Название: So weit weg uns doch ganz nah
Автор: Eomée Wächter
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783745098518
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Wie überbringt man eine Todesnachricht schonend? Gar nicht! Robin reagierte genauso wie ich am Telefon mit meinem Chef. Er lief die Treppen hoch zu Timos Zimmer – dort lag er nicht in seinem Bett. Er lief in den Keller, in Timos Partyraum – dort war er nicht. Verzweifelt versuchte Robin eine Antwort zu finden, dass Timo daheim ist, suchte alle Räume ab, vielleicht ist er gerade duschen …. Ich war froh, als ich die Stimmen von meinen Freundinnen am Telefon hörte und ich konnte nur noch sagen: „ich komme heute noch nach Hause“.
Sie übernahmen die Rolle, die ich hätte erfüllen müssen als Mutter, doch ich war nicht da für ihn. Ich fühlte mich wie ein aufgeblasener Luftballon, der gleich zerplatzen will. Was lief da ab, ein Film ein Traum, ja bitte, bitte ein Traum! Doch es war ein Alptraum.
Im Nachhinein war ich froh, dass Timo die Hausklingel nachts ausstellte, sonst hätte der KDD (Kriminaldauerdienst) Robin frühmorgens geweckt und Robin wäre allein Zuhause mit dieser Schreckensnachricht gewesen. Nach diesem Telefonat, suchte ich verzweifelt nach Gesprächspartner im Kurhaus, doch alle waren wandern. Niemand da! Nicht mal die diensthabende Schwester da bzw. greifbar, die Rezeption nicht besetzt. Ich verstand das nicht, dass man mich alleine ließ, wenn ich schon krank im Bett lag. Wo sind sie alle, mit wem kann ich reden?
Irgendwann fand man mich in der Eingangshalle liegend, erinnerlich war es jemand vom Küchenpersonal. Vieles habe ich vergessen, verdrängt. Es waren dann zwei Frauen bei mir, die mich beruhigen wollten, hielten mich fest, weil ich wieder loslaufen wollte, nach Hause … einfach nur nach Hause zu meinen Kindern!
Irgendwann kam die Haus-Psychologin, Seelsorger, Arzt und die Polizei in mein Kurzimmer, man hat mich dorthin gebracht, wie? Weiß ich nicht mehr. Eine junge Beamtin (Kollegin) fragte mich: „wie geht es Ihnen?“ Die Fensterscheiben in meinem Zimmer hielten den Fausthieb stand. „Wie soll es mir denn gehen, wenn ich gerade erfahre, dass mein Sohn getötet wurde?“ entgegnete ich ihr schreiend. Sie verschwand sehr schnell aus dem Zimmer.
Irgendwann waren meine Sachen gepackt und ich wartete auf den Krankenwagen, der mich nach Hause bringen sollte. Selber durfte ich nicht mehr fahren, wäre auch dazu nicht mehr im Stande gewesen. Zwei Begleiter im Krankenwagen, der jüngere davon, so alt wie Timo, hatte eine Art an sich, die mich beruhigte und mich auch an Timo erinnerte. Er hörte mir zu, soweit er mein Gestammel noch verstehen konnte, er reichte mir endlos Taschentücher. Mein Handy-Akku wurde leer, somit musste ich entscheiden, wen ich noch verständigen soll. Ich saß ja über fünf Stunden im Auto. Freunde, Timos und Robins Halbbruder, ihren Vater … dazu reichte der Akku noch.
Ich saß im Krankenwagen und immer wieder versuchte ich mir vorzustellen, wie Timo auf die Zuggleise kam? Ich wusste weder den genauen Ort, noch die Zeit, noch die Ursache. Ich bombardierte den jungen Mann, er hieß Peter, (Sanitäter) mit meinen vielen Fragen, versuchte mir einzureden, dass es Timo gar nicht sein kann und hoffte zugleich, dass der junge Mann mir das bestätigte, doch er blieb ruhig und lenkte mich ab mit anderen Themen. Ein junger Sanitäter, ca. 22 Jahre alt, schon so erfahren und voller Verständnis. Da hätte auch Timo sitzen können, denn er war genauso zurückhaltend, gefühlvoll, immer ein Ohr haben, immer für alle da, voller Fröhlichkeit und Vertrauen, dass alles gut wird. Und nun sollst du tot sein? Mein Timo doch nicht, so verantwortungsbewusst, vorausschauend, zielstrebig, niemals!
Zuhause angekommen, erwarteten mich bereits Robin, meine Freundinnen, Fabian (Halbbruder) und mein Ex-Mann. Der KDD-Beamter setzte sich zu uns und legte die verbogenen Schlüssel, das zertrümmerte Handy und den fast unbeschädigten Geldbeutel von Timo wortlos auf den Tisch. Das war der Zeitpunkt, wo ich registrierte, dass du Timo tot bist, nie mehr wieder die Haustüre aufschließen und sagen wirst „Hallo Mum“.
