Spiel des Zufalls. Joseph Conrad
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Spiel des Zufalls - Joseph Conrad страница 8

Название: Spiel des Zufalls

Автор: Joseph Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750247857

isbn:

СКАЧАТЬ Seefahrer werden verstehen können, was ich meine.«

      Marlow nickte. »Ein Gefühl, das nur dieser Beruf kennt«, bemerkte er. »Andere Berufe oder Handwerke wissen nichts davon. Nur dieser eine Beruf, dessen Hauptreiz in der Erwartung nie endender Abenteuer liegt.«

      »Ich möchte es den Frieden der See nennen«, sagte Herr Charles Powell mit ernster Stimme, sah uns dabei aber an, als erwartete er ein abweisendes Lachen zu hören und sei bereit, seinen gesunden Menschenverstand zu beweisen, indem er mit einstimmte. Doch keiner von uns lachte über Herrn Charles Powell, dessen Eintritt ins Leben wir eben mit angehört hatten. Er hatte Glück mit seinen Zuhörern.

      »Sehr gut gesagt«, meinte Marlow und sah ihn zustimmend an. »Ein Seemann findet ein Gefühl innerer Sicherheit in der Ausübung seines Berufes. Das anstrengende Leben auf See hat den einen Vorteil vor dem an Land, daß seine Ansprüche einfach, aber unerbittlich sind.«

      »Goldene Worte«, stimmte Herr Powell bei. »Nein, sie können nicht umgangen werden.«

      Das glänzende Einvernehmen zwischen meinem alten Freunde und unserem neuen Bekannten war erstaunlich genug. Denn sie waren einer des anderen genaues Gegenteil, indem der eine nach Länge, der andere nach Breite strebte, was allein schon Anlaß genug für unauslöschlichen Zwist bietet. Marlow, langgliedrig, nachlässig, eine Farbenkarte der verschiedensten Abstufungen von Braun, ohne alle Lichter, hatte einen engen, verschleierten Blick, die ausgeglichene Haltung und die versteckte Reizbarkeit, die mit der Anlage zu Leberbeschwerden Hand in Hand gehen. Der andere, untersetzt, mit breiten, kräftigen Gliedern, schien angefüllt mit gesunden Organen, von deren ungestörter Zusammenarbeit die strahlende Frische seiner Farben zeugte, sein leichtgewelltes, tiefschwarzes Haar und der Glanz seiner Augen, die groß und sicher aus seinem offenen männlichen Gesicht blickten. Zwischen zwei solchen Organismen hätte man nie die mindeste Übereinstimmung zu finden erwartet. Aber ich habe beobachtet, daß weltliche Männer, die zusammen auf Schiffen leben, wie die heiligen Männer, die sich in Klöstern zusammentun, übereinstimmende Wesenszüge entwickeln. Dies muß daher kommen, daß der Seedienst wie der Tempeldienst losgelöst sind von den Eitelkeiten und Irrungen einer Welt, die keiner strengen Regel folgt. Seeleute verstehen einander gut in irdischen Dingen, denn Einfalt ist ein guter Ratgeber, und Einsamkeit kein schlechter Erzieher. Ihnen allen ist eine Sinnesart eigen, aus Unschuld und Zweifelsucht gemischt, und aus überraschendem Scharfblick für Beweggründe, wie unbeteiligten Zuschauern eines Spiels.

      Herr Powell nahm mich beiseite, um mir zu sagen:

      »Mir gefallen die Dinge, die er sagt.«

      »Sie verstehen sich recht gut«, bemerkte ich.

      »Ich kenne seine Art«, sagte Powell, indem er ans Fenster ging, um nach seinem Kutter auszublicken, der noch immer draußen auf dem Strome lag. »Er gehört zu denen, die immer einen Gedanken im Kopfe um und um wälzen, einfach weil es ihnen Spaß macht.«

      »Das erhält sie gesund«, sagte ich.

      »Lebhaft genug, jedenfalls«, gab er zu.

