Der Schrei des Subjekts. Franz Josef Hinkelammert
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Schrei des Subjekts - Franz Josef Hinkelammert страница 15

Название: Der Schrei des Subjekts

Автор: Franz Josef Hinkelammert

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783738051421

isbn:

СКАЧАТЬ die nicht von der Welt sind. Da ist dann die Welt eine Torheit für die, die nicht von der Welt sind, und die, die nicht von der Welt sind, sind Toren für diejenigen, die von der Welt sind. Für Paulus ist dies “nicht von der Welt” sein die “Weisheit Gottes”. Johannes führt dies weiter. Die Rettung der Welt sieht er als Rettung von dieser Sünde, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird. Jetzt ist die Weisheit Gottes die andere Seite dieses lebenden Menschen als Subjekt, der rebelliert um das Gesetz im Namen des Lebens herauszufordern und um damit das menschliche Leben zu befreien.

      Das, was Johannes hier als Botschaft der Befreiung sieht, spricht aus dem Munde des Johannes des Täufers aus. Dieser sagt nach dem Evangelium des Johannes über Jesus: “Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.” (Joh 1, 29)

      Da die Sünde im Singular steht, handelt es sich um die Sünde, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird. Es handelt sich nicht um die Sünden und daher nicht um Gesetzesverletzungen. Die Sünde der Welt ist die Sünde, die darin besteht, von der Welt zu sein. Es ist die Sünde, die als Fluch nicht nur über dem Gesetze liegt, sondern über der Welt liegt. Johannes spricht seine Sicherheit aus, daß Jesus diese Sünde von der Welt nehmen wird, daß er diesen Schleier von der Welt nimmt, der die Wirklichkeit verschwinden läßt hinter der Tautologie der Gesetzeserfüllung um des Gesetzes willen. Es ist die Hoffnung des Johannes, der glaubt, daß der Mord an Jesus die Augen öffnen wird derer, die blind waren. Dies hat nicht im geringsten eine sakrifizielle Bedeutung. Es ist nicht die Fruchtbarkeit eines Opfers, die Johannes erwarte, auch wenn er das Lamm ein Opferlamm ist. Es ist gerade bei Johannes das Opferlamm, dessen Tod enthüllt, was die Bosheit des Gesetzes ist, die nämlich darin besteht, Menschen zu opfern. Hier wird nicht in Jesus ein Mensch geopfert, damit dieses Opfer fruchtbar werde, sondern die Opferung dieses Menschen offenbart, daß jedes Menschenopfer, auch die Opferung Jesu, Mord ist und als Opfer keinerlei Fruchtbarkeit hat. Im sakrifiziellen Sinne ist jedes Opfer ein unsinniges Opfer Auch die Opferung Jesu ist unsinnig und hat nicht den geringsten Sinn. Dadurch aber zeigt sie, daß jedes Menschenopfer unsinnig ist und keine Fruchtbarkeit hat. Die Hoffnung des Johannes ist es, daß der Tod Jesu als unsinniger Tod die Bosheit des Gesetzes um des Gesetzes willen so definitiv zeigt, daß selbst die verhärteten Herzen durchdringbar werden, damit die Sünde von der Welt genommen werde, die darin besteht, von der Welt zu sein.

      Das Johannesevangelium stellt sich daher die Frage: Warum und wie tötete die Welt, die von der Welt ist, Jesus? Und die andere Frage: Warum und wie nimmt dieser Tod die Sünde der Welt hinweg? Die Antwort setzt gerade voraus, daß dieser Tod keinen Sinn hat. Warum also? Weil die Welt, wenn sie von der Welt ist, den haßt, der nicht von der Welt ist. Aber warum nimmt dieser Tod die Sünde der Welt hinweg? Deshalb, weil er keinen Sinn hat. Hätte dieser Tod Sinn, wäre überhaupt der Tod nicht sinnlos. Dann könnte selbst die Sünde gerechtfertigt werden, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird. Dennoch geschieht etwas durch diesen Tod. Da er die Sinnlosigkeit des Tötens zeigt, macht er die Tatsache transparent, daß alle Menschenopfer – und die Sünde die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird, ist ein Menschenopfer – ohne Sinn sind. Johannes geht nicht in die Falle, die darin besteht, für den Tod Jesu einen sakrifiziellen Sinn zu suchen, den er gar nicht hat. Aber durch diesen Tod geschieht etwas, indem die Bosheit des Gesetzes transparent wird. Aber das kann nur geschehen, weil dieser Tod keinen Sinn hat. Er kann eine Transparenz der Welt eröffnen, die die Sünde von der Welt hinwegnimmt. Dies ist die Hoffnung des Johannes. Er drückt sie durch ein Wort Jesu im Evangelium aus: “Wenn ihr werdet den Menschensohn erhöht haben, dann werdet ihr erkennen, daß ich bin…” (Joh 8, 27) Hier ist kein sakrifizieller Sinn ausgesprochen, ssondern eine Erkenntnis. Ihnen wird ein Licht aufgehen.

