3000 Plattenkritiken. Matthias Wagner
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Название: 3000 Plattenkritiken

Автор: Matthias Wagner

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783741869433

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СКАЧАТЬ in Moll. Ihre Songs illustrieren einen spezifisch „weißen“ Zweifel am Lebenswert des Molochs Los Angeles – eine Grundstimmung wie in Lawrence Kasdans Film „Grand Canyon“, nur ohne dessen versöhnlerisches Ende. Grant Lee Buffalo haben sich arrangiert mit der kleinen, harmlosen Schwester der Depression: der Melancholie. Und die liebt den Klang des Plektrums, wenn es über die Saiten einer Akustikgitarre rutscht, sie liebt den sägenden Ton der Elektrischen, liebt die aus dem Abgrund heraufwehende Pedalsteel und die Wehmut des Cellos und die angerauten Stimmbänder von Grant Lee Phillips, einem der größten Americanasänger seit Erfindung des Mississippi.

      Hamid Baroudi

      „City no mad” (1994)

      Der Dissidenten-Sänger desertierte in die Solokarriere und schuf einen fulminanten Mix aus nordafrikanischem Pop und westlichen Dancefloorsounds. Baroudi, in Kassel lebender Algerier, erweist sich dabei nicht nur als quirliger Gitarrist und sensationeller Sänger, sondern auch als Integrationsfigur verschiedenster Kulturen und Klänge. Wo immer jemand herkommt: So er Rhythmus hat und Gefühl oder Congas, Oud und Synthesizer und keine Dünkel, darf er mittun beim großen globalen Groove. So kamen sie herbei, die Leute aus Jemen, USA, Deutschland, Ägypten, Türkei und Mali, um ein weltumspannendes Musikkonzept zu schaffen, das von Genrecharts kaum noch erfassbar ist. „City no mad“ ist ein echtes Popalbum und Baroudi kein „algerischer Dylan“ oder „algerischer Jagger“, wie die Journaille schwärmt, sondern der Alchemist einer kosmopolitisch pulsenden Popkultur. Kauft sie in die Charts, Weltbürger!

      Jam & Spoon

      „Tripomatic Fairytales 2001 & 2002” (1994)

      Zwei CDs auf einen Schlag: „2001“ liefert sanft entschärften Technotrance, die zweite experimentelle, hochinteressante und abgrundtiefe Ambientsounds. Das Frankfurter DJ-Duo zeigt, dass die Szene mehr zu bieten hat als hingeschlurte Billigproduktionen. Akustische Trips voller Überraschungen, bei denen einem auch schon mal ein Düsenjet quer durch den Gehörgang fegt, denen man aber auch anmerkt, dass der musikalische Background übers Reglerdrehen hinausgeht: Jam El Mar, Duohälfte, ist studierter Konzertgitarrist. Wer braucht schon Ecstasy, wenn er sich mit diesem schallgewordenen, zweieinhalbstündigen Methadon/Adrenalin-Verschnitt füttern kann – immer und immer wieder?

      Jelly Roll Morton

      „Jazz Tribune No. 9: The complete JRM Vol. 1/2 1926/27” (1994)

      Auf seiner Visitenkarte stand: „Inventor of jazz, rags and stomps“, und wahrscheinlich war das nicht gelogen. Diese Doppel-CD überblickt die zwei Jahre nach 1925, nachdem der Pianist und Bandleader Jelly Roll Morton seinen ersten Plattenvertrag mit Victor abgeschlossen hatte. Zu hören sind meist je zwei Versionen eines Stückes in oft unterschiedlichen Tempi – reizvolle Gegenüberstellungen, die bisweilen höchst unterschiedliche Gefühlslagen reflektieren. Wer Dixie und Swing nur mit Spaß- und Suffmusik verbindet, wird von der universalen Sprache dieser frühen Aufnahmen eines besseren belehrt. Eine Schatzkiste, der BMG noch einige folgen lassen muss, will man den Vielarbeiter Jelly Roll komplett neu auflegen.

      Jesus & Mary Chain

      „Stoned & dethroned” (1994)

      Der Rhyhtmus des Rave hallt nach in dieser Platte, wird aber durchweg in eine sanfte, fügsame Generation-X-Melancholie gezwungen – „we’ve got nothing but that’s alright“, heißt es einmal. Der Klang von JMC wird seit jeher geprägt von Hierarchien: die akustische liegt unter der Stromgitarre, der Gesang wird vom Sound nach hinten gedrängt, ist gerade diesseits des Flüsterns und dennoch dominant. Doch die traditionellen aggressiven Ausbrüche sind auf „Stoned & Dethroned“ verschwunden, und der gefallene Engel des Suffs tritt auf: Shane McGowan. Ein Entthronter und Gesteinigter findet Asyl auf dieser Platte – eine müde, vielsagende Geste.

