Die Kinder der Bosheit. Ralph Ardnassak
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Название: Die Kinder der Bosheit

Автор: Ralph Ardnassak

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847606864

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СКАЧАТЬ eine Maschinenfabrik, eine Apotheke, einen Kalksteinbruch. Anlagen und Einrichtungen, so beschreibt es die Chronik, die den regsamen und industrieösen Bewohnern Klein Piesickes überwiegend Wohlhabenheit bescherten.

      Die Handwerker arbeiteten in jenen Zeiten auch in Klein Piesicke meist unter freiem Himmel.

      Einen Verschlag oder eine einfache hölzerne Bude gab es höchstens zur Unterbringung des kostbaren Werkzeugs, um darin bei Regengüssen Unterschlupf zu finden oder das mitgebrachte Essen einzunehmen.

      Alle Schiffe, welche in Klein Piesicke gebaut wurden, darunter auch die Schiffe der Familie Ferstner, waren ganz aus Holz gebaut und hatten eine Tragkraft von etwa 50 Tonnen.

      Ihrer Bauform nach waren es einfache Kaffenschiffe, bei denen sich der Schiffsboden von vorn nach hinten zu verjüngte, um dann schließlich in dreieckige und angeschrägte Enden über zu gehen.

      Kaffenschiffe boten einen erheblichen Wasserwiderstand. Lief es allerdings auf Untiefen oder flache Ufer, so bohrte es sich nicht darin ein, sondern lief lediglich auf, blieb dabei in der Regel unbeschädigt und war schnell wieder flott zu bekommen, weil es ja keinen Steven besaß.

      Auch in den Schiffsbauwerften von Klein Piesicke, die vorwiegend für die Reparaturen der Schiffe der Eigner aus dem Ort zuständig waren, wurde überwiegend im Zeitlohn gearbeitet.

      Um das Jahr 1898 verdiente ein Geselle hier 30 Pfennige in der Stunde.

      1930 waren es bereits 65 Pfennige.

      Ein Stück Butter kostete damals 70 Pfennige, ein Laib Brot 50 Pfennige und ein Brötchen 5 Pfennige.

      Es war üblich, dass alle Lehrlinge in den Schiffsbauwerften von Klein Piesicke zunächst drei Monate auf Probe arbeiteten. Danach erhielt er im ersten Lehrjahr jeweils einen wöchentlichen Lohn in Höhe von drei Reichsmark. Mit jedem weiteren Lehrjahr erhöhte sich der Wochenlohn um weitere drei Reichsmark.

      Der Werkzeugkasten mit dem darin befindlichen Werkzeug kostete insgesamt 160 Reichsmark. Er war von jedem Lehrling zunächst selbst zu bezahlen.

      Konnte er Lehrling diesen Betrag jedoch nicht aufbringen, so erhielt er den Werkzeugkasten mit dem kostbaren Werkzeug leihweise zur Verfügung gestellt. Dafür wurde je Woche eine Reichsmark vom Lohn abgezogen, so dass der Werkzeugkasten mit dem darin befindlichen Werkzeug am Ende der Lehrzeit in das Eigentum des Lehrlings über ging. Eigenes Werkzeug wurde immer pfleglicher behandelt, als Werkzeug, welches der Werft gehörte. Außerdem sparte der Werftbesitzer Kosten, indem er selbst kein Werkzeug anschaffen und vorhalten musste.

      Auf allen Werften von Klein Piesicke herrschte ein strenges und stets patriarchalisches Regime. Der Werftbesitzer war unumstößlicher Herr und Meister.

      Argwöhnisch beobachtete jedoch auch in Klein Piesicke die Obrigkeit die Entwicklung und Zusammenrottung der vaterlandslosen Gesellen, der jungen Sozialdemokratie.

      Noch im Jahre 1910 war der Bürgermeister von Klein Piesicke dazu verpflichtet, alljährlich einen Bericht über die Zahl sämtlicher gewerkschaftlich organisierter Arbeiter des Ortes, besonders jedoch über die Mitglieder der SPD, an seine vorgesetzten Stellen zu liefern.

      Allgemeiner Konsens herrschte bereits seit 1898 unter den Vereinigten Schiffbaumeistern und Werftbesitzern des Elbe-Saale-Gebietes darüber, dass Werftarbeiter, welche sich ungebührlich betragen hatten, keine Entlassungspapiere ausgestellt bekamen.

      Unter ungebührlichem Betragen waren natürlich vor allem gewerkschaftliche Betätigung und sozialdemokratische Agitation von Werftarbeitern zu verstehen. Wer damals nicht über ordentliche Arbeitspapiere verfügte, durfte nirgends eingestellt werden.

