Название: Multisystem-Erkrankungen erkennen und verstehen
Автор: Sibylle Reith
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
isbn: 9783754949412
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Prof. Martin L. Pall beschreibt insbesondere folgende weit verbreitete, aber selten korrekt diagnostizierte Krankheitsbilder:
Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Erschöpfungs-Syndrom/ME/CFS
mit den Merkmalen: Vitalitätsverlust und ausgeprägter Regenerationsbedarf, selbst nach scheinbar wenig anstrengenden Tätigkeiten (PEM, bzw. PENE). } Siehe Kapitel 7
Fibromyalgie-Syndrom/FMS
Leitsymptome sind: Schmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfungsneigung. } Siehe Kapitel 8
Multiple Chemikalien Sensitivität/MCS
Individuell heterogene Hypersensitivität gegenüber flüchtigen und flüssigen Chemikalien, Duftstoffen, Abgasen, Lösemitteln oder Zigarettenrauch. } Siehe Kapitel 9
Post-Traumatische Belastungs-Störung/PTBS, bzw. „Komplexe PTBS“
Unter (K)PTBS wird eine verzögerte Reaktion auf eine oder mehrere außergewöhnliche Bedrohungen verstanden. Leitsymptome sind: Nachhallerinnerungen, Übererregungssymptome und Vermeidungsverhalten. } Siehe Kapitel 11
Prof. Pall:
„In Anlehnung an andere Wissenschaftler bezeichne ich diese vier Erkrankungen als Multisystemerkrankungen. Ich stelle […] die Behauptung in Frage, dass diese Krankheiten und sogar ihre Symptome ungeklärt sind. Ich beabsichtige, eine detaillierte Erklärung für die allen vier Krankheiten gemeinsamen Mechanismen und Symptome anzubieten.“ 2.2.1/2 Pall
Prof. Pall erläutert, dass diese vier Erkrankungen mutmaßlich ursächlich durch den komplexen Nitrosativen Stress-Zyklus (auch „Biochemischer Teufelskreis“) erklärbar sind und behandelt werden können. Er beschreibt an anderer Stelle weitere, verwandte Multisystem-Erkrankungen.
Krankheitsspektrum Multisystem-Erkrankungen
„Wir behaupten, dass die Multisystemerkrankungen wirkliche Erkrankungen sind, die von diesem Mechanismus verursacht werden, auch wenn es sich um Erkrankungen handelt, die sich von Individuum zu Individuum stark unterscheiden können, weil die zugrunde liegenden biochemischen Prozesse in verschiedenen Geweben auftreten.
Mit anderen Worten: diese Multisystemerkrankungen bilden ein Krankheitsspektrum.“ 2.2.1/3 Pall
Die Annahme, dass sowohl ME/CFS, MCS; FMS und PTBS sowie weitere chronische Erkrankungen eine gemeinsame Ätiologie aufweisen, wurde zuvor schon 1994 von Dedra Buchwald und Deborah Garrity, 2.2.1/4 Buchwald, Garrity 1995 und 1999 von Albert Donnay und Grace Ziem 2.2.1/5/2.2.1/6 Donnay, Ziem und 1999 von Claudia S. Miller postuliert. 2.2.1/7 Miller
Erworbene multisystemische (Komplex-) Erkrankungen/EmKE
ME/CFS, MCS und FMS werden im vorliegenden Buch unter der Bezeichnung „Erworbene multisystemische Komplex-Erkrankungen/EmKE“ zusammengefasst, um sie – da sie den hauptsächlichen Untersuchungsgegenstand darstellen – von verwandten multisystemischen Erkrankungen abzugrenzen. Das schließt nicht aus, dass auch weitere verwandte Erkrankungen als EmKE bezeichnet werden können.
Die Post-Traumatische Belastungs-Störung/PTBS, bzw. die „Komplexe PTBS“, gilt in der etablierten Medizin als psychische Erkrankung und unterscheidet sich in der Ätiologie, nicht jedoch in anderen Merkmalen von ME/CFS, MCS und FMS.
