Название: Messalina
Автор: Alfred Schirokauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754181485
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»Ah bah!« machte Amyklas verächtlich, »Sein einfaches Benehmen ist kein Vorzug, sondern nur die Bestätigung seiner albernen, niedrigen Denkungsart. Er ist eine Schande des erhabenen Blutes der Claudier.«
»Hat er sich nicht kürzlich von seiner zweiten Frau, der Aelia Petina scheiden lassen?« fragte ein junges Mädchen.
»Ganz richtig, kleine Hiberina,« rief ein Spottvogel. »Willst du ihn nicht zum Manne nehmen? Du könntest sicher sein, daß er dir viel Muße gönnt. Denn seine Hauptbeschäftigung ist Essen und Schlafen. Daneben studiert er alte Schriften und schreibt langatmige, schwülstige Scharteken. Deine Gefälligkeit wird er also nur wenig in Anspruch nehmen.«
Hiberina errötete zwar, doch versicherte sie mit aller Offenheit, dann wäre der kaiserliche Oheim nicht der rechte Mann für sie.
»Doch in allem Ernste,« nahm der gesprächige und gut unterrichtete Amyklas wieder das Wort, »man erzählt, Kaiser Caligula sei auf der Suche nach einer dritten Gattin für Claudius.«
»Er hatte schon in der Jugend keine Zukunft,« urteilte Hiberina schnippisch. »Wer nimmt diesen Alten, der bettelarm und ein verhöhnter Hanswurst ist?!«
In diesem Augenblicke kam der Struktor an das Triklinium und überreichte Valeria Messalina mit höflichen Worten eine Schreibtafel. Sie öffnete die beiden Holzplättchen, von denen eins mit rotgefärbtem Wachs überzogen war. Nachdem sie die mit spitzem Griffel eingeritzten Worte überflogen hatte, musterte Valeria Messalina das unbewegte Gesicht des Sklaven.
»Glätte das Wachs und gib mir den Griffel,« befahl sie rasch entschlossen. »Ich werde aufschreiben, daß ich keine Ursache sehe, dir zu folgen.«
Betroffen senkte der Struktor das Haupt. Tief verschattete sich sein Gesicht. Zögernd nur bereitete er das Wachs der Schreibtafel zur Antwort vor. Endlich faßte er Mut. Er sah das junge, stolze Mädchen bittend und voll Vertrauen an.
»Domina,« murmelte er fast unhörbar, »wenn ich deine Antwort zurückbringen muß, so bitte die Götter, daß sie mir wenigstens einen raschen Tod gewähren.«
Valeria Messalina hatte die Tafel schon an sich genommen, den Griffel angesetzt, den ersten Buchstaben bereits geritzt. Bei den verzagenden Worten des Sklaven hielt sie inne. Ein schönes Erbarmen verklärte ihr Antlitz.
»Um meiner Weigerung willen soll nicht ein Mensch leiden,« entschied sie ohne Zögern. Sie klappte die Täfelchen zu und bat freundlich: »Zeige mir den Weg.«
Der Struktor ließ sich auf ein Knie nieder und küßte inbrünstig dankbar den Saum des Gewandes seiner Retterin. Dann schritt er voran.
Hinter Valeria Messalina her scholl ein Tuscheln und Raunen, als brause plötzlich ein starker Wind über die blattreichen Baumkronen eines Gehölzes. Man wußte längst, was es bedeutete, wenn der Struktor ein Weib vom Gastmahle holte, kurz nachdem Kaiser Caligula den Saal verlassen hatte.
5
Nach einem langen Wege durch einsame Gänge blieb der Struktor vor einer Tür stehen. Ein Vorhang verdeckte mit schweren Falten den Eingang. Er diente der Gestalt eines riesigen Prätorianers zum Hintergrunde.
Der im vollen Waffenschmuck gerüstete Mann stand unbeweglich auf seinen Speer gelehnt. Er sah so ernst und grimmig drein, als bewache er das Schweigen der Einsamkeit, die hier, fern jedem Menschengetriebe, ihre Heimstatt aufgeschlagen hatte.
Als der Prätorianer den Sklaven in Begleitung eines Mädchens vor sich sah, überflog ein lautloses, verstehendes Lachen sein bärtiges Gesicht. Etwas zur Seite tretend, raffte er den Faltenvorhang an sich, den Eingang freizugeben.
