Die Dämonen. Fjodor Dostojewski
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Читать онлайн книгу Die Dämonen - Fjodor Dostojewski страница 22

Название: Die Dämonen

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173145

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СКАЧАТЬ Warwara Petrowna war nicht diejenige, die sich durch affektvolle Reden und durch Rätsel verblüffen ließ. Sie verlangte energisch ganz genaue, ausreichende Erklärungen. Praskowja Iwanowna stimmte ihren Ton sofort herab, brach schließlich sogar in Tränen aus und ging zu den wärmsten Freundschaftsversicherungen über. Diese reizbare, aber gefühlvolle Dame hatte ebenso wie Stepan Trofimowitsch fortwährend ein Bedürfnis nach wahrer Freundschaft, und ihre hauptsächlichste Klage über ihre Tochter Lisaweta Nikolajewna bestand gerade darin, daß ihre Tochter nicht ihre Freundin sei.

      Aber aus allen ihren Erklärungen und Herzensergüssen ergab sich mit Sicherheit nur das eine, daß tatsächlich zwischen Lisa und Nikolai ein Zerwürfnis stattgefunden hatte; aber von welcher Art dieses Zerwürfnis war, darüber konnte Praskowja Iwanowna sich offenbar keine bestimmte Vorstellung machen. Schließlich zog sie nicht nur die Beschuldigungen, die sie gegen Darja Pawlowna ausgesprochen hatte, vollständig zurück, sondern sie bat auch ausdrücklich, ihren Worten von vorhin keinerlei Bedeutung beizulegen, weil sie sie »in der Erregung« gesprochen habe. Kurz, alles kam sehr unklar heraus, sogar verdächtig. Nach ihrer Darstellung hatte Lisas »eigensinniges, spöttisches Wesen« den ersten Anlaß zu dem Zerwürfnisse gegeben; der »stolze« Nikolai Wsewolodowitsch habe trotz all seiner Verliebtheit die Spöttereien nicht ertragen können und sei selbst spöttisch geworden. »Bald darauf«, erzählte sie, »wurden wir mit einem jungen Manne bekannt, ich glaube, einem Neffen Ihres Professors; er führt auch denselben Familiennamen ...«

      »Es ist sein Sohn, nicht sein Neffe,« verbesserte Warwara Petrowna.

      Praskowja Iwanowna hatte auch früher Stepan Trofimowitschs Familiennamen niemals behalten können und ihn immer den »Professor« genannt.

      »Nun, meinetwegen sein Sohn, um so besser; mir ganz gleich. Es ist ein gewöhnlicher junger Mensch, sehr lebhaft und ungeniert; aber etwas Besonderes ist nicht an ihm. Nun, da hat nun Lisa selbst sich nicht richtig benommen; sie zog den jungen Mann an sich heran, um Nikolai Wsewolodowitschs Eifersucht zu erregen. Ich will darüber nicht zu streng urteilen; die jungen Mädchen machen es nun einmal so; es ist etwas ganz Gewöhnliches und nimmt sich sogar recht nett aus. Aber statt eifersüchtig zu werden, befreundete sich vielmehr Nikolai Wsewolodowitsch selbst mit dem jungen Menschen, als ob er nichts sähe und ihm alles gleich wäre. Darüber war nun Lisa empört. Der junge Mensch reiste bald ab (er mußte sehr eilig irgendwohin); Lisa aber suchte nun bei jeder Gelegenheit mit Nikolai Wsewolodowitsch Händel. Als sie bemerkte, daß dieser mit Dascha einige Male sprach, da geriet sie in Wut; ich konnte es schon gar nicht mehr aushalten, liebe Freundin. Die Ärzte hatten mir jede Aufregung verboten, und ihr gepriesener See war mir schon ganz zuwider geworden; nur die Zähne taten mir von ihm weh, einen solchen Rheumatismus hatte ich bekommen. Man kann es auch gedruckt lesen, daß man vom Genfer See Zahnschmerzen bekommt; das ist nun einmal so eine Besonderheit von ihm. Aber da erhielt Nikolai Wsewolodowitsch auf einmal einen Brief von der Gräfin und reiste sofort von uns ab; an einem einzigen Tage machte er sich reisefertig. Abschied nahmen die beiden voneinander in freundschaftlicher Weise, und Lisa war, als sie ihn zur Bahn begleitete, sehr heiter und vergnügt und lachte viel. Aber das war alles nur Maske. Sowie er weg war, wurde sie sehr nachdenklich, sprach gar nicht mehr von ihm und wollte auch nicht, daß ich ihn erwähnte. Und auch Ihnen, liebe Warwara Petrowna, möchte ich raten, jetzt im Gespräch mit Lisa nicht von diesem Gegenstande anzufangen; Sie würden die Sache dadurch nur verderben. Wenn Sie dagegen schweigen, so wird sie zuerst mit Ihnen davon zu reden beginnen; dann werden Sie mehr zu hören bekommen. Meiner Ansicht nach werden die beiden jungen Leute sich wieder zusammenfinden, wenn nur Nikolai Wsewolodowitsch bald herkommt, wie er versprochen hat.«

