Die zweite Gruppe AL JIHAD (Heiliger Kampf) wird von AIMAN AS SAWAHRI mit ca. 20.000 Anhängern geführt, mit dem Ziel Gewalt in der ägyptischen Gesellschaft anzuwenden, um die Errichtung eines islamischen Gottesstaates zu erreichen.( Vgl. Ebenda)
Die dritte Gruppe IKHWAN AL MUSLIMIN (Muslimbruderschaft) wird geführt von MAHMUN AL HUDAIBI, die ca. 200.000 Anhänger hat. Deren Ziel ist die Anwendung des islamischen Rechtes (die Scharia) und die Errichtung von sozialen Organisationen zur Unterstützung der ärmeren Bevölkerungsschichten durchzusetzen.( Vgl. Ebenda)
Das wesentliche Ziel dieser Arbeit ist es, einerseits die Ursache für die Entstehung der Fundamentalisten in Ägypten im Laufe meiner Arbeit zu analysieren und andererseits das Bild des Islams, das vor allem in europäischen Ländern gegenwärtig ist, richtigzustellen.
Indem die Unterschiede innerhalb der „islamischen Welt“ aufgezeigt werden, kann von einer vorurteilsfreien Grundlage heraus das Verhältnis von Islam und Fundamentalismus verdeutlicht werden. Die Auseinandersetzung mit dieser komplexen Thematik erfordert eine gewisse Sensibilität und ist infolgedessen kein leichtes Vorhaben.
Jedoch ist es meine Überzeugung, daß die aus verkehrten Bildern resultierenden Vorurteile und Mißverständnisse zwischen den unterschiedlichen Weltanschauungen zu beseitigen sind und damit nicht nur einen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung zu leisten, sondern auch die Möglichkeit zu schaffen, zwischen der islamischen und europäischen Kultur mehr Toleranz und Verständnis zu erreichen.
1.1. Bedeutung und Ziele des sogenannten islamischen Fundamentalismus
Der Begriff „Fundamentalismus“ bedeutet im allgemeinen ein Zurückgreifen auf die Fundamente, die bei vielen Menschen durch unterschiedliche Lebensstile und Entwürfe, eigene Ideen, weltanschauliche, politische oder religiöse Systeme erprobt und auf ihre Brauchbarkeit für das eigene Leben überprüft worden sind.
Das zeigt uns, wie wichtig es ist, ein Fundament zu haben, etwas Festes, an das man sich halten, auf das man bauen kann. Die Suche nach alten Fundamenten, die nicht menschenfeindlich sind, ist etwas Positives, denn solange ich suche, bin ich offen für Neues.( Hubertus Mynarek: Denkverbot „Fundamentalismus in Christentum und Islam“; München 1992; S. 22)
Dieses Suchen ist für die Menschen sinnvoll, weil es zu einer Erweiterung ihrer Lebensanschauung und Vertiefung ihres Bewußtseins führt.
Der Fundamentalismus im engeren Sinn beginnt dann, wenn man vorschnell bei einer Einsicht, einer Überzeugung oder einem Weltbild stehenbleibt und dieses für ewig unerschütterlich und unveränderlich hält.( Ebenda)
Der Begriff Fundamentalismus stammt aus der innerchristlichen Auseinandersetzung in den USA im 19. und 20. Jahrhundert.( Jäggi, Christian / Krieger, David: Fundamentalismus, ein Phänomen der Gegenwart; Zürich 1991; S. 19)
Am Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in den protestantischen Kirchen der USA zu einer evangeliaren Erweck-
ungsbewegung, mit dem Versuch, eine Theologie und Lebensführung zu praktizieren, die sich streng an die empfundenen Fundamente der christlich-protestantischen Religion halten wollte, ebenfalls in der Hoffnung und subjektiven Gewißheit, daß eine solche Lebensführung das Heil für den einzelnen und seine Gemeinschaft bringe.(Ebenda)
Der Fundamentalismus existiert in allen monotheistischen Religionen, wie z.B. die Heile-Welt-Ideologie der neuen christlichen Fundamentalisten der USA, welche den Patriotismus, die strenge Moral, den Antikommunismus, das Schulgebet, die Ablehnung von Verfassungsbestimmungen über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die Abschaffung der sexuellen Aufklärung in der Schule propagieren.( Vgl. Jäggi, Christian / Krieger, David; Fundamentalismus, ein Phäno-men der Gegenwart; Zürich 1991; S. 10)