Nur das leise Klirren der Wappnung des Wächters und das Knistern des Vorhangstoffes unterbrach die geheimnisvolle, lastende Stille. Kein Laut drang in diesen abgelegenen Flur. Die beschattete Helle einer Lampe, weit hinten im Gange, gab ein wenig Licht, doch kaum genug, das schwere Dunkel zu durchdringen. Von den in Finsternis aufstrebenden, oben in tiefer Nachtschwärze sich wölbenden Wänden tönte fremdartig das Flüstern des Struktors zurück.
»Weiter darf ich dich nicht geleiten, Domina,« entschuldigte er sich leise. »Der Wächter weiß von deinem Kommen. Er wird dafür sorgen, daß keine Menschenseele dein Zusammensein mit dem Kaiser stört.«
»Ich habe keinen Grund, eine Störung zu befürchten,« erwiderte Valeria Messalina herb.
Die wenigen laut gesprochenen Worte weckten einen Widerhall, der den Flur entlanglief, als wolle er die Geheimnisse dieses einsamen Palastflügels aus dem Schlafe scheuchen. Dann verschollen die Laute urplötzlich, als wären sie irgendwo in der Finsternis in einen Abgrund gestürzt.
»Vertraue nicht auf den Soldaten, Domina,« warnte der Struktor ernst. »Er ist ein Lieblingswächter des Kaisers, seinem Herrn sehr ergeben und außerdem – ? stumm und – auch taub.«
Valeria Messalina suchte das Gesicht ihres Führers in der Dunkelheit zu erkennen. »Was willst du damit sagen?« forschte sie mit unterdrückter Stimme.
»Du bist mutig, Domina,« wich er zögernd aus. »Und du bist schön. Niemand als Venus kann deine Schutzgöttin sein. Möge sie dir beistehen!«
»Ich verstehe dich nicht,« rief Valeria Messalina. Sie trat einige Schritte zurück, als bereue sie, dem Struktor gefolgt zu sein.
Doch da ließ der Prätorianer den Vorhang in das Gefalte zurückgleiten. Er huschte an der Wand hin, nahm die Lanze quer und schnitt der späten Besucherin so den Rückweg ab, mit der riesigen Gestalt und der Waffe den Flur absperrend.
»Hab Dank, Domina,« murmelte der Struktor. »Ich kann dir nur noch sagen: sobald du den zweiten leichten Vorhang, der sich hinter dem schweren ersten befindet, aufheben wirst, betrittst du ein hellerleuchtetes Gemach. Dort wirst du alles weitere erfahren.«
Damit verließ er die junge Domina und war sogleich verschwunden. Es war, als hätte der finster gähnende Gang ihn verschluckt.
Valeria Messalina sah sich mit dem Prätorianer allein. Er schien sein Amt zu kennen. Er trat auf das Mädchen zu. Jedes Ausweichen war unmöglich. Die Lanze an der Eisenspitze ergreifend, den Speerschaft hinter Valeria Messalina an die Wand stemmend, raffte er mit der freien Linken den Vorhang zurück. So bildete er mit Arm, Körper und Waffe einen Winkel, aus dem die Gefangene nur entkommen konnte, wenn sie das vor ihr liegende Gemach betrat.
Um aller Gewalttat zu entgehen, hob Valeria Messalina den zweiten Vorhang. Eine Lichtflut strömte auf sie ein. Und da diese Helle als Gegensatz zur Finsternis des Flures beruhigend wirkte, schritt Valeria Messalina ohne Zögern weiter. Zugleich wurde ein Vorhang dem Eingange gegenüber zur Seite gestreift. Eine junge, hübsche Griechensklavin trat lächelnd vor.
»Sei gegrüßt, Domina,« sprach sie freundlich, doch demutsvoll.
Die Gegenwart eines weiblichen Wesens gab Valeria Messalina den Mut zurück. In diesem kaiserlichen Palaste schien alles aus Gegensätzen zu bestehen: draußen der nachtdunkle Flur und der finstere Wächter – hier der lichterfüllte Raum und die liebliche Erscheinung der jungen Griechin.
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