Название: Der fahle Ritter
Автор: Paul Tobias Dahlmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738040326
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So galoppierten sie über etliche Stunden zügig den Bergrücken empor. Hier zeigte sich der Vorteil ihrer Stahlrösser, denn diese konnten nicht ermüden während des langen Rittes. Dennoch hatten beide Ritter das Gefühl, in all der Zeit vielleicht nicht schnell genug weiterkommen zu können, denn ihr Weg hatte zahlreiche Serpentinen und Biegungen. Der Grat der Bergkette rückte nur langsam näher.
Derart gebremst erreichten sie am frühen Nachmittag die Baumgrenze. Etwas später, in übersichtlicherem Gelände, entschlossen sie sich, wieder eine Rast einzulegen.
Erschöpft ließ sich Sejarl von seinem Pferd gleiten und seinen Blick über die im Nebel liegenden, tieferen Berghänge schweifen. Wirklich weit konnte er nicht sehen, doch über Eines konnte er sich freuen: Der Regen, der sie zuletzt ständig begleitet hatte, war fast vollständig verschwunden. An seine Stelle war nun ein stetiger, steifer Höhenwind getreten.
Der scharfe Ritt hatte sie erschöpft, und sie brauchten eine Pause. Fröstelnd blickte Sejarl sich darum in seiner näheren Umgebung um, doch Ihlsteg war schneller.
„Da vorne!“, sagte er und deutete mit dem Finger auf eine Felsnische, die sich unweit ihres Weges in die Bergflanke hineinschmiegte. Unsicher staksten die Beiden mit ihren Pferden am Zügel über ein Stück flachen Geröllhanges zu den ineinander verkeilten Felsquadern hinüber. Als sie näher kamen, bemerkten sie, dass sich hier zwei größere Gesteinsplatten aneinander lehnten. So bildeten sie eine schmale, spaltförmige Höhle. Dem Zufall dankbar, führten sie ihre Pferde in den geschlossenen, hinteren Teil der Höhle und ließen sich selbst am Eingang nieder, wo sie ein kleines Feuer entzündeten. Die trockenen Ranken, die sie verbrannten, rochen nun nach Rosen.
Nachdenklich blickte Sejarl über die Landschaft, die sich hinter dem Eingang ausbreitete. Er meinte: „Der Weg hat sich nicht weiter verschmälert und er scheint tatsächlich bis mindestens bis zum Höhenrücken hinauf zu gehen. Hoffen wir, dass wir auf der anderen Seite auch vernünftig wieder herunterkommen.“
Ihlsteg wiegte skeptisch den Kopf. „Meinst du wirklich, dass das unsere Hauptsorge ist? Noch haben wir vielleicht das Gebiet der Bergmenschen nicht verlassen. Wir sollten vorsichtig sein.“
„Was meinst du?“
„Ich meine, wir sollten hier nicht zu lange lagern und am besten noch vor Sonnenuntergang weiterreiten.“
„Wir sollten also dieses Gebiet schnell hinter uns lassen?“, fragte Sejarl erschöpft.
„Ja. Darauf bestehe ich, weil ich unsere Reise nicht unnötigen Gefahren aussetzen möchte. Trotzdem brauchen wir aber diese Rast hier.“
Stumm saßen die Freunde eine Zeitlang beieinander. So verstrich eine gute Weile, und die Kraft kehrte zurück in ihre verspannten Muskeln. Dann streckte sich Sejarl und sagte, sie könnten nun weiterreiten. Die Ritter löschten das Feuer, verstauten ihr Gepäck neu und machten sich daran, den Höhlenspalt wieder zu verlassen.
In dem Augenblick, als sie den ersten Schritt vor jene Öffnung machen wollten, scheute Ihlstegs Pferd. Es trat eine Reihe kleiner Steine los, welche in einer leisen Kaskade den Berghang hinabkullerten. Alarmiert schauten die Freunde sich an.
„Was kann es nur so erschreckt haben?“, fragte Ihlsteg erstaunt.
„Ich weiß nicht. Lass uns lieber vorsichtig sein.“
Mit gezogenem Schwert wagte Sejarl den Blick aus der Eingang heraus.
