Tag 1 - Als Gott entstand. Stefan Koenig
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Название: Tag 1 - Als Gott entstand

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783742724809

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Zunächst vermochte Rafael diese schwere Aufgabe nicht zu lösen. In seiner Heimat war er oft auf Bäume geklettert, um Obst zu pflücken. Hier aber hingen die Früchte nicht an einem Ast, sondern in der Luft. Außer Würfeln gab es nichts, worauf er hätte klettern können. Aber auch vom größten Würfel aus konnte er nicht bis zu den Aprikosen langen.

      Während Rafael die Würfel hin und her drehte, machte er ganz ZUFÄLLIG eine Entdeckung: Stellte er zwei Würfel aufeinander, so kam er den Aprikosen etwas näher. Allmählich baute Rafael eine Pyramide aus drei, vier, schließlich aus fünf Würfeln. Das war gar nicht so einfach. Man konnte die Würfel nicht beliebig aufeinanderstellen, sondern sie mussten eine bestimmte Reihenfolge haben: zuunterst große, dann kleinere, oben ganz kleine.

      Oft machte Rafael den Fehler, die größeren Würfel auf kleinere zu stellen. Dann begann die ganze Konstruktion bedenklich zu wackeln. Im nächsten Augenblick drohte die ganze Pyramide mit Rafael zusammenzustürzen. Dazu kam es aber nicht, da Rafael geschickt wie ein Affe war. Bald war die Aufgabe gelöst. Er hatte alle sieben Würfel der Größe nach aufeinandergestellt, so, als hätte er die angeschriebenen Nummern lesen können – was natürlich nicht der Fall war.

      Endlich, auf der Spitze der Pyramide, hält er nun das Eimerchen und frisst mit größtem Vergnügen die ehrlich verdienten Aprikosen. Welches andere Tier vermag sich so menschenähnlich zu benehmen? Könnte man einem Hund den Bau einer Pyramide zutrauen? Und dabei ist doch der Hund ein äußerst verständiges Tier.

      Wenn Rafael „arbeitet“, ist seine Menschenähnlichkeit geradezu verblüffend. Er packt einen Würfel, nimmt ihn auf die Schulter und trägt ihn zur Pyramide. Aber der Würfel passt nicht. Da stellt er ihn auf die Erde, setzt sich darauf und überlegt. Nachdem er sich erholt hat, fängt er von vorne an – und vermeidet den begangenen Fehler.

      Wenn dem aber so ist, könnte man dann nicht dem Schimpansen beibringen, menschlich zu gehen, zu denken, (an Gott zu glauben) und zu arbeiten? Dies zu erreichen war der Traum des berühmten Dresseurs Durow. Er ließ seinem Liebling Mimus die denkbar sorgfältigste Erziehung zuteilwerden, und Mimus erwies sich als ein sehr verständiger Schüler: Er lernte den Löffel richtig zu benützen, sich eine Serviette umzubinden, auf dem Stuhl zu sitzen, beim Suppe essen keine Flecken zu machen und schließlich auf einem Schlitten den Berg hinunter zu rodeln.

      Und doch ist aus Mimus kein Mensch geworden.

      Das war auch nicht anders zu erwarten. Denn die Wege des Menschen und des Schimpansen haben sich vor langer Zeit voneinander getrennt. Die Vorfahren des Menschen stiegen von den Bäumen auf die Erde hinab, begannen auf zwei Füßen zu gehen und mit den Händen zu arbeiten. Dagegen blieben die Vorfahren des Schimpansen auf den Bäumen und passten sich dem dortigen Leben noch weiter an.

      Daher ist der Schimpanse auch anders gebaut als der Mensch. Er hat andere Hände, andere Füße, kein solches Gehirn und nicht die gleiche Zunge. Sehen wir uns die Hand des Schimpansen an: Sie ist anders eingerichtet als die des Menschen. Der Daumen steht nicht so weit seitwärts wie beim Menschen, und er ist kleiner als dessen kleiner Finger. Bei uns ist der Daumen der wichtigste in jenem Team von fünf Arbeitern, die man die Hand nennt. Er vermag mit jedem einzelnen der übrigen vier und mit allen gemeinsam zu arbeiten. Deshalb kann unsere Hand so geschickt mit den verschiedenartigsten Werkzeugen umgehen.

      Wenn sich der Schimpanse eine Frucht pflücken will, hält er sich häufig mit den Händen an einem Ast fest, um mit dem Fuß danach zu greifen. Geht er dagegen auf der Erde, so stützt er sich auf die zusammengebogenen Finger der Hände. Er benützt also oft seine Hände als Füße und die Füße als Hände. Aber nicht nur die Verschiedenartigkeit im Bau der Hände und Füße, sondern noch etwas anderes, sehr Wichtiges lassen jene Dresseure außeracht, die aus Schimpansen Menschen zu machen suchen. Sie vergessen, dass das Gehirn des Schimpansen viel kleiner und unkomplizierter ist als das des Menschen.

