Название: Demokratie macht Spaß!
Автор: Winfried Brinkmeier
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783847692829
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„Nichts ist gut in Afghanistan“, sagte die evangelische Theologin Käßmann. Dem hat sich zwischenzeitlich auch der ehemalige Bundeskanzler Schröder angeschlossen. 53 deutsche Soldaten haben diesen Einsatz bisher mit ihrem Leben bezahlt. Wir brauchen Mut zum Frieden, nicht Mut zum Krieg.
In einer Einblendung brachten sie ein Interview mit Professor Michael Wolffssohn, der an der Münchener Hochschule der Bundeswehr lehrte. Er kritisierte die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und meinte, die Stellung der Soldaten am Rande der Gesellschaft hinge damit zusammen, dass wir mittlerweile ein Berufsheer haben und die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft worden ist. Im Übrigen sei bekannt, dass nur diejenigen Soldat würden, die auf dem allgemeinen Stellenmarkt schlechte Chancen hätten; deswegen seien da viele aus der Unterschicht vertreten, die zum großen Teil aus dem Osten kämen. Dies ist nachvollziehbar; kein vernünftiger junger Mensch mit guten Zeugnissen käme auf die Idee, zu den Soldaten zu gehen. Darüber erregte sich der sonst so ruhige Bundesverteidigungsminister. Prof. Wolfssohn hatte hier auf eine Wurzel des Übels hingewiesen. Insofern war sein Beitrag genau richtig. Professor Wolffssohn war akademischer Lehrer an einer Bundeswehr-Hochschule (mittlerweile ist er im Ruhestand).
Soldaten seien Helfer, Schützer und Kämpfer, wurde in der Diskussion gesagt. Das war der untaugliche Versuch, das mörderische Soldatenhandwerk schön zu reden. Nein, das stimmt so nicht. Der wesentliche Einsatz von Soldaten liegt nicht in ihrer Verwendung bei Katastrophenfällen, wo sie auch einmal nützlich sein können, sondern er liegt im Einsatz bei Kriegen zu Tötungs- und Vernichtungszwecken.
Die Zweifelhaftigkeit von Aktionen der Bundeswehr und ihrer Befehlshaber wird auch gut sichtbar an dem von dem damaligen Bundeswehr-Oberstleutnant Georg Klein angeordneten Luftangriff bei Kunduz im Jahre 2009. Laut einem Bericht bei Spiegel-Online hatte er sich zu seinen Aufgaben vorher geäußert: „Wir werden mit der Härte, die geboten ist, zurückschlagen“. Dies zeigte das klare Feindbild dieses Mannes.
Der damalige Oberstleutnant Klein war am 4. September 2009 befehlshabender Offizier in Afghanistan und für den Luftangriff bei Kunduz verantwortlich. Bei dem Luftangriff gegen 02:00 Uhr Ortszeit wurden zwei von den Taliban entführte Tanklastwagen und Menschen bombardiert, die sich in der Nähe befanden. Klein hatte diesen Bombenanwurf mit teilweise falschen Angaben angefordert; zwei US-amerikanische Flugzeuge hatten ihn ausgeführt. Nach Einschätzung der NATO wurden durch diesen Angriff bis zu 142 Menschen getötet und verletzt (es existieren unterschiedliche Zahlenangaben in verschiedenen Berichten über diesen Einsatz).Darunter befanden sich auch Kinder. Das war die bisher größte Opferzahl eines Bundeswehr-Einsatzes und der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF (International Security Assistance Force).
Der Einsatzbefehl und die Tötung von Zivilisten und Kindern wurde seinerzeit in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und führte zum Rücktritt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Jung, der zum Zeitpunkt der Ereignisse Bundesminister der Verteidigung war. Er hatte dafür die politische Verantwortung übernommen.
Die Bundeswehr hatte zunächst verlauten lassen, dass nur Taliban getötet wurden. Dann stellte sich heraus, dass auch Kinder und Jugendliche unter den Opfern waren. Nach dem Studium der ausführlichen Beschreibungen bei Wikipedia kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Oberstleutnant Klein mit seinem Einsatzbefehl eine große Anzahl von Taliban töten wollte. Damit wollte Deutschland wieder mitspielen in der militärischen ersten Liga. Man kann sich weiterhin des Eindrucks nicht erwehren, dass er dabei die Tötung von Zivilisten und Kindern billigend in Kauf genommen hat. Das sind für Militärs bedauerliche Kollateralschäden, die dazu gehören. Ein vorheriges Überfliegen des Tanklastzuges zur Warnung der dort vorhandenen Menschen ist nicht angeordnet worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies bewusst unterblieben war.
