hatte ganz aufgehört, bei ihm aufzuräumen und den Boden zu kehren; nur ab und zu, so einmal in der Woche, griff sie, wie aus Versehen, nach dem Besen. Sie war es auch, die ihn jetzt geweckt hatte.

      »Steh auf, was schläfst du!« schrie sie über seinem Kopfe, »es ist bald zehn. Ich habe dir Tee gebracht; willst du Tee? Bist wohl hungrig!?«

      Der Zimmerherr öffnete die Augen, fuhr zusammen und erkannte Nastasja.

      »Ist der Tee von der Wirtin, wie?« fragte er, indem er sich langsam und mit krankhaftem Ausdruck vom Sofa erhob.

      »Ach was, von der Wirtin!«

      Sie stellte vor ihn ihre eigene, gesprungene Teekanne mit dem schon einmal aufgebrühten Tee hin und legte zwei Stückchen gelben Zucker dazu.

      »Hier, Nastasja, nimm das, bitte«, sagte er, nachdem er in seiner Tasche gesucht (er hatte in den Kleidern geschlafen) und eine Handvoll Kupfergeld hervorgeholt hatte. »Geh und kaufe mir eine Semmel. Bring auch etwas Wurst aus dem Wurstladen mit, doch von der billigen.«

      »Die Semmel bringe ich dir sofort, willst du aber vielleicht statt der Wurst Kohlsuppe? Es ist eine gute Kohlsuppe von gestern. Ich hatte sie gestern für dich zurückgestellt, du kamst aber spät heim. Eine gute Kohlsuppe.«

      Als die Kohlsuppe vor ihm stand und er sie zu löffeln begann, setzte sich Nastasja neben ihn aufs Sofa und fing zu schwatzen an. Sie stammte vom Lande und war sehr geschwätzig.

      »Praskowja Pawlowna will sich über dich bei der Polizei beschweren«, sagte sie.

      Er verzog schmerzvoll das Gesicht.

      »Bei der Polizei? Was will sie denn?«

      »Du zahlst nichts und ziehst nicht aus. Kannst dir wohl denken, was sie will.«

      »Zum Teufel, das hat mir noch gefehlt«, murmelte er, mit den Zähnen knirschend. »Nein, das ist mir jetzt ... sehr ungelegen ... Eine dumme Gans ist sie«, fügte er laut hinzu. »Ich will heute zu ihr gehen und mit ihr reden.«

      »Sie ist wohl eine dumme Gans СКАЧАТЬ