„Verdammt“, flüsterte er und fügte dann in verständlicherer Lautstärke hinzu: „Da draußen sind mindestens ein Dutzend von diesen Bergmenschen. Sie starren in unsere Richtung herüber und haben jeweils einen großen, schweren Stock und einen oder mehrere Wurfsteine dabei.“
„So was Dämliches. Was machen wir jetzt? Aufsitzen und durchbrechen?“
„Nein, vergiss das. Wir sind eingeschlossen und haben zu Pferde keinen Platz zum Ausweichen. Ich fürchte, wir werden wohl länger kämpfen müssen.“ Sejarl machte kein glückliches Gesicht bei diesen Worten, doch auch ein gewisser Trotz sprach aus ihnen.
Bei der körperlichen Größe ihrer Gegner entschieden sich die Ritter dafür, nicht mit den Schwertern, sondern mit den Morgensternen zu kämpfen, den Schild in der Linken. Langsam, und respektvoll um sich schauend, verließen sie die Höhle. Sie hielten, so gut dies auf dem abschüssigen Hang ging, nebeneinander zu auf die Gruppe der primitiven Wesen, die auf dem Bergpfad auf sie wartete.
Beinahe wäre Sejarl zurückgeschreckt, als der erste Stein auf ihn zuflog. Ein einfaches Parademanöver mit dem Schild konnte das Wurfgeschoß gut abwehren, ohne dass es dem Ritter größeres Können abverlangt hätte. Weitere Steine folgten, und so kam es Sejarl zunächst so vor, dass sich dieses Aufeinandertreffen mit dem Bergvolk nicht sehr von ihrem ersten unterschied.
Dann aber, nachdem sie alle ihre Steine geworfen hatten, und auch keine weiteren mehr in ihrer direkten Reichweite fanden, liefen die Wilden aufgeregt durcheinander. Sie grunzten sich gegenseitig Worte in ihrer abgehackten Sprache zu, von der die Ritter nur wenig verstanden. Schließlich entschlossen sich die Bergmenschen, alle zusammen in einem großen Pulk auf die ausgebildeten Krieger loszustürmen.
Sejarl und Ihlsteg unterdessen verfestigten ihren Stand und begannen damit, die Köpfe ihrer Morgensterne in weiten Bögen schwingen zu lassen.
Wären die Bergmenschen organisierter gewesen, oder hätten sie zumindest das Gelände besser ausgenutzt, so wären sie trotz fehlender Rüstungen und schlechterer Taktik im Vorteil gewesen. Als jedoch die ersten von ihnen am Ende ihres Ansturmes von den harten Eisenstacheln getroffen wurden und Blut floss, da heulten sie auf. Ebenso erstaunt wie verletzt suchten sie, Einer nach dem Anderen, ihr Heil in der Flucht.
Zurück ließen sie lediglich einen einzelnen der ihren. Es war großen haariger Klotz, der allzu forsch gewesen war. Sein zerschmetterter Schädel und seine gebrochene Augen starrten blicklos seinen Kameraden nach.
Schwer atmend und sich fortwährend unsicher umsehend holten Sejarl und Ihlsteg ihre Pferde und führten sie zum Weg zurück.
„Das ist ja grade noch einmal gut gegangen“, sagte Sejarl mit schwankender Stimme.
Der Kampf war in Windeseile verlaufen. Die Ritter hatten feste um sich gedroschen, während ihnen selbst ihre Kämpferdisziplin gestattet hatte, die Knüffe und Schläge durch die Treffer der massiven Holzstäbe wegzustecken. Mehr als ein paar blaue Flecken hatten sie unter ihren Rüstungen nicht davongetragen, und die Bergbewohner hielten sich nun in sicherer Entfernung, wenn auch nicht ganz außer Sicht- und Hörweite. Gelegentlich vernahmen die Ritter noch einen wuterfüllten Schrei aus der einen oder anderen Richtung.
„Wir sollten uns beeilen, weiterzukommen“, versetzte Ihlsteg.
Hastig bestiegen die Kämpfer ihre Stahlrösser und lenkten sie weiter die Bergflanke hinan. Zwar war auch der Nachmittag mittlerweile schon deutlich vorangeschritten, doch für eine Weile würden sie noch Licht haben. Bis zum Höhenrücken war es nicht mehr allzu weit.
Im Trab ritten sie ihre Pferde daher weiter den Berg hinauf, darauf bedacht, die Bergbewohner so weit es ging hinter sich zu lassen. Beiden war mehr als unwohl bei dem Gedanken, sich des Nachts auf fremden Grund dem Angriff primitiver, fremder Wesen stellen zu müssen.
Als sie den Grat erreicht hatten, hatte es schon zu dämmern begonnen, und die Schatten der Felsnadeln um sie herum wurden mit der Zeit lang und länger. СКАЧАТЬ