Название: Weil Inga aus dem Kirschbaum fiel
Автор: Iris Weitkamp
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738055764
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„Womit bewiesen wäre, dass er mehr vom Islam versteht, als er ahnt. Und dass er sich wirklich Gedanken um dich macht.“
„Ja ... Ich habe das Gefühl, man kann mit ihm über alles sprechen. Magnus ist so ... offen. Alles interessiert ihn, und dabei ist er ganz unvoreingenommen.“ Sabe geriet ins Schwärmen.
„Wie sieht er denn aus? Hast du ein Foto?“
„Leider nicht. Er wirkt auf den ersten Blick wie ein Rausschmeißer, groß und muskulös und kahlrasiert. Dabei ist er ein ganz Lieber ...“
Unwillkürlich musste Inga einen Seufzer unterdrücken. Sabe sollte nicht glauben, dass sie neidisch war. Aber natürlich erriet die Freundin Ingas Gedanken.
„Gibt es bei dir Fortschritte an der Herzensfront?“
„Nicht viele. Wenn überhaupt, dann in Millimetern. Er hat angefangen mich zu duzen, und darüber bin ich echt froh. Es fühlte sich irgendwie komisch an, den Mann den man liebt mit ‚Sie’ anzusprechen. Ich spüre einfach, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Aber falls da bei ihm etwas ist, lässt er es nicht zu. Du brauchst mir nicht zu sagen, dass er gebunden ist und seine Prinzipien hat und dass ich mir jemand anderen suchen soll. Das sage ich mir selbst jeden Tag dreißigmal. Außerdem ist er zwölf Jahre älter als ich und eigentlich gar nicht mein Typ. Aber ich brauche ihn nur anzusehen oder seine Stimme zu hören ... er ist der wunderbarste Mensch, den ich kenne.“
„Die große Liebe, hm?“ Sabijes Stimme war ohne Spott, voller Mitgefühl.
„Ach Sabe, ich war noch nie so verliebt. Ich meine - es gab diese kichernde, aufgeregte Jungmädchenverliebtheit, die eine oder andere Schwärmerei. Dann wurde es irgendwie härter. Prinzen, die sich als Frösche erwiesen. Aber das hier ... Als ich ihn das allererste Mal sah, wusste ich genau: Das ist er, der Mann meines Lebens.“
„Du kanntest ihn doch überhaupt nicht.“
„Irgendwie schon. Da war sofort so ein Gefühl ... Ich bin mir bei ihm ganz sicher. Wenn Michael mich an dem Tag gefragt hätte, ob ich ihn heiraten will, hätte ich ohne zu zögern ja gesagt.“
„Ihn heiraten! Einen Mann, den du noch nie zuvor gesehen hattest!“ Das musste Sabije erst einmal verdauen.
Zum Glück wurden in diesem Moment die Antipasti serviert. Die Freundinnen schoben einander Probierhäppchen auf die Teller. Mit der Routine einer langjährigen Beziehung pickte eine die schwarzen Oliven auf, die andere alle getrockneten Tomaten. Sonnenstrahlen streichelten ihre Gesichter. In einem kräftig pinkfarbenen Rosenbusch summten Bienen.
Ob Michael auch eine Schwäche für Blüten in Pinktönen und italienisches Essen hatte? Inga stellte sich vor, mit ihm an einem Tisch in der Sonne zu sitzen und Wein zu trinken. Sie bemerkte Sabijes teilnahmsvollen Blick erst, als diese sie ansprach.
„Meine arme Immeli. Dein Herz hat es wohl mitten drin erwischt.“
Auch Jörg hatte mit einem gewissen Mitleid in der Stimme Bemerkungen über ihre ‚unglückliche Verliebtheit’ fallen lassen. Irritiert überlegte Inga, was sich daran so verkehrt anfühlte. Der Gedanke an Michael machte sie nicht traurig, sondern froh. Meistens jedenfalls. „Ich schätze, ‚unglücklich verliebt’ bin ich einfach nicht. ‚Unerwidert verliebt’ trifft es irgendwie besser“, sagte sie. „Im Grunde ist es doch schön, überhaupt lieben zu können. Festzustellen, dass es einen Menschen gibt, der diese überwältigenden Gefühle in einem auslöst ... Wenn ich Michael sehe oder nur an ihn denke, bin ich nicht immer nur traurig und frustriert, das manchmal auch, klar, aber vor allem macht es mich glücklich. Ich bin glücklich, dass es ihn gibt.“ Wie sollte sie es erklären? Inga fielen die Stunden nach ihrer ersten Begegnung mit Michael ein. „Erinnerst du dich an den Abend, als ich dich anrief und dir von meinem Entschluss zu kündigen erzählte?“
„Aber ja. Du warst an der Elbe, und ich fühlte mich sehr in Versuchung, dich aufzuspüren und dich zu dem zu bringen, was ich als vernünftig ansah.“
„An dem Abend war einfach alles perfekt: Die friedliche Landschaft, der Sonnenuntergang ... Und ich sah einen Fischadler ganz aus der Nähe, ich konnte sein Gefieder erkennen ...“ Inga lächelte bei der Erinnerung.
