Kampf dem Karl,. Bernhard Giersche
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Название: Kampf dem Karl,

Автор: Bernhard Giersche

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Krebstagebücher von Bernhard Giersche

isbn: 9783742774200

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СКАЧАТЬ nicht und begleiten die Chemotherapie mit diesem Wirkstoff. Das ist unser Strohhalm, unser Tor zur Zukunft. Ohne das wäre ich im wahrsten Sinne des Wortes ein hoffnungsloser Fall. Der Krebs ist sehr weit fortgeschritten und absolut tödlich. Ohne die Chance mit dem Methadon hätte ich ziemlich sicher weniger als acht Wochen bis ich sterbe. Doch dem brauchen wir uns jetzt nicht mehr zu beugen, denn es gibt berechtigte Hoffnung. So wie es die berechtigte Hoffnung gibt, im Lotto zu gewinnen.

      Bei mir gingen Wege noch nie einfach geradeaus. Immer hatte ich irgendwie eine exponierte Position im Leben. Zieht sich wie ein roter Faden durch meine Biografie. Eine nicht tödliche Krankheit zu überleben passt da genau ins Schema. Gleich werde ich abgeholt. Man wird mir einen Port legen, ähnlich wie bei Dialysepatienten. Eine Art Dauerzugang zu meinem Gefäßsystem. Durch dieses Portal wird dann die Chemotherapie verabreicht. Offiziell hat die Chemotherapie in dem Krebsstadium nur noch palliativen Charakter, das bedeutet, sie soll mir die Zeit bis zum Tode erleichtern. Heilung wird da nicht mit angestrebt.

      Ich kann das alles so einfach und nüchtern erzählen, weil ich Hoffnung habe. Und selbst, wenn der Tod mich auslacht und sich vom Methadon nicht beeindrucken lässt: Die Stunden und Tage in Hoffnung nimmt mir niemand wieder weg. Jede Minute Hoffnung ist unendlich kostbar. Für Gisela, für die Kinder und für mich. Wehe, jemand versucht mir, die Hoffnung wegzunehmen. Für den gibt es dann definitiv keine Hoffnung mehr!!!

       Also gut….dann ab unters Messer. Der erste Schritt eines langen Weges, an dessen Ende der Topf mit Gold auf Gisela und mich wartet.

      7. Juli 2017

      „Sterben für Anfänger“, sicher gibt es den Titel schon. Trotzdem trifft er so passend zu, dass ich ihn einfach diesen Zeilen voran setze. Meine Fresse, was haben wir Menschen schon über das Sterben und den Tod herum sinniert. Das wirklich blöde an unserem sogenannten Verstand ist es doch, dass wir uns über unseren eigenen Tod Gedanken machen können. Wir packen unsere Ängste und unser Grauen davor in philosophische Betrachtungen, in Gemälde und Skulpturen oder wir gründen Religionen und machen ein riesiges Tam Tam um den Tod. Und weil wir nicht wissen können, was geschieht in jener Sekunde, wenn die Pumpe und das Hirn zu funktionieren aufhören, malen wir uns bunte Geschichten darum aus und beten die so lange vor uns hin, bis wir daran selbst glauben.

      Jetzt, da ich akzeptieren muss, dass in meiner ganz persönlichen Sanduhr nur noch ganz wenig Sand im oberen Teil des Glases ist, muss ich etwas tun, was normalerweise erst in vielleicht dreißig Jahren aktuell wird. Ich muss mich mit der Unabwendbarkeit des eigenen, nahenden Todes befassen. Versucht das mal. Denkt und fühlt euch mal für eine Minute da hinein. Geht nicht. Mutter Natur hat da eine Barriere eingebaut, die wir kaum gedanklich und emotional überwinden können. Zu abstrakt, zu schrecklich ist diese Vorstellung.

      Und vor allem müsst ihr auch nicht tun. Dafür ist im Alter noch Zeit genug. Derzeit ist das so unglaublich weit weg, dass ihr euch mit diesen Gedanken und Gefühlen nicht befassen müsst. Gut für euch….beschissen für mich. Denn ich muss das jetzt tun. Viele denken vielleicht, ich sei wer weiß wie stark und tapfer und so weiter, weil ich offen darüber rede. Ich kann euch versichern…ich bin weder das eine, noch das andere. Ich schwanke stündlich zwischen Todesangst und Zuversicht. Ich kann leider nicht weglaufen, das nicht delegieren, niemanden anflehen, Gnade walten zu lassen. Das kommt unumkehrbar und in absoluter Gnadenlosigkeit auf mich zu. Das ist die Situation hier. Also gut, dann ist das eben so. Ich habe gelernt im „Hier und Jetzt“ zu denken und zu fühlen. Ich muss das hinnehmen, es akzeptieren und genau hinschauen und hineinfühlen.

