Französische Sprachwissenschaft. Elissa Pustka
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Название: Französische Sprachwissenschaft

Автор: Elissa Pustka

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823303343

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      Dem Klischee nach sind Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, verrückte Genies: von Professor Higgins im Musical My Fair Lady (1956) über ‘Doc’ Brown im Film Zurück in die Zukunft (1985–1990) bis Sheldon Cooper in der Serie The Big Bang Theory (2007–2019). Oft sind es alte bärtige Männer in weißen Kitteln, die in den Naturwissenschaften mit gefährlichen Instrumenten und Substanzen arbeiten. Ihre Ideen sind unerwartete Geistesblitze: Der griechische Mathematiker Archimedes (ca. 287–212 v. Chr.) nahm der Legende nach ein Bad, als ihm seine wichtigste Erkenntnis kam. Als er in die Wanne stieg, lief genau das Volumen an Wasser über, das er mit seinem Körper verdrängte. Dies brachte ihn dazu, den Zusammenhang zwischen dem Gewicht schwimmender Körper und ihrem Auftrieb zu entdecken. Angeblich soll er überglücklich nackt auf die Straße gelaufen sein und „Heureka!“ gerufen haben: ‘Ich habe es gefunden!’.

      Jede*r Wissenschaftler*in wird bestätigen, dass man nach langem Lesen und Auswertungen oft in einer Sackgasse landet und sich der ‘Knoten im Hirn’ oft erst löst, wenn man etwas ganz anderes tut. Damit wissenschaftliches Wissen entsteht, reicht jedoch die Kreativität einzelner Persönlichkeiten nicht aus. Wissenschaft ist ein Subsystem der Gesellschaft und besteht selbst aus einer Vielfalt von Institutionen und sozialen Rollen.

      Wissenschaft in der Gesellschaft

      Aufgrund ihrer Bedeutung für die Demokratie steht die Wissenschaft in Deutschland unter besonderem Schutz. Die Freiheit von Forschung und Wissenschaft sind Grundrechte:

      Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. (DEUTSCHES GRUNDGESETZ, Art. 5.3)

      Professor*innen haben auch ein relativ gutes Ansehen in der Gesellschaft – weit besser als Lehrer*innen (Studienrät*innen in Abb. 2.3), Journalist*innen und Politiker*innen, aber deutlich hinter den Menschen, die Leben retten, sei es bei der Feuerwehr, im Krankenhaus oder bei der Polizei (vgl. Abb. 2.3).

      Abb. 2.3:

      Image von Berufsgruppen in Deutschland (forsa 2019).2

      Über die Rolle, die Wissenschaftler*innen in der Gesellschaft spielen sollten, herrscht allerdings kein Konsens: Manche fordern eine größere Präsenz von Wissenschaftler*innen in der öffentlichen Diskussion und sähen Wissenschaft sogar gerne als ‘Fünfte Gewalt’. Andere befürchten, dass eine Vermischung der Rollen die Qualität der Wissenschaft, aber auch die Demokratie beeinträchtigen könnte. Natürlich sind Wissenschaftler*innen in erster Linie Wissenschaftler*innen und keine Journalist*innen oder Politiker*innen. Dennoch wird derzeit an den Universitäten die sogenannte Third Mission immer wichtiger: Neben ihren ersten beiden ‘Missionen’ – Forschung und Lehre – sollen sich Wissenschaftler*innen auch dem Wissenstransfer in Gesellschaft und Industrie widmen.

      Wissenschaftliche Institutionen und Rollen

      Neben dieser Interaktion zwischen den gesellschaftlichen Teilsystemen Wissenschaft, Massenmedien und Politik interessiert sich die Wissenschaftssoziologie auch für das interne Funktionieren des Teilsystems Wissenschaft selbst. Zu diesem System gehören natürlich die Wissenschaftler*innen – in ihren Rollen als Professor*innen oder Doktorand*innen, als Laborleiter*innen oder Lehrende, als Autor*innen und Gutachter*innen etc. Es beinhaltet auch wissenschaftliche Institutionen wie Universitäten und andere Forschungseinrichtungen, Förderinstitutionen, Fachverbände, Kongresse und Fachzeitschriften.

       À vous !

      Recherchieren Sie im Internet: Welche Universitäten sind die ältesten Europas?

