Название: Das Halsband
Автор: Hedwig Courths-Mahler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754181959
isbn:
Frau Horst wurde durch das räuberische Gesindel ermordet, die Farmen geplündert und der Grundbesitz konfisziert. Frau Annie Warrens entkam mit ihrem Töchterchen wie durch ein Wunder. Ein treuer Diener rettete sie auf heimlichen Wegen durch dichten Wald. Nichts, als die Kleider, die sie trugen und tausend Dollars etwa an Geld konnten in Sicherheit gebracht werden. Die unglückliche junge Frau hat sich dann mit ihrem Töchterchen zurück nach Deutschland begeben, um sich hier in der alten Heimat eine bescheidene Existenz zu gründen. Vor zehn Tagen ist sie in Hamburg eingetroffen.«
Gräfin Thea hatte erregt in atemloser Spannung diesem Bericht gelauscht. Nun preßte sie erschüttert die Hände ans Herz. Die Schuld ihres Sohnes wuchs riesengroß und weckte noch inbrünstiger den Wunsch in ihr, mit allen Mitteln, die ihr zu Gebote standen, gutzumachen.
Erst, nachdem sie sich mühsam gefaßt hatte, kam ihr zum Bewußtsein, wie wunderbar es war, daß Völker so schnell und ausführlich Klarheit schaffen konnte. Was enträtselte dieser Mann in wenigen Tagen. Freilich, Joachim hatte nur vorsichtig und verschwiegen forschen können, hatte wohl auch keinen so begabten und hervorragenden Auskundschafter gefunden. Aber auch für einen Mann wie Völker grenzte dieser Erfolg ans Märchenhafte,
»Sie sehen mich fassungslos, erschüttert, Herr Völker. Das traurige Schicksal dieser prächtigen Menschen greift mir ans Herz. Daß Sie mir das alles aber in so kurzer Zeit berichten konnten, ist mir unfaßbar. Ehe Sie mir aber näheres erklären, beantworten Sie mir noch eine Frage: Ging die Spur, die Sie gefunden haben, in Hamburg verloren oder wissen Sie den Aufenthaltsort der unglücklichen jungen Frau?«
»Ich weiß ihn.«
»O, mein Gott — wie dankbar bin ich Ihnen. Sie haben mir einen unschätzbaren Dienst geleistet durch Ihre hervorragenden Fähigkeiten.«
Wieder lächelte Völker.
»Gnädigste Frau Gräfin, diesmal bin ich nur durch einen glücklichen Zufall zu einem Erfolge gekommen. Darf ich Ihnen genauen Bericht erstatten?«
»Ich bitte darum.«
Völker räusperte sich ein wenig und fuhr dann fort:
»Ich hatte mich nach Hamburg begeben, um dort erst einmal mit meinen Nachforschungen zu beginnen. In einem mir von früher her bekannten guten, wenn auch nicht erstklassigen Hotel nahm ich Wohnung. Gleich in der ersten Stunde machte ich auf dem Korridor vor meinem Zimmer die Bekanntschaft eines entzückenden kleinen Mädchens von etwa sechs Jahren, das dort mit dem Zimmermädchen in einem drolligen Gemisch von deutscher, englischer und spanischer Sprache plauderte. Ich bin ein großer Kinderfreund und konnte nicht widerstehen, mich mit der Kleinen ein wenig anzufreunden.
Dabei erfuhr ich, teils von ihr, teils von dem Zimmermädchen, daß die Mutter des Kindes unwohl zu Bette lag, müde und leidend von den Strapazen einer großen Reise. Das Zimmermädchen teilte mir redselig mit, daß sie der Dame schon wiederholt geraten habe, einen Arzt zu befragen, aber diese behaupte, nicht krank, nur müde und abgespannt zu sein. Es sei ja auch möglich, denn die arme Dame käme aus Venezuela, wo sie auf schreckliche Weise ihre Eltern und ihren Mann verloren habe. Bei der Erwähnung des Wortes Venezuela war ich aufmerksam geworden. Ich sah mir das kleine Mädchen an. Sie hatte goldblondes Haar und braune Augen. Auf meine vorsichtige Frage erfuhr ich, daß auch die Mutter des Kindes dasselbe Haar, dieselben Augen habe und trotz ihrer Mattigkeit sehr schön sei. Weiter erfuhr ich, daß die Dame schon seit einer Woche hier in dem Hotel wohne und gleich am ersten Abend eine Ohnmacht gehabt hatte, als sie in der Zeitung die Nachricht von dem Tode eines alten Bekannten gelesen habe. Ich stellte die Zeitung durch unverfängliche Fragen fest und beschloß, vorläufig meine Nachforschungen aufzugeben, um nicht aufzufallen. Zuerst verschaffte ich mir nun die fragliche Zeitung. Hier habe ich sie Ihnen mitgebracht.«
Er nahm eine Zeitung aus seiner Brusttasche und legte sie vor die Gräfin hin, auf eine Notiz darin zeigend.
