Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden. Ulrich Muller
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СКАЧАТЬ zur Folge. So eine Scheiße, was hatte er da angerichtet, und wo blieb Steffi, zum Teufel? Er rief seinen Vater an, um ihn über die Geschehnisse zu informieren. Soviel hatte er gelernt, in heiklen und unangenehmen Situationen ging es um das richtige Krisenmanagement und dabei spielte Zeit nicht selten eine wichtige Rolle. Wenige Minuten später klingelte bei Heinrich das Mobiltelefon. Dieser konnte Landesrat Sabrinović aber versichern, dass man die Lage im Griff hätte.

      Steffi blickte unsicher auf Arthur. Als Kinder hatten sie sich gut verstanden. Sie fühlte sich schuldig, dass Dominic Arthurs Freund k.o. getreten hatte. Gleichzeitig sickerte es in ihrem Hirn langsam durch, dass Dominic vielleicht tatsächlich nicht ganz normal war. Bislang hatte sie entweder zu den Bemerkungen über ihn geschwiegen oder versucht, ihn zu verteidigen. Sie vermutete richtig, dass er auf der Straße stand und auf sie wartete, doch sie hatte keine Lust hinauszugehen, um sich seine Rechtfertigung anzuhören.

      Es dauerte keine halbe Stunde, bis Heinrich den Rückruf aus dem Krankenhaus bekam. Souverän stellte er sich auf das Podest, auf dem das Streichquartett mit „Rosen aus dem Süden“ versuchte, das etwas verunsicherte Publikum abzulenken, und schaltete das Mikrophon ein. Mit dem Mittelfinger klopfte er vorsichtig darauf, bevor er mit wenigen Worten Entwarnung gab. Niemand sei ernsthaft verletzt worden, und alles Übrige werde garantiert geklärt. Dann wünschte er allseits gute Unterhaltung und ein schönes Fest.

      Von der Bühne schritt er direkt auf das Partyzelt zu, unter dem Arthur mit Mischa saß. Er musterte die beiden Männer mit einem abschätzigen Lächeln, dann riss er sich innerlich am Riemen und setzte eine ernste Miene auf. Bevor er zu Wort kam, musste er sich allerdings eine Schimpftirade von Arthur anhören: „So eine #☹ʞ☠ⅎ, verdammter †¿#‘#, was ist mit diesem Dominic los – ⅎ#ʞ☹☠!, b!öde ¿ⅎ#☠ⅎ, …!“ Mehrfach versuchte er, Arthur zu unterbrechen, bevor er endlich über den Zustand von Josef eingehend berichten konnte. Arthur und Mischa wollten sogleich aufbrechen und Josef im Krankenhaus besuchen, oder besser, von dort gleich abholen. Heinrich erklärte erneut den Stand der Dinge und meinte, dass Josef gut versorgt sei und nun Ruhe brauche. Ein Besuch sei völlig sinnlos und würde in der Situation niemandem helfen. Sobald er sich sicher war, dass er seinen Cousin ausreichend beruhigt hatte, entfernte er sich und ließ die beiden etwas isoliert an ihrem Tisch zurück.

      Arthur fühlte sich von der Gesellschaft ausgestoßen und gedemütigt. In diesem Moment hasste er den Großteil seiner Familie, wie er sie die meiste Zeit als Kind gehasst hatte. Wie gesagt, Demütigungen war er gewohnt, aber diese Situation war fast zu viel für ihn. Er war ehrlich wütend. Wütend über sich, wütend darüber, dass er überhaupt hier hergekommen war, wütend über Erika, die in übertriebener Art und Weise ihre Hochzeit zelebrierte und wütend über seine Mutter, die das ganze Theater mitgetragen, nein, noch verstärkt hatte. Mit Abscheu erinnerte er sich zurück. Vor einigen Wochen, an einem Sonntag, war er zuhause auf Besuch gewesen. Er hatte sich ein Herz gefasst und seine Halbschwester gefragt, ob er zu seiner Unterhaltung zwei Freunde einladen dürfe. Seine Mutter hatte geätzt: „Das sind sicher wieder so ungehobelte Fußballproleten.“ Mischa war Arthurs Bandkollege und alles andere als ein Prolet. Er spielte hervorragend Gitarre und war kurz davor, sein Tontechnikstudium an der TU Graz abzuschließen. Durch Mischas Kontakte hatte Arthur im Musikgeschäft Fuß gefasst und spielte nun schon seit einiger Zeit in verschiedenen Bands als Schlagzeuger. Mit steigendem Erfolg hatte er sich nach oben getrommelt, allerdings wurde dieser Erfolg in der Familie Knie totgeschwiegen. Zu seiner Verteidigung hatte Arthur Mischas fast abgeschlossenes Studium ins Treffen geführt. Nähere Informationen über Josef, den er tatsächlich vom Fußballplatz kannte, hatte er unter den Tisch fallen lassen. Erst nach einer langen Diskussion und nur durch die Unterstützung einer zufällig anwesenden Cousine hatten dann schließlich Erika und seine Mutter einer Teilnahme von Arthurs Freunden zugestimmt. Mit Ungeduld und sichtlichem Widerwillen hatte man sich Josefs und Mischas Kontaktdaten notiert. Einige Tage später waren die protzigen, in Goldschrift verfassten Einladungen zur Hochzeit von Erika Knie mit Reinhold Stemmberger bei Mischa und Josef eingelangt.

