Die Kapuzinergruft. Йозеф Рот
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Название: Die Kapuzinergruft

Автор: Йозеф Рот

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754185780

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СКАЧАТЬ gerne verkaufen.« – »Wieviel also?« fragte ich. Und ich hatte doch im stillen gedacht, eingedenk der Lehren meines Vaters, daß ein slowenischer Bauer viel zu edel sei, um sich überhaupt um Geld und Geldeswert zu kümmern. Der Vetter Joseph Branco dachte lange nach, dann sagte er: »Dreiundzwanzig Kronen.« Warum er gerade auf diese Zahl gekommen sei, wagte ich nicht zu fragen. Ich gab ihm fünfundzwanzig. Er zählte genau, machte keinerlei Anstalten, mir zwei Kronen herauszugeben, zog ein großes, blaukariertes, rotes Taschentuch heraus und verbarg darin das Geld. Dann erst, nachdem er das Tuch zweimal verknotet hatte, nahm er die Kette ab, zog die Uhr aus der Westentasche und legte Uhr und Kette auf den Tisch. Es war eine altmodische schwere silberne Uhr mit einem Schlüsselchen zum Aufziehen, mein Vetter zögerte, sie von der Kette loszumachen, sah sie eine Zeitlang zärtlich, beinahe herzlich an und sagte schließlich: »Weil du doch mein Vetter bist! Wenn du mir noch drei Kronen gibst, verkaufe ich dir auch die Uhr!« – Ich gab ihm ein ganzes Fünfkronenstück. Auch jetzt gab er mir den Rest nicht heraus. Er zog noch einmal sein Taschentuch hervor, löste langsam den Doppelknoten, packte die neue Münze zu den anderen, steckte alles in die Hosentasche und sah mir dann treuherzig in die Augen.

      »Auch deine Weste gefällt mir!« sagte ich nach einigen Sekunden. »Die möchte ich dir auch abkaufen.«

      »Weil du mein Vetter bist«, erwiderte er, »will ich dir auch die Weste verkaufen.« – Und ohne einen Augenblick zu zögern, legte er den Rock ab, zog die Weste aus und gab sie mir über den Tisch. »Es ist ein guter Stoff«, sagte Joseph Branco, »und die Knöpfe sind schön. Und weil du es bist, kostet sie nur zwei Kronen fünfzig.« – Ich zahlte ihm drei Kronen, und ich bemerkte deutlich in seinen Augen die Enttäuschung darüber, daß es nicht noch einmal fünf Kronen gewesen waren. Er schien verstimmt, er lächelte nicht mehr, aber verbarg dieses Geld schließlich ebenso sorgfältig und umständlich wie die früheren Münzen. Ich besaß nun, meiner Meinung nach, das Wichtigste, das zu einem echten Slowenen gehört: eine alte Kette, eine bunte Weste, eine steinschwere, stehende Uhr mit Schlüsselchen. Ich wartete keinen Augenblick mehr. Ich zog mir alle drei Dinge auf der Stelle an, zahlte und ließ einen Fiaker holen. Ich begleitete meinen Vetter in sein Hotel, er wohnte im »Grünen Jägerhorn«. Ich bat ihn, am Abend auf mich zu warten, ich wollte ihn abholen. Ich hatte vor, ihn meinen Freunden vorzustellen.

       Kapitel 4

      Der Form halber, als Ausrede und um meine Mutter zu beruhigen, hatte ich Jus inskribiert. Ich studierte freilich nicht. Vor mir breitete sich das große Leben aus, eine bunte Wiese, kaum begrenzt von einem sehr, sehr fernen Horizontrand. Ich lebte in der fröhlichen, ja ausgelassenen Gesellschaft junger Aristokraten, jener Schicht, die mir neben den Künstlern im alten Reich die liebste war. Ich teilte mit ihnen den skeptischen Leichtsinn, den melancholischen Fürwitz, die sündhafte Fahrlässigkeit, die hochmütige Verlorenheit, alle Anzeichen des Untergangs, den wir damals noch nicht kommen sahen. Über den Gläsern, aus denen wir übermütig tranken, kreuzte der unsichtbare Tod schon seine knochigen Hände. Wir schimpften fröhlich, wir lästerten sogar bedenkenlos. Einsam und alt, fern und gleichsam erstarrt, dennoch uns allen nahe und allgegenwärtig im großen, bunten Reich lebte und regierte der alte Kaiser Franz Joseph. Vielleicht schliefen in den verborgenen Tiefen unserer Seelen jene Gewißheiten, die man Ahnungen nennt, die Gewißheit vor allem, daß der alte Kaiser starb, mit jedem Tage, den er länger lebte, und mit ihm die Monarchie, nicht so sehr unser Vaterland wie unser Reich, etwas Größeres, Weiteres, Erhabeneres als nur ein Vaterland. Aus unsern schweren Herzen kamen die leichten Witze, aus unserem Gefühl, daß wir Todgeweihte seien, eine törichte Lust an jeder Bestätigung des Lebens: an Bällen, am Heurigen, an Mädchen, am Essen, an Spazierfahrten, Tollheiten aller Art, sinnlosen Eskapaden, an selbstmörderischer Ironie, an ungezähmter Kritik, am Prater, am Riesenrad, am Kasperltheater, an Maskeraden, am Ballett, an leichtsinnigen Liebesspielen in den verschwiegenen Logen der Hofoper, an Manövern, die man versäumte, und sogar noch an jenen Krankheiten, die uns manchmal die Liebe bescherte.

