Название: Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43
Автор: Friedrich Gerstecker
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: maritime gelbe Buchreihe
isbn: 9783753191874
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Ein eigenes Gefühl ist es, auf dem ungeheuren Ozean ein anderes Schiff, gewissermaßen eine andere kleine Welt, herankommen zu sehen, es anzurufen und bald darauf das gewaltige Gebäude zu beobachten, bis es, nur noch ein kleiner, weißer Punkt, am fernen Horizonte verschwindet. Nur noch einsamer kommt dann dem armen Auswanderer die Wasserwüste vor.
Am 7. Juni liefen wir 11 deutsche Meilen die Wache (4 Stunden); das Schiff flog durch die Wellen, und dabei ging die See gar nicht so hoch, so dass nur sehr wenige von uns sich unwohl befanden. Die meisten hatten sich auf dem Verdeck gesammelt, wo sie in malerischen Gruppen umhergelagert waren. Hier lagen einige auf den Planken und spielten Karten, dort hatte sich eine fromme alte Frau mit einem Gebetbuch in die Ecke gesetzt; ein paar Mädchen strickten und lasen. Gar häufig konnte man auch, abgesondert von den übrigen, hier und da eine Gestalt sehen, welche, die Stirne kraus gezogen und mit dem Munde allerlei sonderbare Laute nachahmend, emsig beschäftigt war, sich aus einem kleinen Buche englische Redensarten einzuprägen.
Diese ruhigen, angenehmen Tage haben wir untereinander Frikadellen-Tage genannt, und zwar aus folgender Ursache. Das viele salzige Fleisch und den Speck, den wir bekamen, konnten wir nicht ganz verzehren, taten es also an ruhigen, freundlichen Tagen zusammen (versteht sich, nur wir fünf) und hackten es mit Messern, Beilen und Hirschfängern so klein, wie nur irgend möglich, rührten es dann mit ein paar Eiern an, formten Frikadellen daraus, wobei nicht vergessen ward, noch etwas kleingestoßenen Schiffszwieback unter die Masse zu tun, und buken das Ganze mit Butter.
Häufig zeigten sich jetzt auch die Schweinefische, die wohl ihren Namen von ihrer spitzen, rüsselförmigen Schnauze bekommen haben. In Herden spielten sie vorn um das Schiff herum und sprangen einander jagend, oft mit dem ganzen, wohl 5 bis 8 Fuß langen Körper aus dem Wasser, was einen wunderhübschen Anblick gewährte.
Schon fing ich an, des fortwährend ruhigen Wetters wegen besorgt zu werden, dass wir gar keinen Sturm bekommen und auf diese Art den wahren Reiz der Seereise verlieren würden; solche Angst war aber nutzlos gewesen. Am 16. fing der Wind schon gewaltig an zu blasen, die Wellen wurden höher und höher, die Gesichter länger und länger, und um Mitternacht hatte Boreas alle Säcke offen. Das Schiff fuhr, ganz auf einer Seite liegend, bloß unter dem Sturm, doppelt gerefften großen und Vorstengenstag-Segel pfeilschnell durch die wie mit Sternen und Leuchtkugeln durchflochtenen Wogen, und der Schaum zischte kochend vorbei. Dabei pfiff der Wind durch das Takelwerk wie durch einen entblätterten Wald, und melancholisch klappten die Taue an die Masten. Mir war wohl in diesem Aufruhr der Elemente, und über Bord gelehnt, sah ich dem Toben und Stürmen der rastlosen Wogen mehrere Stunden lang zu. Erst gegen Morgen ging ich wieder auf meine Matratze, die ich mir aus der Koje gezogen hatte, da es eine reine Unmöglichkeit war, zu fünfen darin zu schlafen, um wenigstens noch ein oder zwei Stunden zu ruhen.
Der nächste Tag beleuchtete ein wildes, herrliches Schauspiel. Hoch auf bäumten und wälzten sich die ungeheuren dunkelblauen Wellen, mit durchsichtig grünem Kamm und weißem Silberschaume gekrönt, hoben sich einen Augenblick in ihrer vergänglichen Herrlichkeit, und schienen dann in sich selber zu versinken, einer anderen, noch gewaltigeren Woge Platz zu machen.
Mitten in diesen himmelanspritzenden und züngelnden Wellen kam jetzt eine Schar ungeheurer schwarzer Braunfische geschwommen, die sich mit toller Lust in dem brausenden kochenden Ozean herumtummelten. In die höchsten Wellen stürzten sie sich, diese 15–20 Fuß langen Kolosse, ließen sich von ihnen auf den höchsten Gipfel heben und stürzten sich dann, ihnen voraus, spielend und schnaubend in den blauen Abgrund. Es war ein großartiger Anblick. Die Seeleute wollen auch aus dem Zuge, den diese Tiere nehmen, die kommende Richtung des Windes prophezeien, sind aber noch nicht ganz einig darüber, indem einige behaupten, der Wind werde daher kommen, wohin sie ziehen, andere hingegen, dass der Wind ihnen folge; also bloß eine kleine Meinungsverschiedenheit über Hin und Her.
