Kampf dem Karl,. Bernhard Giersche
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Название: Kampf dem Karl,

Автор: Bernhard Giersche

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Krebstagebücher von Bernhard Giersche

isbn: 9783742774200

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СКАЧАТЬ Tja Leute. War wohl nix. Mein Gallengangkarzinom ist fast die seltenste Form von Krebs. Außerdem bekommen fast nur über siebzigjährige diese Art von Krebs. Und die überwiegend in Asien, wo sie sich irgendwelche Parasiten einfangen. Leber und Lunge, Magen und Darm, Herz und Nieren sind bei mir alle Tip Top bis auf die Metastasen in der Leber aber die sind ja aus der Galle eingewandert.

      Typisch Bernhard! Und weil das Unmögliche und Unwahrscheinliche bei mir normal ist, werde ich auch dieser Linie in der Krankheit folgen und völlig unmöglich und ganz und gar nonkonform weiterleben. So ist zumindest der Plan. Sicherheitshalber habe ich allerdings eine kleine Liste mit Dingen, die ich noch erleben will solange ich kann. Und ganz oben auf dieser Liste steht: Gisela heiraten !! Das planen wir für nächste Woche. Komm her Krebs, ich lache dir ins Gesicht. WIR lachen dir ins Gesicht, du Arsch !!!

      Dieses Bild zeigt meine Leber.

      Die dunklen, kreisrunden Stellen sind die Metastasen.

      Damit ihr mal seht, wie so etwas aussieht.

      9. Juli 2017

      Ich sitze hier vor meinem Rechner und tausend Worte fallen mir gleichzeitig ein. Ich lasse sie einfach fließen, nachdenken ist nicht so gut für mich. So viele Menschen, die mich mit guten Worten bereichern und die mir das Gefühl schenken, diese letzte, unsäglich unfassbare Sache, ist doch für irgendetwas gut.

      Gut für mich, der ich in dieser Situation bin, denn ich bin nicht als sterbenskranker Mann aller irdischen Aufgaben enthoben und kann mich wie ein Elefant zurückziehen und mich dem Vergessen ausliefern, trotzdem ich lebe, lebe, lebe... gut! Vielleicht für den ein oder anderen Menschen, der oder die hier mit liest und so auch einmal Gedanken denken kann, Gefühle fühlen kann, die im hektischen Alltagsgetriebe zu kurz kommen. Dann ist das alles noch für irgendetwas gut, ist nicht zur Gänze sinnlos. Es bewirkt vielleicht noch etwas Gutes, schafft fruchtbare und neue, positive Handlungsstränge. Damit kann ich besser leben und sterben als wäre es wirklich sinnlos.

      Ich glaube nicht in der klassischen Weise an Gott, Manitou, Mamawata oder den großen Watumba. Ich glaube fest daran, dass sich eine andere Daseinsform anschließt. Das dachte ich schon, als ich mich gesund wähnte. Und was oder wer auch immer dieses Schicksal für mich gewählt hat, wollte bei der Wahl der Methode ganz sicher gehen. Wenn er oder es sich da mal nicht vertan hat.

      Sehe ich mir meine Biografie an, erkenne ich, dass der Gevatter schon mehrmals heftig mit der Sense gewackelt hat. Habe ihm jedes Mal eine Nase gedreht. Getanzt haben wir schon das ein oder andere Mal miteinander. Mal eng umschlungen, mal Rock `n Roll. Ich sah all zu oft was er hinterlässt. Erst als Soldat und später dann als Altenpfleger. Wir beide kennen uns ganz gut, denke ich. Irgendwann trifft ihn jeder Mensch. Wann und wo und wie wird man selten vorher gewahr.

      Im Moment habe ich keine gute Phase. Bin ziemlich traurig, gerührt und ja, auch verängstigt ein Stück weit. Ich will meine Lieben vor Schmerz und Kummer schützen und die Sachlage zwingt mich, ihnen Schmerz und Kummer zu bereiten. Dieses Ambivalente zerreißt mich. Ich gebe nicht auf und ich will auch nicht in ein Tal der Tränen steigen. Ich weiß, dass es kleine Chancen gibt, dem Tod noch einmal zu entrinnen.

      Ich stelle mir Aufgaben. Ich habe meine Sachen immer zu Ende gebracht. Unerledigte Sachen hasse ich. Ich habe noch jede Menge zu tun....und was ist mit meinem Lebensmotto: Geht nicht, gibt es nicht? Und gleichzeitig sehe ich ihn vor mir. Ich visualisiere ihn in der klassischen Variante. Mit Eieruhr, Jedikutte und Sense. Der gute alte Jedermann. Vielleicht zieht er ja doch noch einmal weiter. Vielleicht denkt er, dass die Welt schöner ist mit mir darin. Sehen wir dann. Und wenn irgendwann der Zeitpunkt gekommen ist, soll es so sein wie von Reinhard Mey besungen. Euch allen einen schönen Sonntag und denkt immer daran: Jippijahjee Schweinebacke !!!