      »Wäre Ihnen ein Mann lieber, der seine Gedanken hübsch aufgeräumt läßt?«

      »Nein, das sicher nicht«, antwortete unser neuer Bekannter. Offensichtlich war es nicht schwer, mit ihm auszukommen. »Er gefällt mir sehr gut,« fuhr er fort, »obwohl man nicht immer weiß, wo er hinaus will. Er scheint Verschiedenes vorzuhaben. Was tut er denn?«

      Ich unterrichtete ihn, daß unser Freund Marlow sich vor einigen Jahren halb widerwillig vom Seedienst zurückgezogen habe.

      Herrn Powells Entgegnung war: »Bildete sich wohl ein, er hätte genug davon?«

      »Eingebildet ist genau das Wort für seinen Fall«, bemerkte ich, indem ich mir Marlows langen Aufenthalt bei uns zurückrief, der so krampfhaft als vorübergehend bezeichnet wurde. Ein Jahr nach dem anderen hatte er an Land zugebracht, wie ein Vogel auf dem Zweige eines Baumes ruht, so in sich gespannt von der Kraft zu raschem Abfluge in sein wahres Element, daß es unverständlich ist, warum er Minute um Minute still sitzt. Das Meer ist des Seemanns wahres Element, und Marlow war für mich mit seinem Verweilen an Land ein Gegenstand ungläubigen Mitleids, wie etwa ein Vogel, der den Glauben an die hohe Gabe des Fliegens verloren hätte.

      2

      Die Fynes und ihre Freundin

      Wir waren aufgestanden, und ich hatte mich mit Herrn Powell ans Fenster zurückgezogen, wo sich nun Marlow, ernst und bedächtig wie immer, zu uns gesellte.

      »Wie war gleich der Name?« fragte er. Herr Powell begriff erst nach einer Weile.

      »Ach, Sie meinen die Ferndale. Ein Liverpool-Schiff, Holz und Eisen.«

      » Ferndale,« wiederholte Marlow nachdenklich, » Ferndale

      »Kennen Sie sie?«

      »Unser Freund«, sagte ich, »kennt so ziemlich jedes Schiff. Scheint sich während seiner Zeit auf See recht gründlich umgetan zu haben.«

      Marlow lächelte.

      »Ich habe sie gesehen, einmal zumindest.«

      »Der feinste Kahn, der je von Stapel lief«, begeisterte sich Herr Powell. »Ohne Ausnahme.«

      »Sie sah fest und wohnlich aus,« bestätigte Marlow, »außergewöhnlich bequem, aber nicht schnell.«

      »Sie war schnell genug für jeden vernünftigen Menschen, während ich darauf war wenigstens«, knurrte Herr Powell, der uns den Rücken zugekehrt hatte.

      »Das ist jedes Schiff für einen vernünftigen Menschen«, beruhigte Marlow. »Ein Matrose ist kein Weltenbummler.«

      »Nein«, murmelte Herr Powell.

      »Zeit ist ihm Nebensache«, kam ihm Marlow entgegen.

      »Das kann man wohl sagen«, gab Powell zu. »Aber eine schnelle Überfahrt ist doch ein Stolz.«

      »Das ist wahr, aber doch mehr für den Kapitän! Übrigens, wie hieß er doch?«

      »Der Kapitän der Ferndale? Anthony, Kapitän Anthony!«

      »Jawohl, ganz richtig«, stimmte Marlow nachdenklich bei. Unser neuer Bekannter sah über die Schulter zurück.

      »Was wollen Sie damit sagen? Warum ist es so richtiger, als hätte er Brown geheißen?«

      »Er kannte ihn wahrscheinlich«, sagte ich erklärend. »Herr Marlow scheint so ziemlich jede Seele zu kennen, die jemals in einem Seemannsleib wohnte.«

      Herr Powell schien sehr empfänglich für jede Anregung, denn nun sah er wieder zum Fenster hinaus und brummte dabei:

      »Er war eine gute Seele.«

      Dies bezog sich offensichtlich auf Kapitän Anthony von der Ferndale.

      Marlow wandte sich an mich:

      »Ich habe ihn nicht gekannt, wirklich nicht. Er war eine gute Seele? Das ist doch nichts so Ungewöhnliches, oder? Und ich wußte nicht einmal das von СКАЧАТЬ