Die Ähnlichkeit zwischen dem christlichen und islamischen Fundamentalismus liegt darin, daß beide ihre Ideologie darauf aufbauen, daß sie sich an die als solche verstandenen Fundamente ihrer Religion halten wollen und den Glauben hegen, die genaue Befolgung der in diesen Fundamenten enthaltenen Vorschriften sowie der wortwörtlich exakte Glaube an die in ihnen gegebenen Glaubenssätze würden das Heil bringen.( Hottinger, Arnold: a.a.O.; S. 7)
Genauso agieren die jüdisch-fundamentalistischen Gruppen wie z.B. die „Gush Emunim – Aktivisten“ und „Rabbi Kahane“, der bei einer Beerdigung von Opfern eines palästinensischen Terroranschlages öffentliche Rache predigte. Er sagte dabei wörtlich, daß „alle Nicht-Juden in Israel mit dem berühmten biblischen Feind, den Amalekiten, gleichzusetzen und durch die von Gott Erwählten zu dezimieren seien“.( Jäggi, Christian / Krieger, David; a.a.O.; S. 13)
Weiters möchte ich den Begriff Fundamentalismus aus den unterschiedlichen islamischen und europäischen Perspektiven darstellen, wie etwa aus der Sicht des ägyptischen Politologen Refat el Said der meint, daß jede Art von Fundamentalismus eine radikale Antwort auf eine als bedrohlich empfundene, existentielle Verunsicherung ist.( ASFUR, Mohammas: al-Islam assiyasi wa al-Irhab; Kairo 1995; S. 23-28) Diese resultiert aus der Unfähigkeit eines bestehenden sozialpoliti-
schen Systems, Sinn, Identität, Motivation, Orientierung, Geborgenheit, Lebenswärme und Heimat zu vermitteln. Deshalb ist die Fundamentalismusfrage primär eine Systemfrage.(Ebenda) Und jeder Fundamentalismus ist radikal, insofern er sich vermeintlich zu den Wurzeln hinabgräbt, zu einem theoretischen Anfang, den er verabsolutiert und als einzig tragfähiges Fundament menschlicher Existenz anbietet. Diese Verabsolutierung, die von einer Erlösungshoffnung geleitet ist und die Condition humaine aufheben möchte, hat auch die Funktion einer Immunisierung des Ursprung-Fundaments gegen jedes kritische Denken.(Ebenda)
Aus der Sicht des Politologen Tibi ist der islamische Fundamentalismus nicht homo religiosus, sondern politische
Ideologie und eine Aktivität, der durch den Rückgriff auf die Religion Millionen von verzweifelten Menschen in einer desperaten Situation mobilisieren kann.( Bassam, Tibi: Der Islam und die Weltpolitik; München 1992; S. 11)
Tibi meint, daß der Islam die Zivilisation einer monotheistischen Religion und zugleich das kulturelle System von 1,2 Milliarden Menschen ist. Es besteht kein Widerspruch darin, für einen Dialog mit dem Islam einzutreten und gleichzeitig vor den Bestrebungen der Fundamentalisten zu warnen. Denn es sind unterschiedliche Gegenstände, die nicht miteinander identisch sind.
In der arabischen Literatur wird der Begriff „Alusuliyya“ mit dem westlichen Begriff Fundamentalismus gleichgesetzt. Alusuliyya ist für die Muslime im allgemeinen die Sprache des Islam, damit ist gemeint, daß die islamischen Vorschriften beachtet und angewendet werden, aber die spezifi-
sche Bedeutung dieses Wortes im Islam wird als „din wa daula“ (Religion und Staat) definiert. Damit ist gemeint, daß alle Lebensbereiche politisch, sozial und wirtschaftlich für die Muslime im absoluten Einklang mit den religiösen Vorschriften des Islam stehen.(Ebenda)
In der vorliegenden Arbeit wird sehr häufig der Begriff Islamischer Fundamentalismus verwendet und an wenigen Stellen der Ausdruck Islamismus eingesetzt. Obwohl in der Realität Islamischer Fundamentalismus oder Islamismus das gleiche Ziel haben, nämlich die Umwandlung der Religion in eine Ideologie nur mit dem Unterschied, daß der Fundamentalismus СКАЧАТЬ