Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes. Erwin Rosenberger
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СКАЧАТЬ als hässlich. Wie die täppische Unbeholfenheit in den Bewegungen eines Kindes uns lieb anmuten kann, wenngleich sie den Gesetzen der Anmut eigentlich nicht entspricht, so kann's geschehen, dass uns auch dieses japanische Dahinstolpern ein Lächeln freundlichen Geneigtseins abnötigt. Und wir dürfen überhaupt der Vermutung Raum geben, dass das kindliche Aussehen der Japanerin mit ein Grund ist, weshalb die Töchter Japans eine Anziehungskraft ausüben. Ihre kleine Statur, ihre Gesichtsform verleiht ihnen einen infantilen Zug, der ein Reiz ist, weil alles Kindhafte insgemein sich großer Beliebtheit erfreut.

      * * *

      Hier ist es traulich und einladend, sage ich mir, nachdem wir ins Zimmerchen des Mädchens eingetreten sind.

      Doch sieh da, was bedeutet das sonderbare mimische Gehaben der Kleinen? In einer komisch ungeschickten Weise spitzt sie den Mund, als hätte sie die Absicht, ein Liedchen zu pfeifen, und nähert ihre Lippen meinem Gesicht.

      Ah, jetzt versteh' ich! Aus der Mundstellung, aus dem merkwürdigen Mienenspiel meiner Japanerin darf ich folgern, dass sie mir ihre Lippen zum Kuss anbietet. Zum Begrüßungskuss.

      Und ich erinnere mich: man sagt, dass in Japan der Kuss als Zärtlichkeitsbezeugung nicht gleicherweise heimisch ist wie im Abendlande; das Küssen als erotisches Ausdrucksmittel ist in der Heimat der Japanerin nicht solchermaßen gang und gäbe wie in den Ländern eines anderen Kulturkreises.

       Nun, meine kleine Japanerin hier in der indischen Liebesgasse hat jedenfalls, allem Anschein nach keine große Kusspraxis. Sie würde sich ganz anders anstellen, gewandter und mehr kunstgerecht, wenn sie seit jeher in einem nahen, früh-gewohnten Verhältnis zum Küssen stünde. Nein, es ist klar, das ist nicht die richtige Art, einen Kuss einzuleiten! Aber trotzdem, dieser Mangel an Routine, an Sachkenntnis passt ihr sehr gut, die ungeschulte Lippenstellung und Kopfhaltung gewähren einen ganz niedlichen Anblick. Wobei betont werden muss, dass die linkische Kusstechnik bestimmt echt ist, nicht etwa von Koketterie inszeniert.

      Indem ich diese Betrachtungen anstelle, berühre ich flüchtig mit den Lippen die Nachbarschaft des dargebotenen Mundes.

      Ich glaube, meiner kleinen Japanerin ist der Kuss bloß ein Akt der Etikette, kein Ausdruck eines erotischen Bedürfnisses. Sie weiß vom Hörensagen, dass der Kuss dem Europäer ein wichtiges Ingrediens des Liebeslebens ist, sie sieht, wie die europäischen Männer, die in ihre Freudenstube kommen, oft genug mit allen Anzeichen einer Lustempfindung sich des Küssens befleißen, daher meint die Kleine in ihrer liebenswürdigen Höflichkeit, dass sie nicht versäumen dürfe, dem europäischen Gast mit einer Gunsterweisung aufzuwarten, die er offenbar recht hochschätzt. Die Japanerin gibt den Kuss, nicht sowohl weil sie ihn wünscht, als vielmehr weil sie glaubt, dass der Mann ihn wünscht. Sie zeigt sich also andersgeartet als die Europäerin, zumal die kusssüchtige. Diese nimmt mehr den Kuss als sie ihn gibt; sie küsst, weniger um den Mann zu erfreuen, denn aus Selbstsucht. Und während die Europäerin küsst, während sie den erotischen Genuss in den Lippen und in der Lippennachbarschaft lokalisiert, vermag sie sich am Kuss zu berauschen bis zu einer Art Bewusstseinsverlust. Der Mann, der das Objekt derartiger weiblicher Kuss Exzesse ist, muss nicht notwendigerweise ein geliebter Mann sein, – „geliebt“ im idealen Sinne des Wortes – er spielt gar oft die Rolle eines gelegentlichen Anlasses, eines Zufalls-Gegenstandes, woran sich die kusssüchtige Eva europäischer Gefühlsrichtung zu erhitzen – oder abzukühlen – sucht.

      – – Ich habe mit meinen Feststellungen den Ereignissen vorgegriffen. Nicht nur der Begrüßungs-Augenblick, sondern auch die Art, wie die Japanerin in den späteren Phasen meines Gesuches sich benimmt, hat mich zu dem Vergleich mit der Europäerin – mit den Kussdurstigen unter den Europäerinnen – angeregt.