      Dahinter steht die Überzeugung des Johannes, die er mit Paulus teilt, daß der Tod Jesu selbst die Sünde ist, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird. Er ist letztlich überhaupt das. In aller Sünde, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird, ist diese Sünde als solche mit enthalten. Daher besteht Johannes darauf, daß Jesus verurteilt wurde nach dem Gesetz und daß das Urteil dem Gesetz entsprach. Das Gesetz wurde nicht mißbraucht, um Jesus töten zu können, sondern das Gesetz, als Gesetz das seiner selbst willen erfüllt wird, verurteilte Jesus zum Tode und zwar mit Recht. Jesus wurde zu recht zum Tode verurteilt, nicht aus irgendwelchen mörderischen Absichten, die das Gesetz zum Vorwand nahmen und es mißbrauchten. Dies ist nur bei Paulus und Johannes ganz ausdrücklich so ausgesagt. Bei Johannes sind die Hohen Priester politische Realisten und Gesetzesmenschen. Es ist das Gesetz, das den Tod Jesu fordert. Als dann die Hohen Priester von Pilatus in die Enge getrieben sind, klagen sie Jesus an und riskieren dabei ihr eigenes Leben. Sie sind wirklich Männer des Gesetzes, und insofern spricht Johannes sogar mit Hochachtung von ihnen. Sie sind bei Johannes nicht einfach die Mörder, wie sie es bei Mathäus zu sein scheinen. Sie fordern den Tod Jesu, weil dies das Gesetz verlangt und sie tuen es mit Überzeugung und mit Mut.

      Aber das ist der Skandal. Es ist nicht der Skandal der Hohen Priester, sondern der Skandal des Gesetzes und der Skandal des Kreuzes. Es enthüllt sich etwas. Es enthüllt sich, daß das Gesetz in seiner Logik Jesus, der für Johannes das Wort ist, das das Leben ist, zu Recht zum Tode verurteilt. Schlimmer noch: es ist das von Gott gegebene Gesetz, das das tut. Daraus folgt dann, daß alles Gesetz, wenn es um seiner selbst willen erfüllt wird, diesen Skandal in sich trät, der dann einfach nur ausdrückt, was in seiner ganzen Bedeutung der Fluch ist, der über dem Gesetz liegt. Der Fluch des Gesetzes ist, Jesus als Wort, das das Leben ist, zu Recht zum Tode verurteilen zu müssen. Daher sind bei Johannes die Hohen Priester nicht mörderische, sondern tragische Figuren. In ihnen geschieht eine Tragödie, die aus diesem Skandal des Gesetzes erwächst.

      Daher bricht im Tod Jesu für Johannes wie auch für Paulus das Gesetz an sich selbst. Für sie tötet es in Jesus das Leben selbst. Dadurch aber verliert es jede Legitimität, die es an sich durch seine Legalität zu haben beansprucht. Es hat sich enthüllt, was das Gesetz ist.

      Dieser Schluß aber hängt völlig davon ab, daß die Verurteilung Jesu rechtens war. War sie nicht rechtens, enthüllt sie ja nicht, was das Gesetz ist. Der Fluch, der über dem Gesetz liegt, enthüllt sich nur, wenn Jesus durch das Gesetz rechtens verurteilt wurde. Daher stellen sowohl Paulus als auch Johannes dieses Urteil als rechtens dar. Dies ist für die ihre Position der Kritik des Gesetzes völlig zentral. Es sind nicht die Hohen Priester, aber auch nicht Pilatus, die Jesus verurteilen. Jesus wird verurteilt durch das Gesetz, das durch die Hohen Priester und durch Pilatus hindurch spricht. Es ist die Welt, die Jesus verurteilt. Die ihn verurteilen, sind von der Welt. Indem sie von der Welt sind, sprechen sie ein Gesetz aus, das um seiner selbst willen zu erfüllen ist. Daher enthüllt diese Verurteilung nicht etwa die Bosheit des Pilatus oder der Hohen Priester, sondern die Bosheit des Gesetzes und zwar die Bosheit allen Gesetzes und aller Gesetzlichkeit.

      Bei Matthäus wird Jesus gekreuzigt, weil er leidenschaftlich gehaßt wird. In der Verurteilung Jesu wird das Gesetz mißbraucht. Bei Johannes gibt es dieser Art Haß überhaupt nicht. Die Gegner Jesu argumentieren mit dem Gesetz und ohne Leidenschaft. Sie sind ehrenwerte und sogar mutige Männer. Aber durch diese Ehrenhaftigkeit und durch diesen Mut hindurch verwirklicht sich die Bosheit des Gesetzes. Johannes sagt, daß die Welt haßt. Aber sie hat keinen leidenschaftlichen Haß. Ihr Haß ist Teil des Gesetzes selbst und seiner Funktionalisierung als Selbstzweck. Steiner sagt vom Johannesevangelium:

      “Bezeichnenderweise empfand Bach, daß es sich der Vertonung widersetzt. Seiner Johannespassion fehlt ein sicheres Zentrum.”7

      Tatsächlich, Bach konnte einen leidenschaftlichen Haß vertonen, aber nicht diesen Gesetz gewordenen, rationalisierten Haß ohne Leidenschaft, der der Haß der Welt ist.8 Ich wüßte auch nur eine Musik, die so etwas vertonen kann, nämlich die Musik von Schönbergs Sprechgesängen, wie sie gerade in seinem Sprechgesang über das Warschauer Ghetto vorliegt. Der Bachschen Musik entspricht dies nicht.

      Offensichtlich kann es diesem Phänomen gegenüber nicht um die Vergebung der Sünde der Welt gehen. Daher besteht Johannes in seinem Evangelium darauf, daß der Ausweg aus dieser Sünde nicht die Vergebung sein kann. Die Vergebung von Sünden setzt СКАЧАТЬ