      »Ich werde sofort an ihn schreiben. Wenn alles sich so verhält, dann ist es mit dem Zerwürfnis nicht weit her. Es ist alles Unsinn. Auch Darja kenne ich hinreichend; Unsinn!«

      »An der lieben Dascha habe ich mich mit meinem Verdachte versündigt und bereue es. Es waren nur Gespräche ganz gewöhnlicher Art, und sie wurden laut geführt. Aber das alles hat mich damals gar zu sehr aufgeregt, liebe Freundin. Und auch Lisa selbst ist, wie ich gesehen habe, mit ihr wieder zu dem früheren freundschaftlichen Verhältnisse zurückgekehrt ...«

      Warwara Petrowna schrieb noch gleich an demselben Tage an Nikolai und bat ihn dringend, wenigstens einen Monat vor dem von ihm in Aussicht genommenen Termine zu kommen. Aber doch blieb ihr hier manches unklar und unverständlich. Sie dachte den ganzen Abend und die ganze Nacht darüber nach. Praskowjas Meinung schien ihr gar zu harmlos und gefühlvoll.

      »Praskowja ist ihr Lebelang zu gefühlvoll gewesen, schon von der Pensionszeit an,« dachte sie. »Nikolai ist nicht der Mann danach, vor den Spöttereien eines Mädchens davonzulaufen. Da steckt ein anderer Grund dahinter, wenn wirklich ein Zerwürfnis stattgefunden hat. Dieser Offizier ist aber doch hier; den haben sie mitgebracht, und er wohnt bei ihnen im Hause wie ein Verwandter. Und auch was Darja angeht, hat Praskowja gar zu schnell sich selbst beschuldigt; gewiß hat sie etwas für sich behalten, was sie nicht sagen wollte ...«

      Am Morgen war in Warwara Petrownas Kopfe der Plan zur Reife gelangt, wenigstens einen Zweifel mit einemmal zu erledigen, ein merkwürdiger, überraschender Plan. Was in ihrem Herzen vorging, als sie diesen Plan entwarf, das ist schwer zu sagen, und ich unternehme es nicht, im voraus all die Widersprüche zu erklären, die er enthielt. Als Chronist beschränke ich mich darauf, die Ereignisse in ihrer richtigen Gestalt darzustellen, genau so, wie sie sich zugetragen haben, und ich kann nichts dafür, wenn sie den Eindruck der Unwahrscheinlichkeit machen. Aber ich muß doch noch einmal bezeugen, daß am Morgen bei Warwara Petrowna kein Verdacht gegen Dascha mehr zurückgeblieben war, und daß sie einen solchen strenggenommen nie gehegt hatte; dazu war sie ihrer zu sicher. Auch konnte sie es gar nicht für möglich halten, daß ihr Nikolai sich in ihre Dascha verliebt haben sollte. Am Morgen, als Darja Pawlowna am Teetisch den Tee eingoß, blickte Warwara Petrowna sie lange prüfend an und sagte vielleicht zum zwanzigsten Male seit dem gestrigen Tage im stillen aus voller Überzeugung:

      »Es ist alles Unsinn!«

      Es fiel ihr nur auf, daß Dascha ein so müdes Aussehen hatte und noch stiller und apathischer als früher war. Nach dem Tee setzten sie sich gemäß der ein für allemal eingeführten Ordnung beide an eine Handarbeit. Warwara Petrowna forderte sie auf, ihr einen vollständigen Bericht über die Eindrücke zu erstatten, die sie im Auslande empfangen hatte, namentlich über die Natur, die Bewohner, die Städte, die Gebräuche, die Kunstwerke, die Industrie, über alles, was sie wahrgenommen habe. Aber über Drosdows und das Leben bei diesen stellte sie auch nicht eine Frage. Dascha, die neben ihr am Nähtische saß und ihr beim Sticken half, hatte schon eine halbe Stunde lang mit ihrer gleichmäßigen, eintönigen, aber etwas schwachen Stimme erzählt.

      »Darja,« unterbrach Warwara Petrowna sie plötzlich, »hast du nichts Besonderes, was du mir mitteilen möchtest?«

      »Nein, ich habe nichts,« antwortete Dascha nach ganz kurzem Nachdenken und blickte Warwara Petrowna mit ihren hellen Augen an.

      »Hast du nichts auf dem Herzen, auf dem Gewissen?«

      »Nein,« wiederholte Dascha leise, aber mit einer Art von mürrischer Festigkeit.

      »Das habe ich gewußt! Und ich will dir sagen, Darja, daß ich niemals an dir zweifeln werde. Jetzt setze dich hin und höre einmal zu! Setz dich dort auf den andern Stuhl, mir gegenüber; ich möchte dir voll ins Gesicht sehen. So ist es gut! Also höre: möchtest du dich verheiraten?«

      Dascha antwortete mit einem langen, fragenden, übrigens nicht allzu verwunderten Blicke.

      »Warte! Sei still! Erstens ist ein Unterschied in den Jahren, ein sehr bedeutender; aber du weißt ja am besten, daß das dummes Zeug ist. Du bist ein vernünftig denkendes Mädchen, und daher werden in deinem Leben keine Fehler vorkommen. Übrigens ist er noch ein hübscher Mann ... Kurz, ich meine Stepan Trofimowitsch, den du immer sehr geschätzt hast. Nun?«

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