Название: Faszination Ladyboy
Автор: Fred Suban
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844293906
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„Das ist ein Transvestit“, meinte mein Begleiter. „Weißt du, was das ist?“
Wie sollte ich das wissen? Denn Aufklärung war damals nicht üblich, und über solche Sachen redete man schon gar nicht. So schüttelte ich nur den Kopf und meinte wahrheitsgetreu, ich hätte noch nie so etwas gehört. Aber er könne mir doch sicher erklären, was so ein Transvestit sei. Natürlich wusste er das auch nicht so genau, vor allem kannte er keinen Unterschied zwischen Transvestiten und Transsexualität.
Das alles ging mir nicht mehr aus dem Kopf; vor allem, als mich Chipsy ermunterte, wieder einmal zu kommen. Ich solle am Abend kurz vor acht Uhr kommen, da seien die meisten Gäste weg, weil sie das Lokal um acht Uhr schließen würde, und wir könnten dann ungestört miteinander reden.
Und ob ich wollte! Ich sparte mein Geld vom Lehrlingslohn, wo ich nur konnte, um möglichst bald wieder bei ihr zu sein. Ich fühlte mich wie im Märchenland.
„Hallo!“, begrüßte sie mich herzlich und fügte etwas vorwurfsvoll an: „Du hast aber lange gebraucht, bis du zu mir gefunden hast!“
„Ich wäre gerne früher gekommen, aber ich musste zuerst das Geld für den Kaffee zusammensparen.“
„Kleiner Dummkopf, ich hätte dich doch eingeladen! Ich habe dich nämlich heimlich beobachtet, und deine Unsicherheit ist mir nicht entgangen. Da habe ich den Entschluss gefasst, mit dir zu sprechen, bevor man dir Unsinn über mich erzählen würde. Willst du meine Geschichte hören und mich kennenlernen?“
Natürlich wollte ich! „Aber lach mich bitte nicht aus wegen meiner Unwissenheit!“
„Da brauchst du keine Angst zu haben. Du bist schüchtern, und genau das gefällt mir an dir. Ich möchte, dass du die Wahrheit über mich erfährst. Es werden nämlich genug Unwahrheiten und sonstige Geschichten über mich erzählt.“ Dabei legte sie eine Hand auf meinen Unterarm auf der Theke.
„Also“, begann sie das Gespräch, „ich bin transsexuell veranlagt. Ich bin eine Frau in einem männlichen Körper, wenigstens, was das männliche Geschlechtsteil betrifft. Ich habe einen Penis wie du, aber mein ganzes Fühlen ist das einer Frau. Innerlich bin ich eine Frau. Ich weiß, du kannst das noch nicht verstehen, aber ich bin nicht die Einzige auf dieser Welt mit dieser Veranlagung. Bereits im Vorschulalter“, fuhr sie fort, „merkte ich, dass ich lieber mit Mädchen spielen würde als mit Buben. Das änderte sich auch nicht, als ich zur Schule ging. Ich fühlte einfach, dass ich ein Mädchen war, und trotzdem musste ich mich wie ein Bube kleiden, wie ein Bube leben. Später bemerkten meine Mitschüler, dass das Äußerliche immer mehr dem eines Mädchens glich. Ich wurde gehänselt und ausgelacht. Niemand hat mir geholfen, nicht einmal meine Eltern. Ich sei krank im Kopf, wurde ich belehrt. Es war ein Leben wie in der Hölle. Ich dachte nur: ‚Warum kann mich denn niemand verstehen?‘, und manchmal war ich nahe daran, meinem Leben ein Ende zu setzen. Nach der Schule ging ich dann nach Zürich. Dort passte ich mein Outfit meinem wahren Wesen an. Da lernte ich auch andere mit der gleichen Veranlagung und den gleichen Problemen kennen. Wir alle haben keine Chance auf eine Berufsausbildung oder auf einen anständigen Job. Darum arbeite ich hier und muss mich von den Gästen begaffen lassen und mir auch manchmal blöde Sprüche anhören.
