Die Leute von Seldwyla. Gottfried Keller
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Leute von Seldwyla - Gottfried Keller страница 18

Название: Die Leute von Seldwyla

Автор: Gottfried Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754179000

isbn:

СКАЧАТЬ bewirtete und sich mit dem Vorweisen und Einschenken ihres besten Weines zu schaffen machte. Dadurch wurde seine Verlegenheit, als er so zwischen seiner Frau und seinem Sohne saß, etwas gemildert, und das Loben des guten Weines gab ihm Veranlassung, die Vermutung auszusprechen, daß es also mit ihnen gut stehen müsse, wie er zu seiner Befriedigung ersehe, was denn den besten Übergang gab zu der Auseinandersetzung ihrer Verhältnisse. Frau und Sohn suchten nun nicht ängstlich zurückzuhalten und heimlich zu tun, sondern sie legten ihm offen den Stand ihres Hauses und ihres Vermögens dar; Fritz holte die Bücher und Papiere herbei und wies ihm die Dinge mit solchem Verstand und Klarheit nach, daß er erstaunt die Augen aufsperrte über die gute Geschäftsführung und über die Wohlhabenheit seiner Familie. Indessen reckte er sich empor und sprach: Da steht ihr ja herrlich im Zeuge und habt euch gut gehalten, was mir lieb ist. Ich komme aber auch nicht mit leeren Händen und habe mir einen Pfennig erworben, durch Fleiß und Rührigkeit!" Und er zog einige Wechselbriefe hervor, sowie einen mit Gold angefüllten Gurt, was er alles auf den Tisch warf, und es waren allerdings einige Tausend Gulden oder Taler. Allein er hatte sie nicht nach und nach erworben und verschwieg weislich, daß er diese Habe auf einmal durch irgendeinen Glücksfall erwischt, nachdem er sich lange genug ärmlich herumgetrieben in allen nordamerikanischen Staaten. Dies wollen wir", sagte er, nun sogleich in das Geschäft stecken und mit vereinten Kräften weiter schaffen; denn ich habe eine ordentliche Lust, hier, da es nun geht, wieder ans Zeug zu gehen und den Hunden etwas vorzuspielen, die mich damals fortgetrieben." Sein Sohn schenkte ihm aber ruhig ein anderes Glas Wein ein und sagte: Vater, ich wollte Euch raten, daß Ihr vorderhand Euch ausruhet und es Euch wohl sein lasset. Eure Schulden sind längst bezahlt und so könnet Ihr Euer Geldchen gebrauchen, wie es Euch gutdünkt, und ohnedies soll es Euch an nichts bei uns fehlen! Was aber das Geschäft betrifft, so habe ich selbiges von Jugend auf gelernt und weiß nun, woran es lag, daß es Euch damals mißlang. Ich muß aber freie Hand darin haben, wenn es nicht abermals rückwärts gehen soll. Wenn es Euch Lust macht, hier und da ein wenig mitzuhelfen und Euch die Sache anzusehen, so ist es zu Eurem Zeitvertreib hinreichend, daß Ihr es tut. Wenn Ihr aber nicht nur mein Vater, sondern sogar ein Engel vom Himmel wäret, so würde ich Euch nicht zum förmlichen Anteilhaber annehmen, weil Ihr das Werk nicht gelernt habt und, verzeiht mir meine Unhöflichkeit, nicht versteht!" Der Alte wurde durch diese Rede höchst verstimmt und verlegen, wußte aber nichts darauf zu erwidern, da sie mit großer Entschiedenheit gesprochen war und er sah, daß sein Sohn wußte, was er wollte. Er packte seine Reichtümer zusammen und ging aus, sich in der Stadt umzusehen. Er trat in verschiedene Wirtshäuser; allein er fand da ein neues Geschlecht an der Tagesordnung und seine alten Genossen waren längst in die Dunkelheit verschwunden. Zudem hatte er in Amerika doch etwas andere Manieren bekommen. Er hatte sich gewöhnen müssen, sein Gläschen stehend zu trinken, um unverweilt dem Drange und der einsilbigen Jagd des Lebens wieder nachzugehen; er hatte ein tüchtiges rastloses Arbeiten wenigstens mit angesehen und sich unter den Amerikanern ein wenig abgerieben, so daß ihm diese ewige Sitzerei und Schwätzerei nun selbst nicht mehr zusagte. Er fühlte, daß er in seinem wohlbestellten Hause doch besser aufgehoben wäre, als in diesen Wirtshäusern, und kehrte unwillkürlich dahin zurück, ohne zu wissen, ob er dort bleiben oder wieder fortgehen solle? So ging er in die Stube, die man ihm eingeräumt; dort warf der alternde Mann seine Barschaft unmutig in einen Winkel, setzte sich rittlings auf einen Stuhl, senkte den großen betrübten Kopf auf die Lehne und fing ganz bitterlich an zu weinen. Da trat seine Frau herein, sah, daß er sich elend fühlte, und mußte sein Elend achten. Sowie sie aber wieder etwas an ihm achten konnte, kehrte ihre Liebe augenblicklich zurück. Sie sprach nicht mit ihm, blieb aber den übrigen Teil des Tages in der Kammer, ordnete erst dies und jenes zu seiner Bequemlichkeit und setzte sich endlich mit ihrem Strickzeug schweigend ans Fenster, indem sich erst nach und nach ein Gespräch zwischen den lange getrennten Eheleuten entwickelte. Was sie gesprochen, wäre schwer zu schildern, aber es ward beiden wohler zumut, und der alte Herr ließ sich von da an von seinem wohlerzogenen Sohne nachträglich noch ein bißchen erziehen und leiten ohne Widerrede und ohne daß der Sohn sich eine Unkindlichkeit zuschulden kommen ließ. Aber der seltsame Kursus dauerte nicht einmal sehr lange, und der Alte ward doch noch ein gelassener und zuverlässiger Teilnehmer an der Arbeit, mit manchen Ruhepunkten und kleinen Abschweifungen, aber ohne dem blühenden Hausstande Nachteile oder Unehre zu bringen. Sie lebten alle zufrieden und wohlbegütert und das Glück der Frau Regula Amrain wucherte so kräftig in diesem Hause, daß auch die zahlreichen Kinder des Fritz vor dem Untergang gesichert blieben. Sie selbst streckte sich, als sie starb, im Tode noch stolz aus, und noch nie ward ein so langer Frauensarg in die Kirche getragen und der eine so edle Leiche barg zu Seldwyla.