      Man wird begreifen, daß mir die unerwartete Ankunft meines Vetters willkommen war. Keiner meiner leichtfertigen Freunde hatte solch einen Vetter, solch eine Weste, solch eine Uhrkette, eine solch nahe Beziehung zu der originellen Erde des sagenhaften slowenischen Sipolje, der Heimat des damals noch nicht vergessenen, aber immerhin bereits legendären Helden von Solferino.

      Am Abend holte ich meinen Vetter ab. Sein glänzender Satinrock machte auf alle meine Freunde einen mächtigen Eindruck. Er stammelte ein unverständliches Deutsch, lachte viel mit seinen blanken, starken Zähnen, ließ sich alles bezahlen, versprach, neue Westen und Ketten in Slowenien für meine Freunde zu kaufen, und nahm gerne Anzahlungen entgegen. Denn alle beneideten mich um Weste, Kette, Uhr. Alle hätten sie mir am liebsten den ganzen Vetter abgekauft, meine Verwandtschaft und mein Sipolje.

      Mein Vetter versprach, im Herbst wiederzukommen. Wir begleiteten ihn alle zur Bahn. Ich besorgte ihm ein Billett zweiter Klasse. Er nahm es, ging zur Kasse, und es gelang ihm, es gegen ein Billett dritter umzutauschen.

      Von dort aus winkte er uns noch zu. Und uns allen brach das Herz, als der Zug aus der Station rollte; denn wir liebten die Wehmut ebenso leichtfertig wie das Vergnügen.

       Kapitel 5

      Ein paar Tage noch sprachen wir in unserer heiteren Gesellschaft von meinem Vetter Joseph Branco. Dann vergaßen wir ihn wieder – das heißt: wir legten ihn gleichsam vorläufig ab. Denn die aktuellen Torheiten unseres Lebens wollten besprochen und gewürdigt werden.

      Erst im Spätsommer, gegen den zwanzigsten August, erhielt ich von Joseph Branco in slowenischer Sprache einen Brief, den ich meinen Freunden noch am gleichen Abend übersetzte. Er beschrieb die Kaiser-Geburtstagsfeier in Sipolje, die Feier des Veteranenvereins. Er selbst war noch ein zu junger Reservist, um den Veteranen anzugehören. Dennoch marschierte er mit ihnen aus, in die Waldwiese, wo sie an jedem achtzehnten August ein Volksfest veranstalteten, einfach, weil keiner von den alten Leuten noch so kräftig war, die große Kesselpauke zu tragen. Es gab fünf Hornisten und drei Klarinettbläser. Aber was ist eine Marschkapelle ohne Kesselpauke?

      »Merkwürdig«, sagte der junge Festetics, »diese Slowenen! Die Ungarn nehmen ihnen die primitivsten nationalen Rechte, sie wehren sich, sie rebellieren sogar gelegentlich oder haben zumindest den Anschein zu rebellieren, aber sie feiern den Geburtstag des Königs.«

      »In dieser Monarchie«, erwiderte Graf Chojnicki, er war der älteste unter uns, »ist nichts merkwürdig. Ohne unsere Regierungstrottel« (er liebte starke Ausdrücke) »wäre ganz gewiß auch dem äußerlichen Anschein nach gar nichts merkwürdig. Ich will damit sagen, daß das sogenannte Merkwürdige für Österreich-Ungarn das Selbstverständliche ist. Ich will zugleich damit auch sagen, daß nur diesem verrückten Europa der Nationalstaaten und der Nationalismen das Selbstverständliche sonderbar erscheint. Freilich sind es die Slowenen, die polnischen und ruthenischen Galizianer, die Kaftanjuden aus Boryslaw, die Pferdehändler aus der Bacska, die Moslems aus Sarajevo, die Maronibrater aus Mostar, die ›Gott erhalte› singen. Aber die deutschen Studenten aus Brunn und Eger, die Zahnärzte, Apotheker, Friseurgehilfen, Kunstphotographen aus Linz, Graz, Knittelfeld, die Kröpfe aus den Alpentälern, sie alle singen ›Die Wacht am Rhein›. Österreich wird an dieser Nibelungentreue zugrunde gehn, meine Herren! Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie. Österreich ist nicht in den Alpen zu finden, Gemsen gibt es dort und Edelweiß und Enzian, aber kaum eine Ahnung von einem Doppeladler. Die österreichische Substanz wird genährt und immer wieder aufgefüllt von den Kronländern.« Baron Kovacs, junger Militäradel ungarischer Nationalität, klemmte das Monokel ein, wie es immer seine Gewohnheit war, wenn er etwas besonders Wichtiges sagen zu müssen glaubte. Er sprach das harte und singende Deutsch der Ungarn, nicht so sehr aus Notwendigkeit wie aus Koketterie und Protest. Dabei rötete sich sein eingefallenes Gesicht, das an unreifes, zu wenig gegorenes Brot erinnerte, heftig und unnatürlich. »Die СКАЧАТЬ