      10. Juli 2017

      Montag. Tag zwölf nach neuer Zeitrechnung. Gestern habe ich das erste Mal weinen können. Ich meine so richtig. Eigentlich wollte ich das gar nicht, ich will dem Unheil in mir gegenüber keine Schwäche zeigen. Haaaaaalt, bevor ihr jetzt schreibt, dass weinen keine Schwäche ist, sei gesagt, dass ich das auch für keine Schwäche halte, weil es eine normale Reaktion auf ein anormales Ereignis ist. Im Übrigen tat das echt gut. Das dazu….

      Heute haben Gisela und ich einiges vor. Vielleicht geht die berühmte Chemotherapie los und mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich zur weiteren palliativen Behandlung nach Hause entlassen. Die Lähmung nach der Chefarztszene fällt langsam ab und macht einer speziellen Form von Trotz Platz. Das war im Übrigen vergangenen Donnerstag wie eine Szene aus einem billigen amerikanischen Film. Triefend vor Klischees war diese Szene und sie wiederholt sich in unseren Köpfen ständig. So wie ein Ohrwurm, nur ist das eine sehr abstoßende Art von „Gedankenwurm“.

      Ich liege im Bett, Gisela sitzt auf der Kante. Dr. Chefarzt steht im weißen Kittel mit einem Helferlein vor dem Bett und spricht die bemerkenswerten Worte: „Sie müssen schnell ihre Dinge regeln. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Sie leben noch zwischen sechs und neun Monate. Handlungsfähig sind Sie vielleicht noch sechs Wochen.“ Die Tage danach waren wir ein Stück weit paralysiert. Internetrecherche bestätigte die Prognose gnadenlos.

      Dann der Kampf um das Methadon. Meine einzige winzige Hoffnung, den Scheiß zu überleben, zumindest länger als die prognostizierten sechs Monate. Letztlich war es eine einzige, couragierte Ärztin, die sich über die Anweisungen der Chefärzte hinwegsetzte. Heute Morgen hat dann der Chef-Onkologe meine Chemotherapie abgesetzt, weil ich Methadon als Schmerzmittel nehme. Ist zwar absolut krass und grotesk, dass mir nun die unter Umständen lebensrettende Therapie verweigert wird durch diesen Mann, letztlich aber auch nur eine der vielen unglaublichen Anekdoten meines Lebens.

      Morgen um dreizehn Uhr sitze ich bei einem anderen Onkologen in der Praxis. Die Ärztin, die mir das Methadon verschrieb, hat ebenfalls eine Adresse recherchiert, damit ich in jedem Fall weiter behandelt werde. MIT Methadon. Es gibt eben solche und solche Ärzte. Die einen sind karrieresüchtige Weißkittel ohne Eier und die anderen sind eben echte Ärzte. Langweilig wird es also nie in meinem Leben, wie es scheint.

      Heute also erst einmal nach Hause. Gott sei Dank. Ich weiß, dass es mir in unseren Daheim viel besser gehen wird als hier. Ich will mich auf jeden Fall bei den (meisten) Ärzten des evangelischen Krankenhauses und dem Pflegepersonal aus vollem Herzen bedanken. Mir wurde sehr viel Güte und Freundlichkeit sowie ein hohes Maß an Mitgefühl zuteil. Das hat mir das alles zu ertragen geholfen. Fern jeder Heuchelei erfuhr ich viel Authentizität seitens vieler Ärzte und dem Pflegepersonal. Dass ausgerechnet der Chef der Onkologie sich so verhalten hat, ist auch repräsentativ für die gesamte deutsche Ärzteschaft.

      Das wird also noch ein weiter Weg für all die Menschen, die ebenfalls diese oder eine ähnliche Diagnose ertragen müssen. Das Verbot von Hoffnung, ausgesprochen durch Ärzte, die einst einen Eid geleistet haben, sich dem Wohl von kranken Menschen zu widmen, ist ein unmenschlicher Widerspruch in sich. Ein wenig mutet das an wie einst die Verleugnung der Tatsache, dass die Erde eine Kugel ist, Schweine nicht fliegen können und Frauen dem Manne nicht Untertan sind. So ist es stets gewesen zu allen Zeiten und die sogenannte hochmoderne, humanistische, christliche und was weiß ich für eine Gesellschaft ist nichts weiter als der selbe Mist, der im Mittelalter normal war. Immer nur Missgunst, Neid und Profilierungssucht als Antrieb. Altruismus und Menschlichkeit als Zeichen von Schwäche und der eigene Vorteil zum Maß des eigenen Handelns erhoben. Gott, widert mich das manchmal an.

      Dann ist es gut, dass ich meinem Wahlspruch: СКАЧАТЬ