      Vor etwa 20 Jahren habe ich ein Nahtoderlebnis gehabt. Exitus nach Kohlenmonoxidvergiftung. Die Erinnerung daran ist absolut präsent jetzt und auch früher schon. Nichts mit hellem Licht und anderen Phänomenen. Aber definitiv dematerialisiert schwebte ich über der Szene und sah auf meinen Körper, den Krankenwagen, die Gaffer und die Sanitäter herab. Konnte sogar die Dachbeschriftung des Rettungswagens lesen. Egal. Was am intensivsten haften blieb, war das Gefühl der absoluten Sorglosigkeit. Ein solches Maß an Sorglosigkeit, wie man es unmöglich als Mensch auf diesem Erdball wird erleben können. Eine Sekunde nur oder zwei… dann holten mich die Sanitäter wieder, ich sah wie sie Herz/Lungenmassage betrieben.

       Daran halte ich mich jetzt fest. Davor muss ich keine Angst haben. Alles wird gut sein. Und selbst wenn das nur ein Film ist, den mein Körper abspielt im Moment meines Todes um es mir zu erleichtern….alles gut. Ich habe mein Leben gelebt. Dicht gepackt mit Erlebnissen und Erfahrungen. Andere bräuchten vielleicht drei Leben um so viel an Erfahrungen zu sammeln. Meine Bilanz ist okay. Ich habe vier wunderbare Kinder. In ihnen lebe ich weiter. Ich habe vieles bewirkt und vielleicht zu viel Scheiße gebaut. Ich habe gelernt, gelitten und geliebt. Ich habe Grenzen überschritten und manches Mal Unmögliches möglich gemacht. Deswegen ist es okay, wenn jetzt bald das letzte Sandkorn fällt. Man soll ja nicht unbescheiden sein. Mein Tipp für euch: Lebt !!! Denn nur deswegen seid ihr hier.

      8. Juli 2017

      Irgendwie ist das nicht zu glauben. Ich laufe herum, habe eine gesunde Farbe im Gesicht und guten Appetit. Klar, die Schmerzen sind da, aber dank der Pülverchen, die man mir gibt, sind die gut gedeckelt. Früher habe ich mich immer gefragt, was das für Schmerzen seien, die ein Krebs so erzeugt. Bei mir ist das jetzt gut erkennbar.

      Da sind zunächst einmal meine Rückenschmerzen in der Lendenwirbelsäule. Die habe ich seit anderthalb Jahren. Letztes Jahr kam daher auch die Schmerzausstrahlung ins rechte Bein. Das ist nie ganz weg gegangen. Alle dachten, das läge an den Bandscheiben, an den Facettengelenken, an Arthrose und am Verschleiß. Der hiesige Chef-Onkologe sagt, das seien die ersten Boten des Krebses gewesen. Die Metastasen und Karzinome hätten da schon begonnen, auf gewisse Nervenstränge zu drücken, was sich dann als Beinschmerz äußerte. Kein Wunder, dass weder Physiotherapie noch all die anderen Maßnahmen nicht wirklich geholfen haben.

      Aktuell kamen dann die stechenden Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen dazu, von denen die Ärzte dachten, es sei eine Gastritis. Seit einer Woche etwa habe ich sehr starke Schmerzen im linken Bein. Fühlt sich an, als würde ein Panzer darüber fahren, bremsen und sich auf der Stelle drehen. Das ist echt ein übler Kack Schmerz. Das alles macht der Krebs, der in mir tobt. Drückt Nerven zusammen und gaukelt dem Gehirn vor, an der betreffenden Stelle wäre besagter Panzer bei der Arbeit. Gegen diese Art von Schmerzen helfen nur bestimmte Opiate und Morphine. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie geil das Gefühl ist, wenn die Pülverchen zünden und der stets präsente Schmerz kaum noch wahrnehmbar ist. Ich habe mir geschworen, lieber etwas Unbill zu ertragen, als völlig benebelt zu sein. Klingt jetzt vielleicht etwas doof, aber es ist so. Man stirbt nur ein einziges Mal. Das will ich mitbekommen, will es bewusst erleben. Wegschauen war noch nie meine Sache. Wenn es so kommen sollte, wie der Chefarzt es prognostizierte, werde ich in sechs Wochen bereits ziemlich krank aussehen und mich auch so fühlen.

      Im Moment sieht man mir das nämlich so gut wie gar nicht an. Das ist das Groteske an der gegenwärtigen Situation. Und irgendwann, in acht Wochen vielleicht oder später, bin ich ans Bett gefesselt und ein Pflegefall. Und dann kommt der Moment, in dem klar wird, dass es das dann war. Ich habe zusammen mit meiner Gisela und anderen Verabredungen getroffen und Pläne für diese Zeit gemacht. Bevor ich als Gemüse dahinsieche wird der Stöpsel gezogen. Ich will mit einem Rest an Würde entfleuchen, nicht als sabbernder Lappen ohne Verstand. Es sei denn, und davon gehe ich fest aus, ich besiege mittels Methadon den Krebs und drehe all denen eine Nase, die das für unmöglich halten.

      Gut, bislang hat noch niemand nach der Diagnose die ich habe, länger als zwei Jahre gelebt, aber muss mich das jucken? Nein! Bei mir lief noch nie etwas normal. Ich kriege keinen profanen Darmkrebs oder habe ein Prostatakarzinom wie so viele andere. Ich habe gesoffen und schon immer geraucht. Ich habe Raubbau an meinem Körper getrieben und mich nicht wirklich gesund ernährt. Viele Freunde und auch Familienmitglieder СКАЧАТЬ