      * * * * *

      Die Leute von Seldwyla haben bewiesen, daß eine ganze Stadt von Ungerechten oder Leichtsinnigen zur Not fortbestehen kann im Wechsel der Zeiten und des Verkehrs; die drei Kammacher aber, daß nicht drei Gerechte lang unter einem Dache leben können, ohne sich in die Haare zu geraten. Es ist hier aber nicht die himmlische Gerechtigkeit gemeint oder die natürliche Gerechtigkeit des menschlichen Gewissens, sondern jene blutlose Gerechtigkeit, welche aus dem Vaterunser die Bitte gestrichen hat: Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldnern! weil sie keine Schulden macht und auch keine ausstehen hat; welche niemandem zuleid lebt, aber auch niemandem zu Gefallen, wohl arbeiten und erwerben, aber nichts ausgeben will und an der Arbeitstreue nur einen Nutzen, aber keine Freude findet. Solche Gerechte werfen keine Laternen ein, aber sie zünden auch keine an und kein Licht geht von ihnen aus; sie treiben allerlei Hantierung und eine ist ihnen so gut wie die andere, wenn sie nur mit keiner Fährlichkeit verbunden ist; am liebsten siedeln sie sich dort an, wo recht viele Ungerechte in ihrem Sinne sind; denn sie untereinander, wenn keine solche zwischen ihnen wären, würden sich bald abreiben, wie Mühlsteine, zwischen denen kein Korn liegt. Wenn diese ein Unglück betrifft, so sind sie höchst verwundert und jammern, als ob sie am Spieße stäken, da sie doch niemanden etwas zuleid getan haben; denn sie betrachten die Welt als eine große wohlgesicherte Polizeianstalt, wo keiner eine Kontraventionsbuße zu fürchten braucht, wenn er vor seiner Türe fleißig kehrt, keine Blumentöpfe unverwahrt vor das Fenster stellt und kein Wasser aus demselben gießt.

      Zu Seldwyl bestand ein Kammachergeschäft, dessen Inhaber gewohnterweise alle fünf bis sechs Jahre wechselten, obgleich es ein gutes Geschäft war, wenn es fleißig betrieben wurde; denn die Krämer, welche die umliegenden Jahrmärkte besuchten, holten da ihre Kammwaren. Außer den notwendigen Hornstriegeln aller Art wurden auch die wunderbarsten Schmuckkämme für die Dorfschönen und Dienstmägde verfertigt aus schönem, durchsichtigem Ochsenhorn, in welches die Kunst der Gesellen (denn die Meister arbeiteten nie) ein tüchtiges braunrotes Schildpattgewölke beizte, je nach ihrer Phantasie, so daß, wenn man die Kämme gegen das Licht hielt, man die herrlichsten Sonnenauf- und Niedergänge zu sehen glaubte, rote Schäfchenhimmel, Gewitterstürme und andere gesprenkelte Naturerscheinungen. Im Sommer, wenn die Gesellen gerne wanderten und rar waren, wurden sie mit Höflichkeit behandelt und bekamen guten Lohn und gutes Essen; im Winter aber, wenn sie ein Unterkommen suchten und häufig zu haben waren, mußten sie sich ducken, Kämme machen, was das Zeug halten wollte, für geringen Lohn; die Meisterin stellte einen Tag wie den andern eine Schüssel Sauerkraut auf den Tisch und der Meister sagte: Das sind Fische!" Wenn dann ein Geselle zu sagen wagte: Bitt' um Verzeihung, es ist Sauerkraut!" so bekam er auf der Stelle den Abschied und mußte wandern in den Winter hinaus. Sobald aber die Wiesen grün wurden und die Wege gangbar, sagten sie: Es ist doch Sauerkraut!" und schnürten ihr Bündel. Denn wenn dann auch die Meisterin auf der Stelle einen Schinken auf das Kraut warf, und der Meister sagte: Meiner Seel'! ich glaubte, es wären Fische! Nun, dies es ist doch gewiß ein Schinken!" so sehnten sie sich doch hinaus, da alle drei Gesellen in einem zweispännigen Bett schlafen mußten und sich den Winter durch herzlich satt bekamen wegen der Rippenstöße und erfrorenen Seiten.

      Einsmals aber kam ein ordentlicher und sanfter Geselle angereist aus irgendeinem der sächsischen Lande, der fügte sich in alles, arbeitete wie ein Tierlein und war nicht zu vertreiben, so daß er zuletzt ein bleibender Hausrat wurde in dem Geschäft und mehrmals den Meister wechseln sah, da es die Jahre her gerade etwas stürmischer herging als sonst. Jobst streckte sich in dem Bette so steif er konnte und СКАЧАТЬ