Von Frauen und Kindern. Anton Tschechow
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Название: Von Frauen und Kindern

Автор: Anton Tschechow

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753126784

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СКАЧАТЬ zum Bedecken der Zahlen. In der Mitte des Tisches steht eine Untertasse mit fünf Einkopekenstücken. Neben der Untertasse ein angebissener Apfel, eine Schere und ein Teller, in den eigentlich die Nussschalen gelegt werden sollen. Die Kinder spielen um Geld. Der Satz ist eine Kopeke. Abmachung: wenn einer mogelt, wird er sofort an die Luft gesetzt. Im Speisezimmer ist außer den Spielern niemand. Die Wärterin, Agafja Iwanowna, sitzt unten in der Küche und zeigt der Köchin das Zuschneiden an, während der ältere Bruder Wassja, seines Zeichens Tertianer, im Salon auf dem Sofa liegt und sich langweilt.

      Das Spiel ist aufregend. Die größte Erregung liegt auf dem Gesicht von Grischa. Das ist ein kleiner neunjähriger Junge mit einem kahl geschorenen Kopf, Pausbacken und Lippen, so dick wie bei einem Neger. Er geht schon in die Vorbereitungsschule und gilt darum für den allergrößten und klügsten. Spielen tut er ausschließlich wegen des Geldes. Würden auf der Untertasse keine Kopeken liegen, so hätte er sich schon lange schlafen gelegt. Seine braunen Augen laufen unruhig und neidisch auf den Karten der Partner umher. Die Angst, daß er vielleicht nicht gewinnen könnte, der Neid und finanzielle Erwägungen, die seinen glatten Kopf erfüllen, lassen ihn nicht ruhig sitzen und seine Aufmerksamkeit sammeln. Er dreht sich herum wie auf Nadeln. Wenn er gewonnen hat, ergreift er gierig das Geld und steckt es sofort in die Tasche. Seine Schwester Anja, ein Mädchen von acht Jahren mit einem spitzen Kinn und klugen, glänzenden Augen vergeht auch vor Angst, daß jemand gewinnt. Sie wird bald rot, bald blaß und folgt aufmerksam den Bewegungen der Spieler. Die Kopeken interessieren sie nicht. Glück beim Spiel zu haben ist für sie eine Sache des Ehrgeizes. Die andere Schwester Ssonja, die einen Lockenkopf und einen Teint hat, wie man ihn nur bei sehr gesunden Kindern, teuren Puppen und auf Bonbonnieren findet, spielt nur um des Prozesses des Spiels willen. Ihr Gesicht drückt Entzücken aus. Wer auch gewinnt, sie lacht immer gleich und klatscht in die Hände. Aljoscha, ein dickes, kugelrundes Bürschchen, keucht und pustet und stiert die Karten unverwandt an. Er kennt weder Habsucht noch Ehrgeiz. Man jagt ihn nicht vom Tisch, schickt ihn nicht schlafen – das ist auch schon was wert. Dem Ansehen nach ist er phlegmatisch, im Innern aber eine ziemliche Bestie. Er sitzt da, nicht so sehr um des Lotto willen, als wegen der Missverständnisse, die beim Spiel unvermeidlich sind. Es macht ihm ein unbändiges Vergnügen, wenn einer den andern schlägt oder schimpft. Er müßte aus gewissen Gründen schon lange auf einen Moment weggehen, aber er verläßt den Tisch nicht auf einen Augenblick aus Furcht, daß ihm jemand seine Gläserchen und Kopeken rauben könnte. Da er nur die Einer und die Zahlen, die auf Null endigen, kennt, so bedeckt Anja für ihn die Ziffern. Der fünfte Partner, der Sohn der Köchin, Andrej, ein brünetter, kränklicher Knabe in einer Kattunbluse und mit einem kupfernen Kreuz auf der Brust, steht unbewegt da und schaut die Zahlen nachdenklich an. Gewinn und fremdes Glück haben für ihn keinen Reiz. Er ist ganz versunken in die Arithmetik des Spiels, in die primitive Philosophie desselben; wieviel verschiedene Zahlen gibt es doch auf dieser Welt und wie erstaunlich ist es, daß sie nicht verwechselt werden!

      Die Zahlen werden von allen, außer von Ssonja und Aljoscha, ausgerufen. Die dauernde Praxis und die Einförmigkeit haben eine Menge technischer und komischer Ausdrücke für die Zahlen geschaffen, so heißt sieben – Schürhaken, elf – Stäbchen, siebenundsiebzig – Ssemjon Ssemjonowitsch, neunzig – Großpapa usw. Das Spiel geht rüstig vorwärts.

