Название: Die Dämonen
Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754173145
isbn:
»Ach, das sind ja alles so unwichtige Dinge! ... Also dieser Hauptmann ist damals allem Anschein nach nicht wegen falscher Banknoten von uns weggereist, sondern lediglich, um diese seine Schwester zu suchen, die sich, wie es scheint, vor ihm an einem unbekannten Orte verborgen hielt; na, aber jetzt hat er sie hergebracht; das ist die ganze Geschichte. Warum haben Sie denn einen solchen Schreck bekommen, Stepan Trofimowitsch? Übrigens habe ich alles, was ich da sage, von ihm selbst gehört, als er in der Betrunkenheit ins Schwatzen gekommen war; wenn er nüchtern ist, schweigt er darüber. Er ist ein reizbarer Mensch und sozusagen ein militärischer Ästhetiker, der aber einen schlechten Geschmack hat. Diese Schwester aber ist nicht nur irrsinnig, sondern auch lahm. Es scheint, daß sie von jemand entehrt worden ist, und daß Herr Lebjadkin dafür schon seit vielen Jahren von dem Verführer eine jährliche Rente bezieht, wenigstens ist das aus seinem Geschwätze zu entnehmen – aber meiner Meinung nach ist das nur Gerede eines Betrunkenen. Er prahlt einfach. Das kann man allerdings auch tun, wenn man weniger Geld hat. Daß er aber bedeutende Summen besitzt, das ist ganz sicher; vor anderthalb Wochen ging er barfuß, und jetzt (das habe ich selbst gesehen) hat er Hunderte in Händen. Seine Schwester hat täglich eine Art von Anfällen; sie kreischt dann, und er ›bringt sie in Ordnung‹, nämlich mit der Peitsche. ›Einem Weibe‹, sagt er ›muß man Respekt einflößen.‹ Ich begreife nur nicht, wie Schatow noch über ihnen wohnen bleiben kann. Alexei Nilowitsch hat nur drei Tage bei ihnen gewohnt (er war mit ihm noch von Petersburg her bekannt); jetzt bewohnt er infolge der steten Aufregung ein Seitengebäude.«
»Ist das alles wahr?« wandte sich Stepan Trofimowitsch an den Ingenieur.
»Sie schwatzen sehr viel, Liputin,« brummte dieser zornig.
»Geheimnisse, Heimlichkeiten! Woher gibt es nur auf einmal bei uns so viele Geheimnisse und Heimlichkeiten?« konnte Stepan Trofimowitsch sich nicht enthalten auszurufen.
Der Ingenieur machte ein finsteres Gesicht, errötete, zuckte mit den Achseln und wollte das Zimmer verlassen.
»Alexei Nilowitsch hat ihm sogar die Peitsche aus der Hand gerissen, sie zerbrochen, aus dem Fenster geworfen und sich heftig mit ihm gezankt,« fügte Liputin hinzu.
»Warum schwatzen Sie soviel, Liputin? Das ist dumm. Warum tun Sie das?« sagte Alexei Nilowitsch und drehte sich augenblicklich wieder um.
»Warum soll man denn aus Bescheidenheit die edelsten Regungen seiner Seele verbergen? Das heißt, ich rede von Ihrer Seele, nicht von meiner eigenen.«
»Wie dumm das ist ... und ganz unnötig ... Lebjadkin ist ein ganz dummer Mensch, ein Hohlkopf und für unsere Aktion nicht zu gebrauchen; er kann da nur schaden. Warum schwatzen Sie allerlei Zeug? Ich gehe weg.«
»Ach, wie schade!« rief Liputin mit heiterem Lächeln. »Sonst hätte ich Sie, Stepan Trofimowitsch, noch durch ein kleines Geschichtchen erheitert. Ich bin sogar mit der Absicht hergekommen, es Ihnen mitzuteilen, obwohl Sie es übrigens wahrscheinlich schon selbst gehört haben. Nun, dann also ein andermal; Alexei Nilowitsch hat es so eilig ... Auf Wiedersehen! Das Geschichtchen ist mir mit Warwara Petrowna passiert; sie hat mich vorgestern zum Lachen gebracht; sie ließ mich expreß rufen; es war zum Kranklachen. Auf Wiedersehen!«
Aber nun klammerte sich Stepan Trofimowitsch ordentlich an ihm fest: er faßte ihn bei der Schulter, drehte ihn kurz um, zog ihn ins Zimmer zurück und zwang ihn, sich auf einen Stuhl zu setzen. Liputin wurde beinah ängstlich.
