Название: Ivanhoe
Автор: Walter Scott
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754154854
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Der Pilger wartete nicht, bis das Traumbild des Juden vorüber war, sondern er stieß ihn mit seinem Pilgerstabe leicht an; aber dieser Stoß wurde, wie es sich in der Regel so fügt, zu einem Teile seines erträumten Grausens, der Alte fuhr auf, riss ein paar seiner Kleider an sich und raffte die übrigen mit dem Griffe eines Raubvogels zusammen. Die schwarzen stechenden Augen heftete er mit dem Ausdruck wildesten Entsetzens und grässlicher Angst auf den Pilger.
»Fürchte dich nicht vor mir, Isaak,« sagte der Pilger. »Ich komme zu dir als Freund.«
»Der Gott Israels lohn's Euch,« sagte der Jude. »Mir träumte – doch gepriesen sei der Vater Abrahams: es war nur ein Traum.« Dann fasste er sich und setzte in ruhigem Tone hinzu: »Und was begehret Ihr zu so früher Stunde von dem armen Juden?«
»Ich will dir nur sagen, wenn du nicht sogleich dieses Haus verlässt und eilig deines Weges gehst, so droht dir ernste Gefahr.«
»Heiliger Mann,« erwiderte der Jude, »wem könnte denn daran liegen, einem armen Tiere wie mir nachzustellen?«
»Du wirst am besten wissen, aus welchem Grunde,« sagte der Pilger. »Das aber steht fest, als der Templer gestern Abend die Halle verließ, sprach er mit seinen osmanischen Sklaven sarazenisch – ich verstehe diese Sprache leidlich – und er hat ihnen den Auftrag gegeben, dem Juden aufzulauern, ihn gefangen zu nehmen und auf das Schloss des Philipp von Malvoisin oder des Reginald Front-de-Boeuf zu schleppen.«
Das Entsetzen, das den Juden bei dieser Nachricht überkam und seine Geisteskräfte zu vernichten drohte, lässt sich nicht beschreiben. Die Arme fielen herab, das Haupt sank auf die Brust, die Knie schlotterten, jeder Nerv und jeder Muskel seines Leibes schien zusammenzuschrumpfen und er sank zu den Füßen des Pilgers hin, nicht wie jemand, der niederkniet, um seine Demut zu bezeigen oder Mitleid zu erlangen, sondern wie zu Boden gestreckt von einer unsichtbaren Gewalt, gegen die es keinen Widerstand gab. »Gott meiner Väter!« rief er aus und hob die gefalteten Hände, während er das graue Haupt am Boden liegen ließ. »Träume sind nicht ohne Vorbedeutung. O, heiliger Moses, o gesegneter Aron, nicht vergebens hast du mich das schauen lassen! Schon fühle ich ihre Eisen zerfetzen meine Sehnen, schon fühle ich ihre Martern schauern über meinen Leib, wie die Sägen und eisernen Eggen über die Männer von Rabbah und über die Städte der Kinder Ammons!«
»Steh auf, Isaak, und höre mich an,« sagte der Pilger, den die Verzweiflung des Juden mit Verachtung erfüllte. »Ich sage dir, ich will dir zur Flucht verhelfen. Verlaß auf der Stelle dieses Haus, solange noch die Leute vom Feste des gestrigen Abends ausschlafen. Ich geleite dich auf geheimen Pfaden durch den Wald, die ich hier besser kenne als ein Förster. Und ich werde dich nicht eher verlassen, als bis ich dich der Obhut eines Ritters oder Barons, der zum Turnier zieht, anvertraut habe. Du bist wahrscheinlich in der Lage, dir seine Bereitwilligkeit zu erkaufen.«
Als Isaak vernahm, dass Hoffnung auf Flucht vorhanden war, raffte er sich zollweise vom Boden empor, als er aber die letzten Worte des Pilgers hörte, schien ihn das alte Entsetzen von neuem zu lähmen, er fiel abermals auf sein Angesicht und jammerte: »Ich die Mittel haben, die Bereitwilligkeit irgend wessen zu erkaufen? Es gibt ja nur ein Mittel, sich bei einem Christen in Gunst zu setzen, und wie soll ich armer Jud davon können Gebrauch machen? Sie haben mich schon geschunden und ausgebeutet, dass ich arm bin wie Lazarus! Junger Mann! Um des großen Vaters willen, der uns alle geschaffen hat, den Juden wie den Heiden, hintergeh mich nicht! Verrate mich nicht! Ich habe gar keine Mittel, die Bereitwilligkeit eines Christenbettlers zu erkaufen, und wäre sie um einen Scheckel feil!«
»Und wärest du beladen mit dem ganzen Reichtum deines Volkes,« versetzte der Pilger, indem er seinen Mantel von dem flehentlichen Griffe des Juden losriss, als fürchte er, dass ihn seine Berührung unrein machen könnte, »was hülfe es mir, dich auszurauben? – In diesem Kleide habe ich gelobt, arm zu bleiben, und dieses Kleid vertausche ich nur gegen ein Ross und einen Harnisch! Du musst nicht denken, dass mir etwas daran gelegen sei, mit dir zusammen zu sein, oder dass ich einen Vorteil von dir zu ziehen beabsichtigte – wenn du willst, so bleib hier: vielleicht nimmt dich Cedric der Sachse in seinen Schutz.«
»Weh!« rief der Jude. »Der lässt mich nicht in seinem Gefolge ziehen, denn der stolze Sachse schämt sich des armen Juden. Allein aber getrau ich mich nicht durch das Gebiet des Malvoisin und des Front-de-Boeuf. Junger Mann, ich will mit dir gehen! Lass uns eilen, lass uns gürten die Lenden, lass uns flüchten! Hier ist mein Stab – was zauderst du?«
»Ich zaudre nicht,« war des Wallfahrers Antwort, »ich muss nur erst dafür sorgen, dass wir überhaupt auch von hier wegkommen.« Und er führte ihn in die anstoßende Kammer, wo Gurth, der Schweinehirt, schlief.