      Während meine Japanerin nun Anstalten trifft, sich ihrer Bekleidung zu entledigen, frage ich, wie sie heißt.

       Ajame ist ihr Name.

      Ich habe keine Zeit, der Bedeutung dieses japanischen Frauen-Namens nachzuforschen, denn mein Sinn wird durch den Entkleidungsprozess auf Fragen der Kostümkunde hingelenkt.

      Unter dem Kimono, dem langen Talar-ähnlichen Obergewand, trägt sie ein ärmelloses Woll-Leibchen europäischer Mache und einen Unterrock, der aus zwei Stücken eines Atlasstoffes zusammengefügt ist, aus einer oberen roten und einer unteren grünen Zone.

      Und unter dem Unterrock hat sie noch eine Art Lendenschurz.

      Obwohl ich auf dem Gebiete der japanischen Frauentracht noch ein Laie bin, so wage ich doch mir die naheliegende Meinung zu bilden, dass die Untergewandung nicht etwas typisch Japanisches ist, sondern dem persönlichen Geschmack und Bedürfnis dieses Mädchens seine Herkunft verdankt.

      Dagegen sind, wie mich dünkt, die schneeweißen wunderlichen Strümpfchen ein echt japanisches Bekleidungsstück, gleichwie die Obergewandung.

      * * *

      Vom Reinlichkeitssinn der Japanerin geben Zeugnis das Zimmerchen im Allgemeinen, die Bett- und Leibwäsche, das Mädchen selber und sein ganzer appetitlicher Habitus. Aber ist dergleichen nicht eine Selbstverständlichkeit? Warum diesen Umstand besonders hervorheben und betonen?

      Und wiederum kommen uns die Käfige der Inderinnen in den Sinn, zum Beweise, dass die Reinlichkeitsbestrebungen in Kamatipura nicht allerorten verbreitet sind.

      Ich halte Umschau im Kämmerlein meines japanischen Mädchens: wer hier zu Gaste ist, der braucht nicht dem Bett mit gemischten Gefühlen, beschlichen von Unlustempfindungen, gegenüberzustehen, er braucht nicht zurückzuscheuen vor der Berührung mit einem Möbelstück, wenn er die Kleider ablegt.

       Es wird gestrenge Richter geben, welche stirnrunzelnd erklären, dass Ajames Reinheit manches zu wünschen übrig lässt; indes, die Reinlichkeit Ajames ist über jeden Zweifel erhaben. Wohl gehört sie nicht zu den Unberührten, doch man darf sich getrost dazu verstehen, sie zu berühren.

      Der Besucher ist begreiflicherweise einigermaßen gespannt, was für eine Art von Liebesglück ihm hier, im Kämmerlein der Japanerin, zuteilwerden soll.

      Es ist klar, dass er in eine Freudenhütte, in eine japanische oder eine andersartige, nicht mit der naiven Hoffnung eintritt, er werde daselbst ein naives Magdtum antreffen; der Besucher ist demnach gar nicht verwundert, dass auch die Japanerin Ajame, bei der er jetzt weilt, kein unschuldsvoller ahnungsloser Engel ist. Nein, das ist sie keineswegs. Aus mancherlei Anzeichen ist klar zu ersehen, dass sie in ihrem Berufe Erfahrung hat. Sie ist kein Neuling im Umgang mit Besuchern, keine schüchterne Anfängerin.

      Anderseits kann man jedoch konstatieren, dass sie durch die Erlebnisse ihres Berufes sicherlich nicht abgestumpft ist. Soweit der Besucher dermalen selber in der Verfassung ist, physiologische Beobachtungen anzustellen, gelangt er zur Überzeugung, dass die Japanerin ihre Erregbarkeit und Reaktionsfähigkeit bewahrt hat. Sie ist mit Freuden Freudenmädchen, zum mindesten im gegenwärtigen Augenblick.

      Und der Gast dieser Japanerin wird durch ihr Betragen in die Meinung hineingeschmeichelt, dass in der Wärme seiner derzeitigen Gefährtin eine Regung ungeheuchelter Zärtlichkeit ist. Er nimmt die Fiktion gerne hin, ohne ihren Kern ernstlich zu prüfen.

      Aber sind alle Erwartungen des Besuchers erfüllt? Vielleicht hat er gemeint, er werde in dieser Stube einem exotischen Abenteuer begegnen, einem Ereignis japanischen Kolorits, einem Erlebnis, das anders sein wird als frühere Liebeserlebnisse. Hat er gefunden, was er erwartet hat?

      Nein und ja! Freilich, wenn der Besucher gefasst war auf „unerhörte“, außerordentliche Sensationen, wenn er gewähnt hat, die Liebesweise dieses japanischen Mädchens werde mit irgendwelchen unbekannten, fremdartigen Ornamenten ausgestattet sein, mit spezifisch-japanischen СКАЧАТЬ