      Am wütendsten war Arthur über diesen Idioten, der seinen Freund unsanft aus diesem Fest getreten hatte. Er hatte sich nach der kurzen Ansprache seines Cousins ein wenig beruhigt. Davor war er ehrlich besorgt gewesen, dass Josef durch die Schlägerei einen ersthaften Schaden erlitten haben könnte. Es war alles so schnell gegangen. Der Rettung nachzufahren war nach dem bisherigen Alkoholkonsum nicht ratsam. Daher hatte Arthur zuerst nach Mischa gesucht und sich mit ihm dann gemeinsam an einen Tisch gesetzt. Durch die gute Nachricht, dass Josef außer Gefahr war, und die steigende Wirkung des Alkohols begannen sich die beiden etwas zu beruhigen. Aber Arthurs Wut und Enttäuschung waren keineswegs verflogen und er machte sich noch durch einige unflätige Bemerkungen Luft. Den Rest des Abends verwendete er, um sich einen ordentlichen Rausch anzutrinken.

      Das Trinken, die Geradlinigkeit und die Begeisterung für Fußball waren die Dinge, die ihn mit Josef verbanden. Und in puncto Trinken wurde Josef an diesem Abend würdig durch Arthur und Mischa vertreten. Arthur und Josef kannten sich wie gesagt vom Fußballplatz. Sie hatten sich angefreundet, nachdem Josef von der Maschinenfabrik Springer in Kärnten zu den Andritzer Werken in Graz gewechselt hatte. Josef war als Schlossermeister eine gefragte Arbeitskraft. Bei Andritz arbeitete er sich über die Jahre etwas nach oben und verdiente in der Zwischenzeit recht anständig. Allerdings musste er einen nicht unerheblichen Teil seines Gehalts als Alimente an seine beiden Exfrauen abführen. Aus den vorangehenden Beziehungen hatte er zwei Kinder, die er zwar nicht zu Gesicht bekam, aber für die er fleißig zahlte. Josef konnte sich über Ungerechtigkeiten furchtbar aufregen, so auch über das geltende Scheidungsrecht. Sein Gerechtigkeitssinn war ursprünglich auch seine Motivation gewesen, für den Betriebsrat bei Andritz zu kandidieren. Als Arbeitersohn trat er selbstverständlich für die orange Fraktion an. Seit der letzten Wahl war er nun gemeinsam mit weiteren vier Kollegen Mitglied des Betriebsrates. Doch er hatte das Spiel bald durchschaut und musste sich eingestehen, dass er es nun zwar deutlich bequemer hatte als vorher, aber dass die Möglichkeiten eines Betriebsrates deutlich stärker eingeschränkt waren, als er ursprünglich angenommen hatte. Außerdem registrierte er, dass nicht nur sozial Schwachen in einer Zwangslage geholfen wurde, sondern dass durchaus auch Tachinierer und Opportunisten in den Genuss der gewerkschaftlichen Hilfe kamen. Nach einiger Zeit hatte er desillusioniert festgestellt, dass er der Gerechtigkeit nur in einem sehr bescheidenen Maße zum Sieg verhelfen konnte. Auch wenn er sich selbst keine Vorteile durch seine Position verschaffte, war die Arbeit aber zumindest einfacher und angenehmer, als tagtäglich im Schichtbetrieb der Produktion zu arbeiten. Er versuchte also, seine Arbeit so gut wie möglich zu machen und genoss gleichzeitig die Vorteile, die die Stellung eines Mitglieds im Betriebsrat mit sich brachte.

      Die erste Begegnung zwischen Arthur und Josef war unspektakulär verlaufen. Sie hatten sich zufällig am Fußballplatz in der sogenannten „Gruabn“, dem Heimspielort des Fußballclubs Sturm, getroffen. Josef war ein wenig beleidigt gewesen, da Arthur den selbstgebrannten Schnaps abgelehnt hatte. Auch Arthurs Erscheinungsbild hatte ihn irritiert. Es war damals noch unschwer zu erkennen, dass dieser aus besserem Hause stammte. Aber nachdem Sturm an diesem Abend mit 3:0 vom Feld gegangen war, hatte Josef generös über die Klassenunterschiede hinweggesehen. Beim Nachhauseweg hatte er Arthur das erste Mal zum Lachen gebracht. Mit der Straßenbahn waren sie von der „Gruabn“ zum Hauptplatz gefahren. Beide waren nach dem Match hungrig gewesen. Josef hatte vorgeschlagen, beim besten Würstelstand von Graz einen Imbiss zu nehmen. Seiner Meinung nach waren dort die „geilsten“ Käsekrainer der Stadt zu bekommen. Am Würstelstand war ihnen der stadtbekannte schwarze Verkäufer der Zeitschrift „Megaphon“ begegnet. Josef stattete der Innenstadt selten einen Besuch ab und war diesem Menschen noch nie zuvor begegnet, der mit seinem monotonen „Megga-foon, Megga-foon, Megga-foon, …“, die Zeitung zum Verkauf anbot. Während des Verzehrs der Würstel hatte Josef den erfolglosen Verkäufer beobachtet und dem wiederkehrenden Ruf „Megga-foon“ gelauscht. Mitfühlend hatte er in seine Hosentasche gegriffen, ein Zweieurostück herausgeholt und sich dann fragend an Arthur gewandt: „Heast, wülst du nit a a Negafon kafn?“ Lachend hatte Arthur Josef das nötige Kleingeld gegeben. Erst beim Betrachten der Zeitschrift СКАЧАТЬ