      »Zweiunddreißig!« ruft Grischa, die gelben Zylinderchen aus der Mütze des Vaters herausholend. – »Siebzehn! Schürhaken! Achtunddreißig – Grischa heiß ich.«

      Anja sah, daß Andrej die achtunddreißig verpaßt hatte. Zu einer anderen Zeit hätte sie ihn darauf aufmerksam gemacht, jetzt aber, wo auf dem Tellerchen neben dem Kopeken auch ihre Eitelkeit liegt, triumphiert sie.

      »Dreiundzwanzig!« fährt Grischa fort. – »Ssemjon Ssemjonowitsch! Neun!«

      »Ein Schwabe, ein Schwabe!« ruft Ssonja, auf einen über den Tisch laufenden Schwaben weisend. – »Ai! Schlag ihn nicht,« sagt im Basston Aljoscha. »Er hat vielleicht Kinder …«

      Ssonja verfolgt mit den Augen den Schwaben und denkt an seine Kinder: was müssen das doch für kleine Schwäbchen sein!

      »Dreiundvierzig! Eins!« fährt Grischa fort, unter dem Gedanken leidend, daß Anja schon zwei Reihen hat. »Sechs!«

      »Gewonnen! Ich hab' gewonnen!« schreit Ssonja, die Augen kokett verdrehend und lachend.

      Die Gesichter der Spieler verlängern sich.

      »Kontrollieren!« sagt Grischa, Ssonja voll Haß betrachtend.

      Nach dem Recht des Ältesten und Klügsten hat Grischa sich die entscheidende Stimme erobert. Was er sagt, wird getan. Ssonja wird einer langen und sorgfältigen Kontrolle unterzogen, und zum größten Leidwesen aller Mitspieler zeigt es sich, daß sie nicht gemogelt hat. Die nächste Partie beginnt.

      »Was ich gestern gesehen habe!« sagt Anja wie für sich. »Filipp Filippowitsch kehrte seine Lider so um, daß er ganz rote Augen bekam, so grausig, wie ein Teufel.«

      »Ich hab' es auch gesehen,« sagt Grischa. »Acht! Bei uns kann ein Schüler seine Ohren bewegen. Siebenundzwanzig.«

      Andrej sieht Grischa an, denkt über etwas nach und sagt dann:

      »Ich kann auch die Ohren bewegen …«

      »Nun, zeig mal!«

      Andrej bewegt die Augen, Lippen und Finger, und es scheint ihm, daß sich auch seine Ohren bewegen. Ein allgemeines Gelächter.

      »Es ist ein böser Mensch, dieser Filipp Filippowitsch,« seufzt Sonja. »Gestern kommt er zu uns ins Kinderzimmer herein, und ich bin bloß im Hemde … Und ich schämte mich so!«

      »Gewonnen!« schreit plötzlich Grischa, das Geld vom Teller wegraffend. »Ich hab' gewonnen! Kontrolliert, wenn ihr wollt!«

      Der Sohn der Köchin schaut empor und wird blaß.

      »Ich darf also nicht mehr spielen?« flüstert er.

      »Warum?«

      »Weil … weil ich kein Geld mehr hab'.«

      »Ohne Geld geht es nicht!« sagt Grischa.

      Andrej sucht für alle Fälle noch einmal in seinen Taschen. Als er in ihnen nichts, außer Brotkrumen und einem zerkauten Bleistiftende findet, verzieht er seinen Mund und beginnt verzweiflungsvoll mit den Augen zu zwinkern. Gleich fängt er an zu weinen …

      »Ich werde für dich setzen!« sagt Ssonja, die seinen Märtyrerblick nicht ertragen kann. »Aber weißt du, du mußt es mir später zurückgeben.«

      Das Geld wird eingezahlt und das Spiel geht weiter.

      »Es wird irgendwo geläutet,« sagt Anja und reißt ihre Augen auf.

      Alle hören auf zu spielen und sehen mit geöffnetem Munde aufs dunkle Fenster. Hinter den Scheiben flackert der Widerschein der Laterne.

      »Das kommt dir nur so vor.«

      »In der Nacht wird nur auf dem Friedhof geläutet …« sagt Andrej.

      »Wozu läutet man denn dort?«

      »Damit die Räuber nicht in die Kirche einbrechen. Vorm Läuten fürchten sie sich.«

      »Wozu brechen denn die Räuber in die Kirche ein?« fragt Ssonja.

      »Das ist doch klar: um die Kirchendiener totzuschlagen!«

      Eine СКАЧАТЬ