»Nun ja,« begann er von selbst, indem er Stepan Trofimowitsch von seinem Stuhle aus vorsichtig ansah, »sie ließ mich auf einmal rufen und fragte mich ›vertraulich‹, wie ich persönlich darüber dächte: ob Nikolai Wsewolodowitsch geistesgestört sei oder seinen Verstand habe. Ist das nicht erstaunlich?«
»Sie sind verrückt geworden,« murmelte Stepan Trofimowitsch, der ganz außer sich geraten war. »Liputin, Sie wissen ganz genau, daß Sie nur deshalb hergekommen sind, um mir eine gemeine Geschichte von dieser Art mitzuteilen und ... noch etwas Schlimmeres!«
In demselben Augenblicke fiel mir seine Vermutung ein, daß Liputin in unserer Angelegenheit nicht nur mehr wisse als wir, sondern auch noch etwas, was wir selbst nie erfahren würden.
»Erbarmen Sie sich, Stepan Trofimowitsch!« murmelte Liputin, wie wenn er schreckliche Furcht hätte. »Erbarmen Sie sich ...«
»Schweigen Sie, und fangen Sie an! Herr Kirillow, ich bitte Sie dringend, ebenfalls wieder umzukehren und dabei anwesend zu sein; dringend bitte ich Sie darum! Nehmen Sie Platz! Und Sie, Liputin, fangen Sie nun an: geradezu, einfach, ohne die geringsten Umschweife!«
»Hätte ich gewußt, daß Sie das so aufregen würde, dann hätte ich überhaupt nicht davon angefangen ... Und ich dachte, es wäre Ihnen schon alles durch Warwara Petrowna selbst bekannt!«
»Das haben Sie gar nicht gedacht! Fangen Sie an, fangen Sie an, sage ich Ihnen!«
»Tun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich selbst hin; wie kann ich denn dasitzen, wenn Sie in solcher Aufregung vor mir hin und her laufen? Das kommt ja unpassend heraus.«
Stepan Trofimowitsch tat sich Gewalt an und ließ sich in eindrucksvoller Weise auf einen Lehnsessel nieder. Der Ingenieur starrte finster auf den Fußboden. Liputin betrachtete beide mit größtem Genusse.
»Ja, wie soll ich denn anfangen? Sie haben mich ganz wirr gemacht ...«
VI.
»Vorgestern schickte sie auf einmal ihren Diener zu mir: ›Die gnädige Frau‹, sagte er, ›läßt Sie morgen um zwölf Uhr zu sich bitten.‹ Können Sie sich das vorstellen? Ich ließ also gestern meine Arbeit liegen und klingelte bei ihr Punkt zwölf. Ich wurde geradeswegs in den Salon geführt; ich wartete etwa eine Minute, da kam sie; sie forderte mich auf, Platz zu nehmen, und setzte sich selbst mir gegenüber. Da saß ich nun und traute meinen eigenen Sinnen nicht; Sie wissen selbst, wie sie mich immer behandelt hat! Sie begann geradezu und ohne Umschweife zu reden, wie das stets ihre Art ist. ›Sie erinnern sich‹, sagte sie, ›daß vor vier Jahren Nikolai Wsewolodowitsch, als er krank war, einige sonderbare Handlungen begangen hat, so daß die ganze Stadt erstaunt war, bis sich alles aufklärte. Eine dieser Handlungen betraf Sie persönlich. Nikolai Wsewolodowitsch hat Ihnen damals nach seiner Genesung auf meine Bitte einen Besuch gemacht. Es ist mir auch bekannt, daß er auch früher schon mehrere Male mit Ihnen gesprochen hatte. Sagen Sie offen und ehrlich, wie Sie ...‹ (hier stockte sie ein wenig) ›wie Sie damals Nikolai Wsewolodowitsch gefunden haben. Wie haben Sie überhaupt über ihn geurteilt? Welche Meinung haben Sie sich damals über ihn gebildet, und ... welche Meinung haben Sie jetzt von ihm?‹ Hier geriet sie nun gänzlich ins Stocken, so daß sie sogar eine ganze Minute wartete und auf einmal rot wurde. Ich bekam einen Schreck. Da fing sie wieder an, nicht etwa in gerührtem Tone (der würde ihr nicht stehen), sondern so recht nachdrücklich: ›Ich wünsche,‹ sagte sie, ›daß Sie mich genau und richtig verstehen. Ich habe Sie jetzt rufen lassen, weil ich Sie für einen scharfsichtigen, klugen Menschen halte, der fähig ist, richtig zu beobachten.‹ (Was sagen Sie zu diesen Komplimenten?) ›Sie werden gewiß verstehen,‹ sagte sie, ›daß es eine Mutter ist, die mit Ihnen spricht. Nikolai Wsewolodowitsch hat in seinem Leben mancherlei Unglück und viele Umwälzungen durchgemacht. Alles das‹, sagte sie, ›konnte auf seine Geistesverfassung einwirken. Selbstverständlich‹, sagte sie, ›rede ich nicht von Irrsinn; der ist völlig ausgeschlossen!‹ Das sprach sie in festem, stolzem Tone. ›Aber es konnte sich bei ihm etwas Seltsames, Besonderes herausbilden, eine gewisse Gedankenrichtung, СКАЧАТЬ