Andere wiederum sind gezwungen, im Rotlicht-Milieu zu arbeiten, aber ich mache hier das Beste daraus und spare Geld für eine Geschlechtsoperation. Das kostet sehr viel Geld, und ich muss dazu ins Ausland, weil in der Schweiz keine solchen Operationen vorgenommen werden.“
„Arme Chipsy“, dachte ich und sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Was hatte sie doch alles durchgemacht, und welche Ungewissheit stand ihr noch bevor! Ich spürte ihren inneren Schmerz, und ein tiefes Mitgefühl durchströmte meinen ganzen Körper Sie hatte mir mit ihrer Geschichte eine völlig unbekannte Welt eröffnet, eine Welt, von der ich bis anhin keine Ahnung hatte und die mich weit darüber hinaus ein Leben lang begleiten sollte. Zum Abschied drückte sie mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn mit der Ermahnung, mich niemals zu Vorurteilen hinreißen zu lassen.
Das war das letzte Mal, dass ich Chipsy gesehen habe. Als ich sie nämlich wieder einmal besuchen wollte, musste ich vernehmen, dass sie ins Ausland abgereist sei. Ich nehme an, dass die angestrebte Operation der Grund dazu war. Viele Jahre später hörte ich einmal, dass sie nach der Operation gestorben sei. Das einzige Andenken an sie ist ihr Konterfei, das noch heute die Packung einer bekannten Zigarettenmarke ziert.
Mara
Es war an einem schönen Frühlingstag: Ich war soeben von einem längeren Auslandaufenthalt zurückgekommen und genehmigte mir mit ein paar Freunden zusammen in unserer Stammkneipe ein Willkommensbier, als sich plötzlich eine Dame mit einem riesigen Blumenstrauß zur Türe hereinzwängte.
„Hallo, Mara!“, hörte ich meine Freunde. „Komm und setz dich zu uns!“
„Ich habe keine Zeit und wollte nur hereinschauen, ob vielleicht jemand da ist, der mich nach Hause bringt. Der Bus zu meinem Dorf ist mir vor der Nase weggefahren, und natürlich war es der letzte für heute.“ Damals fuhren in ländlichen Gegenden die letzten öffentlichen Busse bis ungefähr 19.00 Uhr.
Großes Schweigen herrschte in der Runde, und so bot ich bereitwillig meine Hilfe an.
„Weißt du nicht, dass sie ein Transvestit ist?“, raunte mir mein Tischnachbar zu.
„Nein, ich kenne sie nicht, aber deswegen kann ich sie trotzdem nach Hause bringen, oder?“
Natürlich nahm Mara mein Angebot dankend an wie auch die Einladung, zum Kennenlernen zuerst noch etwas zu trinken.
„Wie ich gehört habe, sollst du eine Transsexuelle sein“, eröffnete ich das Gespräch während der Fahrt, „du brauchst dir aber deswegen keine Gedanken zu machen.“
„Ja, das stimmt. Deswegen wollte mich niemand nach Hause bringen. Die haben alle Angst, sich mit mir in der Öffentlichkeit zu zeigen. Warum tust du das? Ich bin so froh, denn für ein Taxi hätte ich kein Geld gehabt. Ich habe dich noch nie gesehen, wohnst du nicht hier?“
„Ich bin vor ein paar Jahren hierhergezogen, aber ich bin meist für längere Zeit auswärts auf Montage. Wahrscheinlich sind wir uns deshalb noch nie begegnet. Heute bin ich soeben vom Ausland zurückgekommen. Was die Meinung der Leute anbetrifft, so mache ich mir wenig daraus. Was die über mich denken oder reden, ist mir so ziemlich egal.“
„Auch ich bin meist auswärts. Die Leute hier kennen mich seit meiner Jugend, weil ich ja hier in der Gegend aufgewachsen bin. Heute bin ich gekommen, weil ich meine Mutter wieder einmal besuchen möchte.“
„Aha, also deswegen der Blumenstrauß.“
„Ja, den habe ich ihr zum Muttertag gekauft.“
„Also du bist eine Transsexuelle“, nahm ich den Faden wieder auf. „Übrigens du bist sehr hübsch, und wer dich nicht kennt, würde niemals auf deine wahre Identität schließen. Wie bereits gesagt, habe ich keine Probleme mit Transsexualität“, und dann erzählte ich ihr die ganze Geschichte von Chipsy. Seit damals waren immerhin rund 20 Jahre vergangen, doch die Erinnerung war noch so gegenwärtig, als ob sich alles erst kürzlich zugetragen hätte.
„Ich weiß also Bescheid, СКАЧАТЬ