      Während Universitäten lokal verankert sind, haben für die internationale Forschung die Fachzeitschriften eine zentrale Bedeutung. Zu diesen Publikationsorganen gehört jeweils ein Team von Herausgeber*innen, die Gutachter*innen anfragen, um im Rahmen eines peer review-Verfahrens (‘Begutachtung unter Gleichrangigen’) die Qualität der eingereichten Artikel zu kontrollieren. Damit dies möglichst objektiv geschieht, erfahren die Gutachter*innen nicht die Namen der Autor*innen und die Autor*innen nicht die Namen der Gutachter*innen (double blind peer review). Artikel können entweder komplett angenommen (accepted) oder abgelehnt (rejected) werden, oder aber die Gutachter*innen fordern mehr oder weniger umfangreiche Überarbeitungen ein (major oder minor revisions). Dadurch kann es bis zu mehreren Jahren dauern, bis ein Artikel publiziert wird. In vielen Disziplinen erscheinen daher zunächst Vorversionen der Artikel auf sogenannten preprint-Servern, um technischen oder medizinischen Fortschritt schneller voranzutreiben. Damit Forschungsergebnisse weltweit diskutiert werden können, setzt sich mittlerweile auch in der Sprachwissenschaft zunehmend die Weltsprache Englisch als Wissenschaftssprache durch (vor einem Jahrhundert dominierten noch Deutsch und Französisch). Ein weiterer aktueller Trend ist, dass die Artikel wie auch die dazugehörigen Daten der Forschungsgemeinschaft kostenlos zur Verfügung gestellt werden (open access).

      Die peer review-Praxis hat allerdings auch Nachteile. So führt die Kontrolle durch die scientific community dazu, dass Forscher*innen im mainstream bleiben, um ihre Publikationschancen zu erhöhen. Zudem haben es sprachwissenschaftliche Forschungen zum Englischen einfacher, international Gehör zu finden als zu anderen Sprachen. Zwar existieren auch immer noch Publikationsformen ohne jegliche Qualitätskontrolle, bei der Vergabe von Forschungsgeldern und der Besetzung von Stellen wird dies aber ein immer wichtigeres Kriterium. Student*innen sollten sich bei Seminar- und Abschlussarbeiten daher am Musterbeispiel von Artikeln in internationalen Fachzeitschriften mit peer review-Verfahren orientieren.

      Wissenschaftliche Paradigmen und Revolutionen

      Wie in diesem System von Rollen und Institutionen Wissenschaft funktioniert, hat der Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn (1922–1996) analysiert. Er hat hierzu die Hypothese aufgestellt, dass sich Wissenschaft in Paradigmen organisiert (vgl. KUHN 1962). Diese Paradigmen werden von berühmten Wissenschaftler*innen und Gruppen von Wissenschaftler*innen vertreten, die eine breite gesellschaftliche Anerkennung genießen. Sie beinhalten nicht nur Theorien und Methoden, nach denen Wissenschaft betrieben wird, sondern geben auch vor, welche Fragen und Probleme als relevant gelten. Bestimmte Publikationen gelten als Musterbeispiele, an denen sich künftige Forschung zu orientieren hat.

      Nach dieser Theorie entsteht eine wissenschaftliche Disziplin nach einer vorparadigmatischen Phase von Beobachtungen, sobald sich ein Paradigma herausbildet. Besteht Konsens über dieses Paradima, beginnt die normale wissenschaftliche Arbeit. Wissenschaftler*innen arbeiten die als relevant erachteten Fragen und Probleme in einem anerkannten theoretischen Rahmen mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden ab. Auf diese Weise lässt sich mit den vorhandenen finanziellen, zeitlichen und technischen Ressourcen am effizientesten Fortschritt erzielen. Dadurch baut ein Fach kumulatives Wissen auf. Das Paradigma wird dabei nicht in Frage gestellt. Erweist sich ein Paradigma über längere Zeit an zentralen Stellen als problematisch oder bringen neue Entdeckungen es an seine Grenzen, kommt die Wissenschaft in eine Krise. Jetzt beginnt eine außerordentliche Phase: In dieser konkurrieren diverse mögliche neue Paradigmen darum, sich zu etablieren. Dann kommt es zur Wissenschaftlichen Revolution, d. h. einem Paradigmenwechsel. Danach ist wieder normales wissenschaftliches Arbeiten möglich. Der Kreis schließt sich also (vgl. Abb. 2.4).

      Abb. СКАЧАТЬ