Das Geld. Emile Zola
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Название: Das Geld

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Rougon-Macquart

isbn: 9783754188484

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СКАЧАТЬ muß wirklich blind sein, um nicht zu sehen, daß in der Kammer die Mehrheit ins Wanken gebracht worden ist. Auf der Linken sitzen jetzt schon mehr als dreißig. Der Kaiser selber begreift sehr wohl, daß die absolute Macht unmöglich wird, denn er macht sich ja zum Verkünder der Freiheit.«

      Pillerault antwortete nicht mehr und begnügte sich mit einem verächtlichen Grinsen.

      »Ja, ja, ich weiß, die Marktlage scheint Ihnen stabil, die Geschäfte gehen. Aber warten Sie nur das Ende ab ... Sehen Sie mal, in Paris hat man zu viel abgerissen und zu viel wieder aufgebaut! Die großen Bauten haben die Ersparnisse aufgebraucht. Und was die mächtigen Kreditinstitute betrifft, die Ihnen so blühend vorkommen, so warten Sie ab, bis eines von ihnen zusammenkracht – dann werden Sie sehen, wie alle anderen hinterherpurzeln ... Ganz davon zu schweigen, daß das Volk aufbegehrt. Diese Internationale Arbeiterassoziation18, die man jetzt gegründet hat, um die Lage der Arbeiter zu verbessern, erschreckt mich persönlich sehr. Es gibt in Frankreich eine Protestbewegung, eine revolutionäre Stimmung, die von Tag zu Tag zunimmt ... Ich sage Ihnen, da ist der Wurm drin. Alles wird zum Teufel gehen.«

      Alle protestierten laut und heftig. Dieser verdammte Moser hatte es ohne Frage wieder mit der Leber. Aber Moser selbst blickte beim Sprechen unverwandt zum Nebentisch, an dem Mazaud und Amadieu in dem ringsum herrschenden Lärm ganz leise weiter plauderten. Allmählich geriet der ganze Saal über diese lang andauernden vertraulichen Gespräche in Unruhe. Was hatten sie sich bloß zu sagen, daß sie so flüsterten? Zweifellos erteilte Amadieu Orders und bereitete einen Coup vor. Seit drei Tagen gingen böse Gerüchte über die Arbeiten am Suezkanal19 um. Moser blinzelte mit den Augen und senkte ebenfalls die Stimme.

      »Sie wissen doch, die Engländer wollen verhindern, daß man dort unten arbeitet. Das könnte leicht Krieg bedeuten.«

      Diesmal war Pillerault durch die Ungeheuerlichkeit der Nachricht selber erschüttert. Das war ja unglaublich, und sogleich flog das Wort von Tisch zu Tisch und erlangte die Kraft einer Gewißheit: England habe ein Ultimatum gestellt und die sofortige Einstellung der Arbeiten am Suezkanal gefordert. Amadieu sprach mit Mazaud offensichtlich nur darüber und erteilte ihm die Order, alle seine Suez-Aktien zu verkaufen. Panisches Stimmengemurmel erfüllte die mit Fettgerüchen geschwängerte Luft inmitten des anschwellenden Tellergeklappers. Die Aufregung erreichte ihren Höhepunkt, als plötzlich ein Gehilfe des Wechselmaklers hereinkam, der kleine Flory, ein Bursche mit zartem Gesicht, das unter einem dichten kastanienbraunen Bart verschwand. Er stürzte zum Chef, übergab ihm einen Packen Zettel, die er in der Hand hatte, und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

      »Schön!« antwortete Mazaud nur und ordnete die Zettel in sein Handbuch ein.

      Dann zog er seine Uhr.

      »Gleich zwölf! Sagen Sie Berthier, daß er auf mich warten soll. Und seien Sie selbst da, gehen Sie hoch und holen Sie die Depeschen.«

      Als Flory gegangen war, nahm Mazaud sein Gespräch mit Amadieu wieder auf, zog weitere Zettel aus seiner Tasche und legte sie neben seinen Teller auf das Tischtuch; alle Augenblicke beugte sich ein Kunde im Vorbeigehen zu ihm nieder und sagte ihm ein Wort, das er schnell zwischen zwei Bissen auf einen der Zettel schrieb. Die Falschmeldung, die weiß Gott woher gekommen, aus dem Nichts entstanden war, schwoll an wie eine Gewitterwolke.

      »Sie verkaufen, nicht wahr?« fragte Moser Salmon.

      Aber dessen stummes Lächeln war so vielsagend verschmitzt, daß Moser ängstlich blieb und jetzt an diesem englischen Ultimatum zweifelte, von dem er nicht einmal wußte, daß er selber es erfunden hatte.

      »Ich kaufe soviel, wie man will«, schloß Pillerault mit der eitlen Tollkühnheit eines Spekulanten, der keine Methode hat.

