Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt. Jürgen Ruszkowski
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       Als 33 Männer ihr Seemannsgrab fanden

      Vor fünf Jahren, am 14. Januar 1991, elektrisierte eine Schreckensmeldung Emder Schifffahrtskreise und Seeleute aus dem gesamten ostfriesischen Raum: Der Massengutfrachter PROTEKTOR - die ehemalige URSULA SCHULTE der Emder Reederei Schulte & Bruns - wird im Nordatlantik vermisst! Eine groß angelegte Suchaktion unter Leitung der kanadischen Küstenwache wird gestartet, nachdem der Kapitän des unter Singapur-Flagge fahrenden Bulkcarriers nach einem Wassereinbruch im Schiff einen Notruf abgesetzt hatte. Danach riss die Funkverbindung ab.

       Schwerer Orkan

      Wie die kanadische Coastguard seinerzeit der Versicherungsgesellschaft Lloyd's in London mitteilte, tobte zum Zeitpunkt des Unglücks im Seegebiet östlich der kanadischen Insel Neufundland ein außergewöhnlich schwerer Orkan mit Winden, die in der Spitze Hurrikanstärke erreichten. Die mehrtägige intensive Suche nach Überlebenden des Schiffsunglücks, an der sich neben Suchflugzeugen der kanadischen Küstenwache auch US-Flugzeuge und mehr als ein Dutzend Handelsschiffe beteiligten, blieb erfolglos.

      Von den 33 Besatzungsmitgliedern der PROTEKTOR fehlte jede Spur. Im Verlauf der mehrtägigen Suchaktion wurde lediglich ein Rettungsboot gesichtet, das jedoch wegen extrem hohen Wellengangs und dichten Schneetreibens nicht identifiziert werden konnte.

      Zum Zeitpunkt des Unglücks befand sich die frühere URSULA SCHULTE mit rund 80.000 Tonnen Eisenerz beladen auf dem Weg von dem an der St. Lorenz-Mündung gelegenen kanadischen Erzverladehafen Port Cartier via Ärmelkanal nach Schweden. Anzunehmen ist, dass der 252 Meter lange Frachter rund 220 Seemeilen südöstlich von Cape Race (Neufundland) gesunken ist. 33 Seeleute fanden dort im sturmgepeitschten Nordatlantik ihr Seemannsgrab.

      Unweit der Stelle, wo die PROTEKTOR auf dem Meeresboden liegt, ereignete sich im Jahre 1912 eine Schiffskatastrophe, die bis auf den heutigen Tag unvergessen ist: Auf seiner Jungfernreise von Southampton nach New York kollidierte der englische Passagierdampfer „TITANIC“ (46.000 BRT) mit einem Eisberg und riss 1.517 Menschen mit in die Tiefe.

      Mit dem Verlust der URSULA SCHULTE wurden auch Erinnerungen wach an eine dritte Schiffstragödie, die sich 1952, zwei Tage vor Weihnachten, ebenfalls im berüchtigten Nordatlantik ereignete. Damals war der kurz zuvor von den Rheinstahl Nordseewerken gebaute und ebenfalls in Emden beheimatete Frachter „MELANIE SCHULTE“ unweit der Hebriden den Naturgewalten zum Opfer gefallen. 33 Seeleute blieben damals auf See.

      Die Nachricht vom Totalverlust der URULA SCHULTE wurde seinerzeit im gesamten ostfriesischen Raum mit großer Bestürzung und tiefer Anteilnahme aufgenommen. Insbesondere für die ehemaligen Besatzungsmitglieder des Schiffes war der Untergang unerklärlich, zumal der Frachter auch als PROTEKOR unter der Billigflagge Singapurs weiterhin den Sicherheitsbestimmungen des Germanischen Lloyds unterlag.

      „Ein einziges Rätsel

      „Nur die Verkettung unglücklicher Umstände kann zum Untergang des Schiffes geführt haben“, mutmaßte seinerzeit der frühere Kapitän der URSULA SCHULTE, Arnold Buss aus Warsingsfehn, in einer ersten Stellungnahme. Auch fünf Jahre danach bleibt der Totalverlust des Massengutfrachters für den inzwischen pensionierten Fehntjer Kapitän ein „einziges Rätsel“, zumal die Seetüchtigkeit des 80.000-Tonners zu keiner Zeit ein Thema gewesen sei.

       Auf der URSULA SCHULTE war Arnold Buss Kapitän

      Pensionierter Seefahrer lebt heute in Warsingsfehn.

