Название: Winnetou Band 2
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742772039
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das wisse niemand. Der Sohn des Bankiers hatte eine bedeutende Barsumme mitgenommen, und heute
war von einem befreundeten Bankhause in Cincinnati die telegraphische Meldung eingelaufen, daß
William dort fünftausend Dollars erhoben habe und dann nach Louisville weiter gereist sei, um sich von
dort seine Braut zu holen. Das letztere war natürlich Lüge.
Es war alle Ursache vorhanden, anzunehmen, daß der Arzt seinen Patienten entführt habe, um sich in den
Besitz großer Summen zu setzen. William war den hervorragendsten Geldmännern seiner Branche
persönlich bekannt und konnte von ihnen erhalten, so viel ihm nur beliebte. Infolgedessen galt es, sich
des Verführers zu bemächtigen und den Kranken nach Hause zu bringen. Die Lösung dieser Aufgabe
wurde mir anvertraut. Ich erhielt die nötigen Vollmachten und Anweisungen, auch eine Photographie von
William Ohlert, und dampfte zunächst nach Cincinnati ab. Da Gibson mich kannte, so nahm ich auch
diejenigen Requisiten mit, deren ich bedurfte, wenn ich in die Lage kommen sollte, mich durch
Verkleidung unkenntlich zu machen.
In Cincinnati suchte ich den betreffenden Bankier auf und erfuhr von ihm, daß Gibson sich wirklich bei
William Ohlert befunden habe. Von da ging es nach Louisville, wo ich in Erfahrung brachte, daß die
beiden sich Billetts nach St. Louis genommen hatten. Natürlich reiste ich nach, fand aber erst nach
längerem und angestrengtem Suchen ihre Spur. Hierbei war mir mein alter Mr. Henry behilflich; denn es
versteht sich ganz von selbst, daß ich ihn sofort aufsuchte. Er war nicht wenig erstaunt, mich als
Detektive zu sehen, bedauerte den Verlust, den ich durch den Schiffbruch erlitten hatte, auf das
lebhafteste und nahm mir, als wir uns trennten, das Versprechen ab, nach Lösung meiner jetzigen
Aufgabe meine Stellung aufzugeben und nach dem wilden Westen zu gehen. Ich sollte dort sein neu
erfundenes Repetiergewehr probieren, und den Bärentöter wollte er mir auch aufheben.
Ohlert und Gibson waren auf einem Mississippidampfer nach New Orleans gefahren, wohin ich ihnen
folgen mußte. Ohlert sen. hatte mir ein Verzeichnis derjenigen Geschäftshäuser gegeben, mit denen er in
Verbindung stand. In Louisville und St. Louis war ich zu den Betreffenden gegangen und hatte erfahren,
daß William bei ihnen gewesen sei und Geld erhoben habe. Dasselbe hatte er auch in New Orleans bei
zwei Geschäftsfreunden getan; die übrigen warnte ich und bat sie, sofort zu mir zu schicken, falls er noch
kommen werde.
Das war alles, was ich erfahren hatte, und nun stak ich mitten in der Brandung der Menschenwogen,
welche die Straßen von New Orleans durchfluten. Wie sich ganz von selbst versteht, hatte ich mich an die
Polizei gewendet und konnte nun weiter nichts tun, als abwarten, welchen Erfolg die Hilfe dieser Leute
haben werde. Um nicht ganz untätig zu bleiben, trieb ich mich suchend in dem Gewühl herum. Vielleicht
kam mir ein günstiger Zufall zu statten.
New Orleans hat einen ganz entschieden südlichen Charakter, besonders in seinen älteren Teilen. Da gibt
es schmutzige, enge Straßen mit Häusern, die mit Laubenvorbauten und Balkons versehen sind. Dorthin
zieht sich dasjenige Leben zurück, welches das Licht des Tages zu scheuen hat. Da sind alle möglichen
Gesichtsfarben vom krankhaften gelblichen Weiß bis zum tiefsten Negerschwarz vertreten.
Leierkastenmänner, ambulante Sänger und Gitarrespieler produzieren ihre ohrenzerreißenden Leistungen.
Männer schreien, Frauen kreischen; hier zerrt ein zorniger Matrose einen scheltenden Chinesen am Zopfe
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hinter sich her; dort balgen sich zwei Neger, von einem Kreise lachender Zuschauer umgeben. An jener
Ecke prallen zwei Packträger zusammen, werfen sofort ihre Lasten ab und schlagen wütend aufeinander
los. Ein dritter kommt dazu, will Frieden stiften und bekommt nun von beiden die Hiebe, welche
ursprünglich nicht für ihn bestimmt waren.
Einen bessern Eindruck machen die vielen kleinen Vorstädtchen, welche aus netten Landhäusern
bestehen, die sämtlich von sauberen Gärten umfriedet sind, in denen Rosen, Stechpalmen, Oleander,
Birnen, Feigen, Pfirsiche, Orangen und Zitronen wachsen. Dort findet der Bewohner die ersehnte Ruhe
und Beschaulichkeit, nachdem ihn der Lärm der Stadt umtobt hat.
Am Hafen geht es natürlich am regsten zu. Da wimmelt es förmlich von Schiffen und Fahrzeugen aller
Arten und Größen. Da hegen riesige Wollballen und Fässer aufgestapelt, zwischen denen sich Hunderte
von Arbeitern bewegen. Man könnte sich auf einen der Baumwollenmärkte Ostindiens versetzt denken.
So wanderte ich durch die Stadt und hielt die Augen offen - vergeblich. Es war Mittag und sehr heiß
geworden. Ich befand mich in der schönen, breiten Common-Street, als mir das Firmenschild einer
deutschen Bierstube in die Augen fiel. Ein Schluck Pilsener in dieser Hitze konnte nichts schaden. Ich
ging hinein.
Welcher Beliebtheit sich schon damals dieses Bier erfreute, konnte ich aus der Menge der Gäste ersehen,
welche in dem Lokale saßen. Erst nach langem Suchen sah ich einen leeren Stuhl, ganz hinten in der
Ecke. Es stand da ein kleines Tischchen mit nur zwei Sitzplätzen, deren einen ein Mann eingenommen
hatte, dessen Äußeres wohl geeignet gewesen war, die Besucher von der Benutzung des zweiten Platzes
abzuschrecken. Ich ging nichtsdestoweniger hin und bat um die Erlaubnis, mein Bier bei ihm trinken zu
dürfen.
Über sein Gesicht ging ein fast mitleidiges Lächeln. Er musterte mich mit prüfendem, beinahe
verächtlichem Blicke und fragte: