Название: So weit weg uns doch ganz nah
Автор: Eomée Wächter
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783745098518
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Dieses Geschenk zu erhalten, ist die Chance dazu, diesen Tag auszukosten, die Stimmung zu spüren, noch einmal zu erleben und dennoch zu wissen, dass ich deinen Tod nicht aufhalten kann. Zum einen ist es eine schwere Entscheidung, das Geschenk anzunehmen, doch ich habe keine andere Wahl. Lieber erlebe ich es noch einmal intensiv durch, koste jede Sekunde mit dir aus, beobachte dich, wenn du lächelst, fühle deine innere Stimmung, erfreue mich an deinem Lachen und Fröhlichsein.
Mit kleinen Freuden konnte ich dich immer überraschen, du warst so genügsam und so tieffühlend.
Da du am Abend zuvor noch mit Freunden unterwegs warst, lies ich dich ausschlafen. Genug Zeit, um das Geburtstags-Überraschungs-Brunchen vorzubereiten. Du hattest dir ein Weißwurst-Frühstück mit Brezen und Weizenbier gewünscht. Somit ging ich ans Werk, lud meine Freundin Moni mit Familie ein, die mir helfen sollten, das alles „Undercover“ zu gestalten. Sabrina, die Tochter meiner Freundin, half bei den Vorbereitungen in der Küche. Sie vermisst dich auch sehr, du hattest für sie auch immer ein „offenes Ohr und Zeit für Gespräche“.
Wir alle machten uns ans Werk. Die Holzhütte im hinteren Garten wurde im Innenbereich dekoriert, immer ein Ohr und Auge auf dein Zimmer, ob du noch schläfst. Auf der Terrasse im vorderen Garten deckte ich offiziell den Geburtstagstisch, damit du nichts bemerkst. Langsam trudelten deine Freunde ein, die sich um das Haus schlichen und sich bereits in der Hütte versteckten, es passten 8-10 Freunde in die Hütte. Die Vorbereitungen in der Küche liefen auf Hochtouren, denn es blieb nicht nur beim Weißwurst-Angebot sondern es gab noch Ham & Eggs, die du so gerne dir selbst oft gebruzelt hattest, teilweise Meisterwerke entstanden sind und du mir sogar stolz Fotos davon über whats app geschickt hattest. Leberkäs mit Ei ergänzte den Menüplan.
Deine Freunde hatten sichtlich Entscheidungsprobleme, was sie zuerst essen wollen, zuletzt waren überall Kreuze auf dem Menüplan zu sehen, was mich erfreute und zugleich Sabrina ins Schwitzen brachte. Sie hat es gerne für dich gemacht. Dein Lieblingskuchen „Eierlikörkuchen“ haben meine Freunde auch mitgebracht, worüber du dich sehr gefreut hattest. Du hast immer den Menschen das Gefühl gegeben, wichtig zu sein, ihnen Respekt entgegen gebracht und geholfen, wann immer sie Hilfe benötigten. Du wärst ein guter Psychologe geworden.
Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und ca. 10.30 Uhr kamst du vom Obergeschoss die Treppe aus deinem Zimmer herunter. Nun darf ich als Mum dir zuerst gratulieren, meine Umarmung wird intensiver ausfallen, ich werde dich auf deine Wangen küssen, dich drücken und deine Haut riechen, dein Parfüm, dich besonders betrachten, vor allem, was du heute angezogen hast. Du hast sehr viel Wert auf deine Kleidung gelegt. Deine Gangart war speziell für mich erkennbar, unter Hunderten von Menschen hätte ich dich da rausfiltern können. Sie war ganz besonders, so leicht und locker. Du würdest mich nicht überrascht fragen, warum ich dich so „abknutsche“, denn ich habe ja den Anlass dazu, deinen Geburtstag feiern zu dürfen. Deinen letzten!
Meine Freunde, deine Brüder, Robin und Fabian, dein Halbbruder, bereits im Wohnzimmer auf dich wartend, werden dir nun gratulieren, ich beobachte dich, dein Lächeln, deine Freude, deine glänzenden strahlenden hellblauen Kristallaugen. Jede Bewegung werde ich abspeichern, denn die Chance lasse ich mir nicht nehmen, noch einmal deinen 19. Geburtstag feiern zu dürfen, wohl mit einem dumpfen Gefühl im Magen, dass ich nichts verändern darf, was ich gerne akzeptiere. Als du dich in den Cocktailsessel im Wohnzimmer gesetzt hattest mit dem Rücken zum Terrassenfenster, kam locker und flocker Jan mit seinem Motorrad an. Das Geräusch kanntest du und wurdest aufmerksam, wieso Jan jetzt zu dir kommt. Um meine Überraschungsparty nicht zu gefährden, lenkten wir dich erfolgreich ab. Doch die Situation wurde brenzlig, als Jan sich Richtung Terrasse bewegte und nicht um das Haus lief, um in den hinteren Garten sich in der Blockhütte zu verstecken. Alle im Wohnzimmer Anwesende verwickelten dich in ein interessantes Gespräch, während ich heftig hinter deinem Rücken wedelnd mit Händen zu verstehen gab, dass er in die Hütte laufen soll, was Jan dann auch verstand. Puh, das ging nochmal gut.