      Arnold Buss, Jahrgang 1922, entstammt einer alten Seefahrerfamilie. Mit 14 Jahren hatte er zum ersten Mal Schiffsplanken unter den Füßen. Auf der in Warsingsfehn beheimateten Tjalk „ANNA“ arbeitete er sich im Laufe seiner vierjährigen Fahrzeit vom Schiffsjungen zum Matrosen empor. Nach Abschluss der Steuermannsschule in Leer landete der frischgebackene nautische Offizier von der Marine dienstverpflichtet im April 1945 auf der legendären „KAP ARKONA“. Mit Flüchtlingen und verwundeten Soldaten überfüllt, absolvierte das Schiff mehrere Reisen von Gotenhafen und Hela nach Kopenhagen, bevor es Ende April 1945 wegen Brennstoffmangels in der Neustädter Bucht vor Anker gehen musste. Anfang Mai dann wurde das Hamburg-Süd-Schiff von britischen Bombern zerstört. Von den rund 7.000 an Bord befindlichen KZ-Häftlingen verloren die meisten ihr Leben. Von 1950 bis 1953 war Arnold Buss als 3. und später als 2 Offizier auf dem unter schwedischer Flagge fahrenden Torrydecker „VINDÖ“ der Stockholmer Reederei Rex Bolaget beschäftigt: 1956 machte er sein Kapitänspatent auf der Seefahrtschule Leer.

      Von Februar 1954 bis zum Zusammenbruch der Reederei Ende 1977 fuhr der Fehntjer Kapitän auf verschiedenen Frachtern der Emder Reederei Schulte & Bruns, davon fast drei Jahre als Kapitän auf dem im Atlantik vor der Küste Kanadas verschollenen Massengutfrachter URSULA SCHULTE. Arnold Buss lebt heute als Pensionär in Warsingsfehn.

      Hero Buss

      EZ-Mitarbeiter Gerd Redenius berichtete in der Emder Zeitung im Rahmen einer Serie über Ereignisse aus der Seefahrt über Begebenheiten, die sich mit Menschen verbinden, die in Emden ihre Heimat haben, am 8. Juni 1996 aus dem Leben von Hero Buss

      Erlebte Geschichten rund um die Seefahrt

       Mit 6.200 Tonnen Zucker durch die stürmische See

      Der früher in Emden beheimatete Dampfer „HERMANN FRITZEN“ schrieb ein Stück Seefahrtsgeschichte: Als das Schiff im Februar 1958 aufgrund mangelnder Schiffssicherheit aus dem Verkehr gezogen und kurz darauf von Emden aus seine allerletzte Reise zur Abwrackwerft antrat, hatte der 6.400 Tonnen tragende Veteran der Meere mit 52 Jahren ein für heutige Verhältnisse geradezu biblisches Alter erreicht.

      Den im wahrsten Sinne des Wortes bewegten Lebenslauf des Schiffes zu rekonstruieren, erwies sich anfangs als problematisch. Indes, der frühere Fritzen-Kapitän und jetzige Heilpraktiker Georg Ammermann aus Stickelkamp erinnerte sich, dass der 1906 in England gebaute so genannte Torrydecker bis 1936 unter dem Namen „WERNER KUNSTMANN" für die seinerzeit in Stettin ansässige Reederei Kunstmann in Fahrt war. Bevor der gleichnamige Reeder jüdischer Abstammung nach England emigrierte, veräußerte er vier Dampfer, sechs Schlepper sowie einen Teil seiner Stettiner Werft an die Emder Reederei Johs. Fritzen & Sohn.

       Im Hamburger Hafen versenkt

      Während des zweiten Weltkrieges fuhr die HERMANN FRITZEN im Auftrag der Kriegsmarine, bis das Schiff 1944 nach einem Bombenangriff im Hamburger Hafen versenkt wurde. Vier Jahre danach wieder gehoben, schleppte man den Dampfer nach Emden, wo er von den Rheinstahl Nordseewerken wie­der in seetüchtigen Zustand versetzt wurde.

      Als der wegen seiner ungewöhnlichen Bauform nicht gerade mit Schönheitspreisen bedachte alte „Bauchdampfer" im Oktober 1949 wieder in Fahrt ging, war der mit 6.400 Tonnen Tragfähigkeit zu Buche stehende Frachter das größte Schiff, über das die zur damaligen Zeit gerade im Aufbau befindliche deutsche Nachkriegs-Handelsflotte verfügte.

      Die HERMANN FRITZEN wurde an der Küste spöttisch „schwimmendes Bügeleisen“ oder „Bauchdampfer“ genannt. Um die fünf Luken des Frachters lade- oder löschklar zu machen, mussten nicht weniger als 400 hölzerne Lukendeckel per Hand bewegt werden.

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