Sabije lächelte ebenfalls. „Du Glückspilz. Das muss überwältigend gewesen sein.“
„Ja. Und das meine ich: Der Fluss gehört mir nicht, die Felder und die Sonne und der Adler erst recht nicht. Nichts davon ist meins, aber es erfüllt mich mit einem solchen Glück, dass ich platzen könnte.“ Inga beugte sich über den Tisch und sah ihrer Freundin in die Augen. „Verstehst du, Sabe? Michael gehört mir ebensowenig wie der Adler über der Elbe, aber er macht mich glücklich.“
„Einfach damit, dass er existiert“, sagte Sabije langsam und nachdenklich. „Ich glaube ich verstehe, was du meinst. Ein schönes Bild.“
Inga trank von ihrem Wein und blinzelte in den blauen Himmel. „Klar wäre es mir lieber, wir kämen zusammen. Mit ihm könnte ich mir das gut vorstellen ... Ich möchte ein Kind von ihm.“
Jetzt war es heraus. Inga atmete tief durch. Ja, sie wünschte sich Kinder. Von Michael. Allerdings hatte sie nicht den blassesten Schimmer, wie sie das anstellen sollte. Machte der auserwählte Kindsvater doch nicht einmal Anstalten, sie zu küssen.
Inga saß im de Vries`schen Büro am Schreibtisch und erwartete jeden Moment einen Rückruf aus Rotterdam. Um sich die Zeit zu vertreiben, durchstöberte sie das Internet nach Michael Levin. Das hätte sie längst tun können. Leider fand sie außer seiner Praxis rein gar nichts. Nicht einmal ein Foto, das sie sich hätte ausdrucken können. Entweder war er zu altmodisch, um sich mit dem Internet zu beschäftigen, oder er hielt sich mit der Veröffentlichung persönlicher Daten bewusst zurück. Schade.
Der Anruf aus Rotterdam ließ immer noch auf sich warten. Spaßeshalber gab Inga ‚Dr. Oliveira’ ein und fiel fast vom Stuhl, als sie auf der Homepage einer Rockband landete. Dr. Robson Oliveira, Sänger der Muddy Blue Waters. Wow. Inga erinnerte sich an die Begegnung im Krankenhaus, an diesen leicht wilden, unangepassten Touch, den er ausstrahlte. Na, das passte. Nachdenklich spielte sie mit der Maus. Bei Michael hatte sie, wenn sie ehrlich war, kaum eine Chance. Sabije und auch Jörg lagen ihr sowieso in den Ohren, sie solle ihn sich endlich aus dem Kopf schlagen. Ihn vergessen, das würde sie nie können, niemals. Aber was hinderte sie daran, sozusagen während sie auf ihren Zug wartete, zwischendurch ein gutes Buch zu lesen? Inga kopierte sich die Auftrittstermine in ein Worddokument. Nur mal gucken konnte ja nicht schaden.
Wo waren die verdammten Dinger bloß? Dr. Stefan Prudens kramte im Kämmerchen hinter dem Aufenthaltsraum nach Filtertüten. Bärbel Lohmann sorgte stets dafür, dass immer frischer Kaffee und etwas Süßes bereit standen. Andere Vorzimmerkräfte hatten sich empört geweigert, auch nur ein einziges Mal Kaffee zu kochen, wohl aus Angst, sich mit niederen Tätigkeiten den Respekt der Ärzte zu verscherzen. Frau Lohmann jedoch schien es Freude zu machen, ‚ihre Chirurgen’ zu bemuttern. Sie war einfach wunderbar. Stefan genoss ihre kleinen Aufmerksamkeiten, besonders nach einer anstrengenden OP. Ausgerechnet heute war ihr freier Tag, und Stefan lechzte nach einer Tasse Kaffee.
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