      Kevin Coyne

      „Tough and sweet” (1994)

      27 Alben lang haben wir jede Scheiße mitgekriegt, die ihm passiert ist. Weil Coyne authentisch ist bis zur Verletzung der eigenen Intimsphäre. Er hat die Psychiatrie überstanden (als Pfleger), den Alkoholismus überlebt (als Säufer) – und den Blues behalten. Coyne, der hyänenhafte Sänger seiner Psychosen und Delirien, ringt seinem Leben weitere 70 Minuten Liedgut ab: minimalistische Reibeisensongs, versöhnlicher als in den dunklen 80ern, doch genauso eckig, kratzig und ungehobelt. Es sind schlichte Liebeslieder („Precious Love“), ironische Rock’n’Roll-Hommagen („Elvis is dead“), pulsende Popstückchen, kleine pathetische Hymnen und trockener Rhythm’n’Blues – die reinste Lebensphasenschau, aber mit frischem Material. Die schlichte Erkenntnis unseres Psychobluesbarden: „Money doesn’t mean a thing, this Mercedes Benz could never be your friend.“ Und auch das ist authentisch.

      Lone Kent

      „Granite & Sand” (1994)

      Schließt die Augen. Stellt euch flackernde Windlichter vor. Und Weidezäune im weiten amerikanischen Westen aus krummen elektrischen Drähten, die sirren im Hauch einer Präriebrise. Lone Kent spielt Gitarre für dieses Bild: Sein flirrender, ferner Ton erinnert an Ry Cooder, doch verfolgt Kent eine ureigene Klangvision. Sie speist sich aus den Stimmungsbildern des Country, und der Kanadier verwebt sie mit einem flüsternden, schamanisch beschwörenden Gesang – wie ein Mix aus den Stimmen von Nick Drake und Donovan. Ambientcountry? Lone Kent jedenfalls trifft einen eigenen Ton. Und das passiert im Pop alle Jubeljahre einmal.

      Madder Rose

      „Panic on” (1994)

      Die Sängerin Mary Corsen möchte man kräftig schütteln, auf dass sie wieder ganz zu sich käme. Manchmal besorgt das ihre Band für uns – etwa im kurzen, schnellen „Drop a Bomb“ oder im Neowaver „Ultra Anxiety“ –, doch gemeinhin will sie ihre schlaftrunkene Frontfrau mit der Elfenstimme nicht stören, sondern legt ihr eine dichte pralle Gitarrenmatratze unter. Trotzdem lassen sich Madder Rose schlecht in die Ecke des entrückten Shoegaze im Stil von Moon Seven Times oder Slowdive rücken; ihre Heimat liegt in einer Zwischenwelt, auf halbem Weg zwischen Schlaf und Erwachen. Doch Morpheus kehren sie den Rücken zu, um den Rock’n’Roll nicht aus den Augen zu verlieren.

      Marillion

      „Brave” (1994)

      Als der Punk 1976 den saturierten Kunstrock zermalmte, schienen die Tage der Supergroups gezählt – zumal nach Peter Gabriels Weggang sogar Genesis rasch verpoppte. Nostalgie freilich sehnt sich auch nach Neuem, wenn es nur die alten Kleider trägt; so schlug bald die Stunde der Epigonen, deren Gunst Marillion am erfolgreichsten nutzte. Die Demission des Frontmanns Fishs stellte 1988 die Restband vor die Richtungsfrage. Unterm neuen Chef Steve Hogarth wählt sie nun die Flucht zurück, hin zum großen Konzeptopus, zum artrocküblichen Spiel mit der Dynamik, in dem Wucht und Poesie, lyrische Saitenmalerei und pathostrunkene Klangflächen miteinander kämpfen und verschmelzen; ein Spiel, das die Spontaneität des Rock’n’Roll kaltherzig auf dem Altar der Kunstfertigkeit opfert. Die hohen Soundwälle von „Brave“ umbauen ein abgedroschenes Thema (Identitätsverlust) und wollen klingen wie Genesis’ Hauptwerk „Lamb lies down on Broadway“. Diesem kopiegenauen Akt reiner Epigonalität fehlt indes ein designierter Hit wie „Carpet crawl“. Zeitgleich hält Fish den alten Feinden ein songorientiertes Livealbum („Sushi“) entgegen, voll mit synthetischen Bläsern und seelenvollen Gitarren, mit pumpenden Drums, Gabriel-Touch und dem unbedingten СКАЧАТЬ