Diese Situation hat sich bei mir eingebrannt, denn bis dahin hoffte ich immer noch, dass es ein anderer Junge ist. Doch dann wäre eine andere Mutter geschockt und traurig. Dieser Tag X, der 3.11.13 lief ab, als wäre ich Zuschauer in einem Kino, da vorne läuft ein Film, den ich mir ungewollt anschauen muss. Doch der war schlecht und grausam. Das Kino zu verlassen, war nicht möglich, denn ich war ein Teil davon, von diesem Film. Die vielen Herzattacken, die ich an diesem Abend hatte, nennt man in der Psychologie „Heart-Attacks“ und sind real. An diesem Tag bin ich auch gestorben, sehr oft … immer und immer wieder … und doch lebe ich noch – irgendwie.
Ich bezahle noch heute die monatliche Handyrechnung für dein Handy und schicke dir Timo meine Sorgen, Sehnsüchte und Schmerzen über den Äther. Irgendwie hilft es mir dabei, aufkommende Gefühlsschwankungen darin zu verpacken.
Am 3.11.13 schickte ich noch vom Kurzimmer aus um 7.38 Uhr frühmorgens per Whats app an Timo ein Bild, worauf ein großer Wecker zu erkennen ist, der neben einem Bett steht. Im Bett liegend und schlafend ein Junge und der Wecker versucht gerade, diesen mit lauten Gedönse aufzuwecken.
Ich schrieb darunter:
„Guten Morgen Timo, aufstehen! Ach, bleib ruhig liegen, es regnet gerade sowieso überall“
Um diese Uhrzeit fand man dich auf den Gleisen! Du konntest nicht mehr aufstehen.
www.Zauberfee
Was Wäre Wenn ich noch einmal die Chance bekäme, das Zeitrad zurückzudrehen mit der Bedingung, dass ich nicht versuchen darf, den Schicksalstag, deinen Todestag zu verändern, ihn verhindern zu versuchen geschweige mit dir oder anderen darüber zu reden.
Was Wäre Wenn eine Zauberfee mir diesen Vorschlag machen würde, mir einen Tag aussuchen zu dürfen, um noch einmal dir ganz nah zu sein, dich zu umarmen, mit dir zu reden, dich zu spüren, dein Lächeln und deine Stimme mir nochmals tief einprägend.
Ja, ja, ja, ich würde diese Chance wahrnehmen und deinen letzten Geburtstag, deinen 19ten Geburtstag auswählen, den du am 8.9.2013 Zuhause gefeiert hast. Hier bekäme ich die Chance, dich nochmal fest zu drücken, immer wieder dir auf die Wangen zu küssen, ohne das du hinterfragen würdest, warum ich das tue, denn am Geburtstag darf Mum das ja unendlich – küssen. Somit hätte ich schon mal diesen Wunsch erfüllt bekommen, bei der Umarmung dein Parfüm zu riechen, deine weiche Haut zu spüren, dir durch deine Haare zu streicheln.
Dein 19. Geburtstag war für dich unbedeutend, keine interessante Zahl, meintest du, für mich schon, denn ich sagte zu dir: „vielleicht ist es unser gemeinsamer letzter Geburtstag, den wir feiern“, nichtsahnend, dass es am 3.11.13 sich so zeigen wird. Der Satz hatte aber einen anderen Hintergrund. Du hattest deinen Neuseelandaufenthalt mit Work and Travel für 1,5 Jahre geplant, die Reise gebucht und warst bereits „mit Leib und Seele“ schon dort, hast deinen Freunden mit großer Freude auf deine bevorstehende Reise teilhaben lassen. Auch hattest du mir gesagt, dass es reichen würde, wenn ich dann eine Drei-Zimmer-Wohnung anmiete, denn du kämst nicht mehr zu mir zurück, um bei mir zu wohnen, was sich auch am 3.11.13 definitiv zeigte. Entweder du bleibst dort und studierst oder du kommst zurück, wirst aber evtl. woanders dein Studium fortsetzen, an einem anderen Ort, so war dein Gedanke.
Im Nachhinein bekommen gesprochene Sätze eine wesentlich andere Bedeutung, wenn man deinen Tag X mit einbezieht. Teilweise erschütterte diese Erkenntnis mich sehr.
Da am gleichen Tag deine Oma 80 Jahre alt wurde, hatte ich das natürlich mit in meine Überraschungsfeier für dich eingeplant. Ich wusste, du würdest nachmittags mit deinen Brüdern zur Feier dorthin СКАЧАТЬ