»Steh auf, Gurth!« rief ihm der Pilger zu. »Mach das Hintertor auf, du sollst den Juden hinauslassen.«
Gurth, der zwar ein niedriges, aber immerhin wichtiges Amt bekleidete, fühlte sich durch den vertraulichen und zugleich befehlenden Ton gekränkt.
»Den Juden hinauslassen?« sagte er, indem er sich auf die Ellenbogen stützte und ihn argwöhnisch ansah. »Will er mit dem Pilger zusammen zu Fuß weg? Der Jud und der Pilger müssen beide warten, bis das Haupttor aufgemacht wird.«
»Ich denke, du wirst mir diese Gunst nicht abschlagen,« versetzte der Wallfahrer in befehlendem Tone. Mit diesen Worten neigte er sich über den Hirten, der liegen geblieben war, und lispelte ihm etwas ins Ohr, und wie vom Schlage getroffen, fuhr Gurth auf. Der Wallfahrer gab ihm mit dem Finger einen warnenden Wink und setzte dann hinzu: »Hüte dich, Gurth, du warst sonst immer klug! Ich sage dir, mach die Hintertür auf, bald hörst du mehr.«
Gurth gehorchte ihm in Eile.
»Mein Maultier, mein Maultier!« rief der Jude, als sie die Pforte durchschritten hatten.
»Hol ihm seinen Maulesel, und hörst du, Gurth,« sagte der Pilger, »gib mir auch einen, damit ich neben ihm reiten kann, bis wir aus den Grenzen sind. Ich schicke dir das Tier bestimmt wieder zurück. Und höre –« Und er flüsterte Gurth abermals etwas ins Ohr.
»Gern soll es geschehen,« sagte der Hirt, ging sogleich den Auftrag auszuführen und war auch mit den Eseln gleich wieder da, und die Reisenden schritten auf einer Zugbrücke, die nur zwei Bohlen breit war, über den Graben hinüber. Kaum waren sie bei den Maultieren angekommen, so band der Jude hastig und mit zitternden Händen ein kleines, in blaues Tuch gewickeltes Päckchen am Sattel fest.
»Wäsche zum Wechseln, weiter nichts,« murmelte er und schwang sich mit einer Gewandtheit, die man seinem Alter nicht mehr zugetraut hätte, auf seinen Esel und legte sorgfältig Kleider und Reisemantel so zurecht, dass das Päckchen von ihnen verdeckt wurde. Langsamer saß der Wallfahrer auf, er reichte Gurth zum Abschied die Hand, die dieser voll Ehrfurcht küsste.
Dann starrte der Hirt den Reisenden nach, bis sie im Walde den Blicken entschwunden waren. Diese aber ritten, getrieben von der Angst des Juden, mit einer Eile, von der sonst alte Leute keine Freunde sind. Der Pilgrim, dem jeder Weg und Steg in diesem Walde vertraut zu sein schien, führte ihn auf unbekannten Pfaden, und mehr als einmal ergriff den Juden der Verdacht, in einen Hinterhalt gelockt zu werden. Seine Furcht war allerdings begreiflich. Denn den fliegenden Fisch ausgenommen, gab es damals auf der Erde, in der Luft und im Wasser kein Lebewesen, das so unausgesetzter und allseitiger Verfolgung СКАЧАТЬ