      Pawlow, der während langer Jahre die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns studiert hatte, beobachtete mit dem größten Interesse das Benehmen seiner Gäste Rosa und Rafael. Er verbrachte lange Zeit im Affenstall, studierte ihr Verhalten und stellte fest, dass es ungeordnet und weitgehend verständnislos war. Ehe sie eine Sache beendeten, begannen sie schon eine neue.

      Voller Ernstes sehen wir Rafael damit beschäftigt, seine Pyramide zu bauen. Plötzlich bemerkt er einen Ball, wirft die Würfel um und lässt den Ball zwischen dem Boden und seiner langen, behaarten Hand hin- und herspringen. Im nächsten Augenblick ist der Ball vergessen: Rafaels ganze Aufmerksamkeit gilt einer Fliege, die am Boden kriecht. In den chaotischen Handlungen des Affen spiegelt sich deutlich die chaotische Arbeit seines Gehirns, während die Arbeit des menschlichen Gehirns gar nicht ungeordnet, sondern gesammelt und konzentriert ist. Und doch ist der Affe dem Leben im Wald ausreichend angepasst und besitzt genug Verständigkeit für jene Welt, an die er durch viele unsichtbare Ketten gebunden ist.

      Einmal kam ein Filmregisseur in die Wohnung von Rosa und Rafael, um die Beiden zu filmen. Nach seinem Drehbuch sollten die Affen für kurze Zeit aus dem Haus gelassen werden. Kaum waren sie frei, kletterten sie sofort auf einen nahen Baum und begannen voller Begeisterung, mit den Händen an einem Ast hängend, zu schaukeln. Auf dem Baum fanden sie es viel gemütlicher als zu Hause in ihrer gut eingerichteten Wohnung.

      In Afrika lebt der Schimpanse in den oberen Stock­werken des Waldes. In den Zweigen baut er sich sein Nest. Er klettert auf den Baum, wenn er vor einem Feind flüchtet. Auf dem Baum findet er sein Essen – Früchte und Nüsse. Er hat sich den Bäumen so angepasst, dass er sich auf einem senkrechten Stamm viel besser bewegt als auf ebener Erde. Wo kein Wald ist, findet man auch keine Schimpansen.

      In den 1980er-Jahren flog eine Forscherin nach Kamerun in Afrika, um wieder einmal das Leben der Schimpansen in ihrer Heimat zu studieren. Sie fing zehn Schimpansen ein und siedelte sie in der Nähe ihres Hauses im Wald an, so dass sie sich ganz ungestört fühlten. Damit sie nicht weglaufen konnten, baute sie ihnen einen unsichtbaren Käfig. Zur Herstellung dieses Käfigs genügte ein Werkzeug: eine Motorsäge. Die Holzfäller brauchten nur die Bäume rings um eine abgesteckte Fläche zu fällen, so dass eine kleine Wald-Insel inmitten einer Lichtung übrigblieb. In dieses Wäldchen kamen die Affen.

      Die Berechnung der Forscherin war richtig. Der Affe ist ein Waldtier. Freiwillig würde er den Wald nicht verlassen. So wie es dem Eisbären unmöglich ist, in der Wüste zu leben, so kann ein Affe nicht auf einer Lichtung existieren.

      Aber wenn der Schimpanse den Wald nicht verlassen kann, wie gelang dies seinem Verwandten, dem Menschen?

      Unsere Waldvorfahren verließen ihren Käfig nicht innerhalb eines Tages oder eines Jahres. Hunderttausende von Jahren vergingen, bis sie sich soweit frei gemacht hatten, dass sie aus dem Wald in die Steppe und auf die wenig bewachsene Ebene hinaustreten konnten. Wenn es einem Baumtier gelingen sollte, die Kette, die es an den Wald fesselte, zu zerreißen, musste es vor allem vom Baum herabsteigen und lernen, auf ebener Erde zu gehen.

      Auch heute fällt es dem Menschen schwer, gehen zu lernen. Wer von uns kennt sie nicht, die Kriechkinder aus der Krabbelstube. Krabbelkinder sind Kinder, die nicht mehr an ihrem Platz bleiben wollen, aber noch nicht gehen können. Es dauert fast einen Monat (bei einigen etwas kürzer, bei anderen etwas länger), bis sich das kriechende Kind in einen Fußgänger verwandelt hat. Aufrecht zu gehen, ohne sich mit den Händen auf den Boden zu stützen oder sich an anderen Gegenständen festzuhalten, ist gar nicht einfach. Da hat es das Fohlen und fast alle anderen Tiernachkömmlinge einfacher. Hierin wiederspiegelt sich unser Jahrtausende langer Kampf ums aufrechte Gehen.

      Gehen zu lernen ist viel schwieriger, als Rad fahren zu lernen. Während ein Kind Monate braucht, um sicher aufrecht laufen zu lernen, brauchten unsere Vorfahren zu diesem wichtigen Entwicklungsschritt Jahrtausende. Zu jener Zeit, als unsere Ahnen noch auf Bäumen lebten, geschah es zuweilen, dass СКАЧАТЬ