Der Sturm wurde jetzt so heftig, dass das Steuerruder festgebunden werden musste und das Schiff, ein Spiel der Wellen und Winde, auf den Wogen einher tanzte. Als diese eben am tollsten sprangen, sahen wir ein Fahrzeug, das mit nur wenigen Segeln pfeilgeschwind vor dem Sturme daher jagte; wir selber aber wurden von den Wassern so umhergeworfen, dass wir nur dann und wann das andere Segel erblicken konnten, welches in diesem Augenblick, auf den höchsten Gipfel einer Riesenwelle gehoben, auf einem Berge zu stehen schien, während im nächsten Augenblicke nicht einmal mehr die höchsten Mastspitzen desselben sichtbar waren. Es schoss schnell an uns vorbei und war in kurzer Zeit verschwunden. Sich an Deck aufzuhalten, wurde jetzt eine höchst missliche Sache, denn die Wellen schlugen mit Macht vorn und an der Seite über Bord, und wer ihnen trotzen wollte, konnte wenigstens darauf rechnen, bis auf die Haut durchnässt zu werden.
Am 19. Juni morgens ließ der Sturm etwas nach, fing aber gegen Abend wieder mit verdoppelter Kraft an. In unserem Zwischendeck sah es jetzt gräulich aus; die Seekrankheit hatte ihren Gipfel erreicht, und mit wenigen Ausnahmen war alles krank. Hauptspaß machten mir einige junge Leute, die unten im Deck mit leichenblassen Gesichtern, das zinnerne Töpfchen zwischen den Knien haltend, dasaßen und, das Näherkommen der Krankheit fühlend, mit ruhiger Ergebung den Ausgang abwarteten. H. und ich legten ein Stück recht fetten Speck in eine Schüssel, deckten sie zu, gingen hinunter zu den Leidenden und fragten sie mitleidig, wie es ihnen ginge. Sie schüttelten statt aller Antwort traurig mit dem Kopfe. „Wollen Sie nicht etwas zu sich nehmen?“ fragte H. mit der liebevollsten, sanftesten Stimme. Schon der Gedanke an etwas Essbares verursachte ihnen Ekel, und mit den sauersten Gesichtern von der Welt winkten sie uns, nicht davon zu reden; aber wir waren hiermit noch nicht befriedigt. Ich nahm den Deckel ab, und H. fragte wieder, indem er die fette Speckscheibe in die Höhe hob, liebreich und außerordentlich teilnehmend: „Vielleicht ein bisschen Speck essen?“ Als ob dies das Stichwort gewesen wäre, auf das die Seekrankheit gewartet hätte, so wirkte wie mit einem wunderbaren Zauber diese einzige Frage, und wir beide zogen uns, fast erschrocken über das so plötzliche Gelingen unseres Planes, wieder aufs Verdeck zurück.
Zu Mittag bekamen wir Erbsensuppe. Ich hatte mir eben einen Teller voll hinuntergenommen, wozu nicht wenig Geschicklichkeit gehörte, dieselbe auch schon fast verzehrt, als H. fluchend und schimpfend die Leiter herunterkam, an deren Fuße, gerade unter der Öffnung, er stehen blieb. Hier erzählte er, wie ihn einer von den Oldenburgern ganz mit Erbsensuppe begossen habe und zeigte uns, noch ganz rot vor Zorn, den begossenen Überrock. Ich lehnte etwas weiter zurück gegen unsere Koje, als in demselben Augenblicke eine zinnerne Schüssel mit eben solcher Erbsensuppe durch die Öffnung herabflog und sich auf den armen, vom Schicksal verfolgten H. wiederum so vollständig entleerte, dass ihm davon die Augen ganz bedeckt wurden. Das war aber noch nicht alles, die Suppe war bloß das Vorspiel oder der Anfang der Mahlzeit. Ihr folgte nämlich auf dem Fuße – wer anders als unser unglücklicher Wilhelm, der mit dem Kopfe voran seiner Suppe wie ein echter Ritter in Glück und Unglück folgte, übrigens auch bei dem gefährlichen Sprunge den Hals brechen konnte, hätte nicht H. sogleich Suppe und Jüngling auf seine Schultern genommen. Beide stürzten nun zusammen in die Brühe, und vergebens würde es sein, auch nur einen Versuch zu machen, H's. Wut zu beschreiben. Wir mussten hinzuspringen und den armen Wilhelm aus seinen Klauen befreien, er hätte ihn sonst erwürgt. Bände könnte man überhaupt mit all den Szenen und Anekdoten füllen, die während des Sturms im Zwischendeck und auch wohl in der Kajüte Schlag auf Schlag folgten; leider lassen sich aber eben die besten davon nicht gut erzählen, denn die Natur hilft sich da oft auf wenn auch nicht geheimnisvolle, doch wunderbare Weise.
Am 2. Juli brach sich der Sturm, und obgleich die See noch ungeheuer hoch ging, das Schiff noch bedeutend schwankte und wenig Friede und Ruhe an Bord zu finden war, so löste man doch das Steuerruder wieder, die Reffs wurden aus dem großen Mastsegel genommen, das Focksegel, Vortop-, große Top-, Besansegel und der Klüver gesetzt, und wir fuhren, zwar nicht unseren Kurs, denn wir mussten mit Nordwestwind segeln, fuhren aber doch wieder einmal, und das war ein Trost.
Denselben Nachmittag begegneten wir wieder einem Schiffe unter Bremer Flagge. Die Kapitäne tauschten durch das Sprachrohr ihre Mitteilungen aus und zogen, als sie sich trennten, zum СКАЧАТЬ