Schon seinerzeit sprach vieles dafür, dass dieser Oberstleutnant seinen Abschussbefehl nach Rücksprache mit höchsten militärischen Stellen, vielleicht sogar mit der obersten Heeresleitung in Berlin, abgegeben hatte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass dieser Mann, der für den Tod von Zivilisten und Kindern verantwortlich ist, innerhalb kürzester Zeit befördert wurde; heute ist er General. Der Mann ist nach seinem Tötungsbefehl karrieremäßig hochgegangen wie eine Rakete. Der Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, Klein 2013 zum Abteilungsleiter im neuen Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr zu befördern. Dort soll er den Rang eines Brigadegenerals erhalten. Das Bundesverteidigungsministerium hat bestätigt, dass Klein für die künftige Tätigkeit „gut geeignet“ sei und alle fachlichen Voraussetzungen erfülle. Ergibt sich seine gute Eignung für die Verantwortlichen der Bundeswehr daraus, dass er unschuldige Zivilisten und Kinder hat töten lassen? In den alkoholgeschwängerten Offizierskasinos der Armee wird er vermutlichals der „Held von Kunduz“ gefeiert. Im Übrigen: Was ist das für eine Tat, in der ein Mann einen Befehl zum Abschuss gibt, andere diesen ausführen und dabei unschuldige Menschen töten! Früher haben Soldaten mutige Kämpfe mit dem Feind geführt. Von einem besonderen Mut dieses Oberstleutnants kann hier keine Rede sein. Da hat ein Technokrat sein technokratisches Handwerk mit einem technokratischen Befehl ausgeübt. Er brauchte sich deswegen die Hände nicht schmutzig zu machen.
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Versuch, Oberst Georg Klein wegen Mordes anzuklagen, durch das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen wurde. Auch wurden Vorermittlungen zu einem Disziplinarverfahren gegen Klein nach viermonatiger Dauer im August 2010 eingestellt. Dies war nicht anders zu erwarten (siehe oben).
Auch sei erwähnt, dass einem Vater in Afghanistan, der aufgrund des Befehls dieses Obersten zwei Kinder verloren hat, von der Bundeswehr ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lt. Meldung von „neues deutschland“ vom 29./30. Dezember 2012 3.600 € erhalten hat. Das ist doch ein echter Schnäppchenpreis für zwei getötete Kinder bei einem Kollateralschaden! Auch die Bundeswehr muss schließlich sparen! Jeder schlechte amerikanische Rechtsanwalt hätte für den Vater der getöteten Kinder ein Vielfaches an finanzieller Entschädigung herausgeholt, von einem guten Anwalt ganz zu schweigen.
In ihrem Bericht „Neue Klagen wegen Kundus-Mord“ meldete die Zeitung „neues deutschland“ ebenfalls, dass nunmehr weitere Hinterbliebene der Opfer Schadensersatz gefordert haben. Das Landgericht in Bonn habe den Eingang von zehn Sammelklagen bestätigt, die sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Ein Rechtsanwalt aus Bremen hatte bereits im Herbst 2011 eine erste Sammelklage für vier Personen eingereicht. Darüber ist noch nicht entschieden worden. Nun vertrete der weitere 79 Kläger. Sie fordern Entschädigungszahlungen zwischen 20.000 und 75.000 Euro. Diese Summen, ohnehin noch schrecklich gering für ein Menschenleben, scheinen näher an den Realitäten zu liegen als die von der Bundeswehr gezahlten 3.600€. Man wird sehen, wie sich die Verfahren weiter entwickeln werden.
Wenn der Name Oberst Klein fällt, denkt man unwillkürlich an Kurt Tucholsky.
Völlig überflüssig war auch das Kurzinterview während der Diskussionsrunde mit der Frau des Bundesverteidigungsministers. Dieser Auftritt sollte deutlich machen, dass auch eine Frau und Mutter den Einsatz von Soldaten für richtig hält. Normalerweise müssten Mütter dagegen aufschreien, wenn dazu aufgerufen wird, ihre Söhne zu verheizen. Der Bundesverteidigungsminister sollte seine Frau woanders vorführen. Grundsätzlich erscheint der vermehrte Einsatz von Politikerfrauen zu öffentlichen Werbezwecken für die Arbeit ihrer Männer äußerst zweifelhaft.
Eine weitere Propagandasendung für die Bundeswehr folgte mit der Ausstrahlung des Films „Auslandseinsatz“ am 17. Oktober 2012. Auch in diesem teilweise bewegenden Film ging es um den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan. Der Film wurde vom Ersten in den Vorschauen als „Kriegsfilm“ bezeichnet. Anschließend diskutierten Thomas de Maiziere, Omid Nouripour, Jürgen Todenhöfer, Franz Josef Overbeck und Marita Scholz über eine Bilanz des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan unter der Leitung СКАЧАТЬ