»Ich fand darin die Nachricht über den plötzlichen Tod Ihres Herrn Sohnes, des Grafen Joachim Wildenfels, als ich sie gründlich durchstudierte. Ob diese Nachricht imstande war, eine erschütternde Wirkung auf die Dame auszuüben, weiß ich nicht. Ich habe Ihnen nur, um Ihnen meinen Gedankengang klarzulegen, die Zeitung mitgebracht.«
Gräfin Thea starrte auf die Zeitungsnotiz. Ihre Ahnung, daß jene blonde junge Frau Annie Horst sei, schien sich zu bestätigen. Und wenn sie bei dieser Nachricht ohnmächtig geworden war, dann war auch ihr Joachim nicht gleichgültig geworden, trotz ihrer Ehe mit einem andern.
»Weiter,« flehte die alte Dame, tonlos mit zuckenden Lippen.
»Ich bin nun bald zu Ende. Am nächsten Morgen sah ich die Kleine wieder draußen auf dem Korridor. Sie nickte mir schon ganz vertraulich zu. Ich trat zu ihr. Sie spielte am Fenster mit einer Anzahl Visitenkarten, aus denen sie ein luftiges Gebäude aufführen wollte. Es mißlang jedoch, und ich erbot mich zur Hilfe. Als ich die Karten in die Hand nahm, hätte ich beinahe einen Freudenruf ausgestoßen, denn ich las wohl zehn bis zwölf Mal: Annie Warrens geb. Horst.
Als ich noch gedankenverloren mit den Karten spielte, kam das Zimmermädchen herbei und erzählte mir, daß Mrs. Warrens heute noch elender sei, und daß sie auf eigne Gefahr einen Arzt wollte rufen lassen.
Blitzschnell entwarf ich einen Plan, um mich unverfänglich mit Mrs. Warrens in Verbindung zu setzen. Ich habe in meiner Jugend einige Semester Medizin studiert und sagte nun dem Mädchen ruhig, ich selbst sei Arzt und wolle zu ihrer Beruhigung nach der Kranken sehen. Das Mädchen meldete mich an und Klein-Jonny an der Hand, trat ich zu Mrs. Warrens ins Zimmer. Jonny sprang auf die schöne bleiche Frau zu, die auf dem Diwan ruhte. Innig umschlungen sah sie zu mir auf. Es war ein holdseliger und rührender Anblick, die schöne, bleiche Frau und das entzückende Kind.
»Mami — da ist ein Onkel Doktor, der dich gesund machen will,« sagte die Kleine.
Wirkliches Mitgefühl ließ mich fast meine Rolle vergessen. Ich sah auf den ersten Blick, daß ich es mit einer Schwerkranken zu tun hatte. In meinem Berufe beobachtet man scharf. Ich hätte nicht Arzt zu sein brauchen, um zu bemerken, daß Mrs. Warrens hohes Fieber hatte. Ich fühlte nur ihren Puls, um festzustellen, daß er meine Beobachtungen bestätigte. Es war klar, daß hier dringende ärztliche Hilfe nötig war.
Es gelang mir, das Vertrauen der armen Frau zu gewinnen. Teilweise freiwillig, teils auf meine vorsichtigen, teilnehmenden Fragen antwortend, erzählte sie mir alles, was ich Ihnen eben berichtet habe. Nur von Wildenfels und der Veranlassung, die sie und ihre Eltern nach Amerika getrieben hatte, erzählte sie kein Wort. Zum Schlusse beschwor sie mich, sie schnell wieder gesund und kräftig zu machen, denn sie dürfte nicht krank werden.
Ich war tief bewegt, gnädigste Frau Gräfin. Es lag etwas Rührendes in dem Wesen der jungen Frau und auch das liebe kleine Mädchen sah mich an, als wollte es sagen: »Nun hilf du schnell meiner lieben Mutter!« Glauben Sie mir, СКАЧАТЬ