      Dennoch traten am 15. Februar des Jahres 1913 die Deckmannschaften sämtlicher Reedereien auf den Schifffahrtsstraßen von Elbe, Oder sowie den märkischen Wasserstraßen mit insgesamt 12.000 Mann in einen Streik. Dieser beinhaltete Lohnforderungen, aber auch erstmalig Forderungen nach besseren und menschlicheren Arbeitsbedingungen, nach Überstundenregelungen, regelmäßigen Arbeitszeiten, nach Nachts- und Sonntagsruhe. Obwohl dieser Streik insgesamt über 11 Wochen andauerte, ging schließlich die Streikkasse zu Neige, was dazu führte, dass die Arbeitsniederlegung von den Behörden abgewürgt werden konnte.

      Der Streik, der auch erhebliche Auswirkungen auf die Schiffseigner von Klein Piesicke, darunter auch die Familie Ferstner, gehabt hatte, kostete die Arbeitnehmerschaft 100.000 Reichsmark und blieb völlig ergebnislos.

      Für alle auf den Schiffswerften von Klein Piesicke hergestellten oder reparierten Kähne waren Unmengen von Holz erforderlich.

      Dieses wurde jedoch nicht in den nahen Föhren- oder den Auenwäldern am Strom gewonnen. Stets wurde es weit entfernt geschlagen und zunächst mit flößen bis nach Klein Piesicke gebracht, wo es an der Feuerwehrwiese an Land gezogen wurde.

      Robert Otto Crohn, ein Vetter der Familie Ferstner, fuhr später, als das Holz nicht mehr geflößt, sondern auf Langholzwagen heran geschafft wurde, im Auftrag aller Schiffsbaumeister von Klein Piesicke mit dem Kleinmotorrad ins benachbarte Lettau zum Holzplatz, wo er dann das Holz für alle Schiffsbauwerften von Klein Piesicke aussuchte, das zunächst am südlichen Rand der Feuerwehrwiese zum Trocknen gelagert wurde.

      Die Schleppkähne für den Strom, wie sie auch die Familie Ferstner über viele Jahrzehnte hinweg besaß, waren zunächst aus Holz, später jedoch aus Metall. Sie wurden unter der Bezeichnung Penichen oder Schleppkähne bekannt, wobei La Peniche das französische Wort für Schleppkahn oder für Flussschiff ist.

      Penichen wurden in Klein Piesicke noch bis in die 1930er Jahre hinein gebaut.

      Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg waren sie ein besonders beliebter Teil derjenigen Reparationsleistungen, die das Reich an die Franzosen zu liefern hatte.

      Die Einzelteile für hunderte von Penichen kamen aus dem Stahl- und Walzwerk von Riesa. Je Fahrzeug veranschlagten die Schiffswerften von Klein Piesicke etwa einen Bedarf von 30 Tonnen Blech und 8 Tonnen Profilstahl. Das Metall wurde komplett und vollständig bearbeitet in Klein Piesicke angeliefert, war also bereits geschnitten, gelocht, gebohrt und vorgeformt. Die Maßhaltigkeit war dabei so gut, dass kaum nacharbeiten auf den Werften erforderlich wurden.

      Die Penichen, wie sie auch die Familie Ferstner besaß, waren zuletzt 38,05 Meter lang, 5 Meter breit und mit einer Seitenhöhe von 2,32 Metern. Sie konnten 350 Tonnen an Gütern transportieren.

      Wie alle Schiffer aus Klein Piesicke, so fuhr auch die Familie Ferstner mit ihren Flusskähnen den Strom hinauf oder sogar die Elbe hinauf.

      Gezogen wurden die Lastkähne dabei seit 1895 nicht mehr von Schiffsknechten, Ochsen oder Pferden, sondern von sogenannten Kettendampfern.

      Da diese Kettendampfer, die als Schleppdampfer für die Penichen fungierten, stets an gewisse Flussabschnitte gebunden waren, mussten die Ferstners ihre Schleppdampfer regelmäßig wechseln.

      Welches Gut jeweils transportiert wurde, richtete sich nach der baulichen Beschaffenheit des Flusskahnes, da ein Kahn ohne Deck keine wasserempfindlichen Güter befördern konnte, die durch Spritzwasser, Gischt oder Regen Schaden erleiden konnten.

      Kein gedecktes Schiff erforderten viele Massengüter wie beispielsweise Sand, Kies, Kohle, Schutt, Kalkstein, Zuckerrüben, Erze, Kupferbarren, Stahl und Schmiermittel und Öle in Fässern.

      Ein gedecktes Schiff erforderten hingegen die Massengüter Zement und Soda in Säcken oder in Fässern, Zucker, Wolle und Waschmittel und die unter Zollverschluss stehenden Güter СКАЧАТЬ