„Erworben“ bedeutet, dass die Beschwerden, bzw. die Erkrankungen im Laufe der Lebensspanne neu aufgetreten sind.
Bezeichnungen für Multisystem-Erkrankungen
In anderen Zusammenhängen werden von Wissenschaftlern und Behandlern weitere Bezeichnungen für komplexe, multisystemische Erkrankungen verwendet. In Kapitel 31 werden Bezeichnungen beschrieben, die von Vertretern einer biopsychosozialen Sichtweise verwendet werden. Sie verstehen die Vielzahl der Symptome als Folge eines dysfunktionalen Verhaltens. Im weiteren wenden wir uns hier jedoch den Bezeichnungen zu, die der komplexmedizinischen Sichtweise entsprechen.
Der US-amerikanische Arzt und Autor Neil Nathan spricht beispielsweise von „Complex medical illnesses“, der US-amerikanische Arzt für funktionelle Medizin Eric Gordon bezeichnet sie als „Complex Chronic Illnesses“, es gibt in Kalifornien ein „Center for Complex Diseases“. Der Begriff „Environmentally Acquired Illness“ betont die umweltbezogene Entstehung.
Es gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen, die unter diesen Begriffen subsummiert werden. Dazu gehören: Dysautonomie, Mastzell-Aktivierungs-Erkrankung, Sick-Building-Syndrom/SBS, Elektromagnetische Hypersensitivität/EHS, Chronisches Schmerzsyndrom, das Golfkriegs-Syndrom, Borreliose, Ehlers-Danlos-Syndrome und viele weitere. } Siehe Kapitel 10 und folgende
Was ist ein Syndrom?Ein einzelnes Krankheitszeichen (wie z. B. Fieber) wird „Symptom“ genannt; mehrere Krankheitszeichen zusammen ergeben Symptom-Muster, bzw. einen „Symptomkomplex“. Musterhaft gemeinsam auftretende Symptomkomplexe (körperliche, emotionale oder kognitive Symptome) werden als Syndrom zusammengefasst. |
Medizinisch unerklärlich?
Um eine Diagnose zu stellen, verschafft sich der Behandler im ärztlichen Vorgespräch (fachsprachlich Anamnese), ein umfassendes Bild der Krankheitsvorgeschichte des Patienten. Er fragt nach aktuellen Beschwerden, Schmerzen, Allergien, bisherigen Krankheiten und Operationen. Von der Anamnese hängen die weiteren Schritte ab: die körperliche Untersuchung, Labordiagnostik (Blut- und Urinstatus), danach gegebenenfalls weiterführende apparative Untersuchungen wie EKG oder bildgebende Verfahren (Röntgen oder Ultraschall). Im besten Fall wissen Arzt und Patient am Ende, welche Erkrankung vorliegt und wie sie zu behandeln ist.
Multisystemische (Komplex-)Erkrankungen werden jedoch häufig als „Medizinisch nicht erklärbare Symptome“, bzw. „Medizinisch nicht erklärbare (körperliche) Erkrankung“ beschrieben. Englischsprachig: Medically unexplained (physical) symptoms (MUS oder auch MUPS)/} Siehe Kapitel 31
Abb. 2.2.1/1 Medizinisch unerklärlich?
Die biopsychosoziale Behandlung: Psychosomatiker, Psychotherapeuten, Psychologen oder Psychiater untersuchen und behandeln das Erleben und Verhalten, z.B. Kindheitsprobleme, familiäre Spannungen, psychosoziale Belastungen, innere Konflikte. Die Diagnosefindung beruht auf Interviews, Fragebogen, Selbstbeschreibungen, Verhaltensbeobachtung oder Zeichnungen. Diese Erhebungen müssen interpretiert werden und sind damit subjektiv. Ergänzende objektive komplexmedizinische Laborparameter, die über die Regelversorgung hinausgehen, z.B. zum Zustand der Mitochondrien, werden üblicherweise nicht erhoben.
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