      Die Schläfen erhitzt vom Rausch des Börsenspiels, das dieser lärmende Abschluß des Mittagessens in dem engen Saal aufpeitschte, hatte sich Saccard entschlossen, seinen Spargel zu essen, während er sich erneut über Huret aufregte, mit dem er nicht mehr rechnete. Schon wochenlang zögerte er, der sonst so entschlußfreudig war, hin und her gerissen von der Ungewißheit. Er verspürte zwar die gebieterische Notwendigkeit, von vom anzufangen, und er hatte zunächst von einem ganz neuen Leben geträumt, in der Verwaltungsspitze oder in der Politik. Warum sollte ihn das Corps législatif20 nicht in den Ministerrat bringen, wie seinen Bruder? Was ihm an der Spekulation mißfiel, war die fortwährende Unbeständigkeit, die hohen Summen, die so schnell verloren wie gewonnen waren: nie hatte er sich, ohne jemand etwas zu schulden, auf einer wirklichen Million ausruhen können. Und in dieser Stunde, da er sein Gewissen erforschte, sagte er sich, daß er vielleicht zu leidenschaftlich sei für diese Schlacht des Geldes, die soviel Kaltblütigkeit erforderte. Das mußte es sein, weshalb er nach einem so außergewöhnlichen Leben des Luxus und der Geldverlegenheit mit leeren Händen dastand, ausgebrannt von diesen zehn Jahren fürchterlicher Grundstücksschachereien im neuen Paris, bei denen so viele andere, die schwerfälliger waren als er, Riesenvermögen zusammengescharrt hatten. Ja, vielleicht hatte er sich über seine wirklichen Fähigkeiten getäuscht, vielleicht würde er bei seiner Unternehmungslust und seinem glühenden Glauben auf der politischen Bühne mit einem Schlag triumphieren. Alles würde von der Antwort seines Bruders abhängen. Wenn der ihn abwies, ihn in den Schlund der Spekulation zurückstieß, dann sollten er und die anderen ihn kennenlernen, dann würde er den großen Coup wagen, über den er noch mit niemandem gesprochen hatte, das Riesengeschäft, von dem er seit Wochen träumte und das ihn selber erschreckte, so groß war es und dazu angetan, die Welt in Aufruhr zu versetzen, ob es nun gelang oder nicht.

      Pillerault hatte die Stimme erhoben.

      »Mazaud, ist Schlossers Ausschluß von der Börse nun perfekt?«

      »Ja«, antwortete der Wechselmakler, »heute wird es angeschlagen ... Was wollen Sie? Das ist immer ärgerlich, aber ich hatte sehr beunruhigende Auskünfte erhalten, und dabei habe ich Schlosser als erster diskontiert. Von Zeit zu Zeit muß eben reiner Tisch gemacht werden.«

      »Man hat mir versichert«, sagte Moser, »daß Ihre Kollegen Jacoby und Delarocque mit runden Summen dabei waren.«

      Der Makler vollführte eine unbestimmte Gebärde.

      »Ach was! Etwas wird immer verheizt ... Dieser Schlosser hat wohl zu einer Bande gehört; jetzt ist er frei und kann in Berlin oder in Wien die Börsen absahnen.«

      Saccard hatte die Augen auf Sabatani gerichtet, dessen geheime Verbindung mit Schlosser ihm ein Zufall offenbart hatte: die beiden spielten das bekannte Spiel, der eine spekulierte auf die Hausse21, der andere auf die Baisse22 ein und desselben Wertpapiers; der Verlierer wurde am Gewinn des anderen beteiligt und hatte dann nur zu verschwinden. Aber der junge Mann bezahlte ruhig die Rechnung für das erlesene Mittagsmahl, das er eingenommen hatte. Dann ging er mit der einschmeichelnden Anmut eines Orientalen mit italienischem Einschlag zu Mazaud, dessen Kunde er war, und drückte ihm die Hand. Er beugte sich herab und erteilte eine Order, die jener auf einen Zettel schrieb.

      »Er verkauft seine Suez-Aktien«, murmelte Moser.

      Und krank vor Zweifel, fragte er ganz laut, einem Bedürfnis nachgebend:

      »Was denken Sie denn über Suez?«

      Schweigen trat ein in dem Stimmengewirr, alle Köpfe an den Nebentischen wandten sich um. Diese Frage faßte die wachsende Unruhe und Besorgnis zusammen. Aber der Rücken Amadieus, der Mazaud nur eingeladen hatte, um ihm einen seiner Neffen zu empfehlen, blieb undurchdringlich und hatte nichts zu sagen, während der Makler, den die Verkaufsorders, die er erhielt, langsam in Staunen versetzten, nur den Kopf schüttelte, von Berufs wegen an Diskretion gewöhnt.

      »Suez steht ausgezeichnet!« erklärte in seinem singenden Tonfall Sabatani, der noch einen Umweg machte und Saccard СКАЧАТЬ