Unter einem Vorwand schickte ich dich dann, nachdem eine SMS von Max aus der Hütte kam, dass nun alle Freunde da sind, zur Hütte. Langsam folgte ich dir, meine Freunde beobachteten dich durchs Küchenfenster, wo man die Hütte gut überblicken konnte. Du öffnetest die Türe und es kam ein lautes „Happy Birthday“
Vor Freude, dass die Überraschung mir doch gelungen war, ich es an deiner Reaktion im Gesicht wahrnehmen konnte, sprang ich in die Höhe, freute mich, ja es liefen sogar Freudentränen. Aufgrund unserer finanziellen Situation konnte ich dir nichts Großartiges schenken und mir wurde jetzt bewusst, dass dieser Geburtstagsbrunch, wenn er auch nur im kleinen Rahmen stattfand, das größte Geschenk für dich bedeutete. Mit deinen Freunden feiern, in der Hütte die Mega-Menükarte rauf und runter essen, bedient werden, lachen und reden … das war deine Welt, deine Freunde. Wie sehr hast du dich wohlgefühlt unter ihnen. Sie waren für dich so wichtig – und ich war auch immer froh, eine „volle Bude“ zu haben, es war Leben bei uns, aktives freudiges Leben ….
Gerade jetzt beim Schreiben muss ich erneut weinen, denn mir wird bewusst, dass ich immer ins Schwarze getroffen habe, was Überraschungen angingen. Freudentränen aber zugleich Trauertränen, denn ich weiß, dass ich erneut nichts verändern darf, ich darf noch einmal deinen Geburtstag erleben, dich sehen, dich bewundern. Ja, ich bewunderte deine Lebensphilosophie, dein Lebensmotto: „Das Leben genießen, Spaß haben“. Gerade blicke ich beim Schreiben auf meine PC-Uhr, es ist 5.55 Uhr frühmorgens, deine Geburtszeit.
Du hast alles geschafft, dein ABI2013, deine Fahrprüfung, alle Herausforderungen mit Leichtigkeit angenommen und ich bin mir sicher, dass deine Freunde, die du zu deiner Familie zähltest, dich dabei wesentlich unterstützt haben. Unsere private finanzielle Situation hat dich ebenso geprägt jedoch hast du immer den Ausgleich gesucht, die Freude am Leben auch mit wenig Geld zu genießen. Das hast du mir gelehrt, mein geliebter Sohn, das durfte ich von dir lernen, dafür danke ich dir ewiglich.
Ich genieße jetzt noch einmal deinen besonderen Tag, unseren letzten gemeinsamen Geburtstag, sehe euch in der Hütte sitzen, höre euch lachen, philosophieren, diskutieren. Und ich spiele die Bedienung, ohne mich einzumischen, ich lasse dich unter deinen Freunden sein.
Später habt ihr euch in den Garten vor der Blockhütte gesetzt, daraus entstanden die Bilder, die ich auf deine Gedenkseite gesetzt habe. Immer wieder sehe ich mir diese Fotos an, deine große Freude in deinen Augen widerspiegelnd. Ich darf jetzt weinen, das gehört jetzt auch dazu, ich fühle mich glücklich, so einen wunderbaren Sohn geboren zu haben, dich 19 Jahre bei mir wohnend aufwachsen zu sehen, dir immer wieder die Hand reichend, wenn du sie gebraucht hast, dir Freiheiten gegeben, die auf Vertrauen basierten. Du hattest eine wunderbare Art drauf, etwas auszudrücken, damit der Angesprochene sich verstanden fühlte. Wenn ich mal schlecht drauf war, egal welche Ursache es hatte, kamst du zu mir und fragtest: „Du siehst heute müde und traurig aus“, so hast du dich an meine Gefühle herangetastet, um herauszufinden, woran das liegen mag. Entweder hatte ich Schmerzen oder es war wieder eine Aufregung, die mit unserer finanziellen Situation zu tun hatte. Ich erklärte dir dann kurz die Gründe meines momentanen Gefühlszustandes. Somit erfuhrst du, um was es ging und konntest entsprechend handeln.
An deinem 19.Geburtstag hast du mir um 16.30 Uhr (die Uhrzeit weiß ich noch so genau, weil du schon um 16 Uhr zur Oma fahren wolltest mit deinen Brüdern und spät dran warst) folgende Worte gesagt:
„Am liebsten würde ich hier bleiben und weiterfeiern, es ist so schön“ Das war für mich das schönste Dankeschön, was ein Mutterherz aufnehmen darf. Auf diese Art und Weise haben wir uns verständigt, wir konnten wunderbar „durch die Blume“ reden und dennoch auf den Punkt kommen, woran es ankommt. Und ich sagte dann zu dir: „das freut mich so sehr, aber jetzt wartet deine Oma auf dich“
Damals hatte ich dich nicht umarmt aber jetzt kann ich es, da die Zauberfee nur die Bedingung gesetzt hat, dass ich nichts СКАЧАТЬ