Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
isbn: 9783742772527
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herangeschwommen und nur noch einen Schleuderwurf von dem Felsen entfernt. Da plötzlich, das
Land mit dem Fuße abstoßend, schwang sich der Jüngling hoch empor in die Wolken. Das Tier sah
den Schatten des Mannes auf dem Meere. Während es tobend auf diesen losging, als auf einen
Feind, der ihm die Beute zu entreißen drohte, fuhr Perseus aus der Luft wie ein Adler herunter, trat
schwebend auf den Rücken des Tieres und senkte das Schwert, mit dem er die Meduse getötet hatte,
dem Haifisch unter dem Kopf in den Leib, bis an den Knauf. Kaum hatte er es wieder herausgezogen,
so sprang der Fisch bald hoch in die Lüfte, bald tauchte er wieder unter in die Flut, bald tobte er nach
beiden Seiten wie ein von Hunden verfolgter Eber. Perseus brachte ihm Wunde um Wunde bei, bis
ein dunkler Blutstrom sich aus seinem Rachen ergoß. Indessen troffen die Flügel des Halbgotts, und
Perseus wagte nicht länger, sich dem wasserschweren Gefieder anzuvertrauen. Glücklicherweise
erblickte er ein Felsriff, dessen oberste Spitze aus dem Meere hervorragte. Auf diese Felswand
stützte er sich mit der Linken und stieß das Eisen drei‐ bis viermal in das Gekröse des Ungetüms. Das
Meer trieb die ungeheure Leiche fort, und bald war sie in den Fluten verschwunden. Perseus hatte
sich indessen ans Land geschwungen, hatte den Felsen erklommen und die Jungfrau, die ihn mit den
Blicken des Dankes und der Liebe begrüßte, der Fesseln entledigt. Er brachte sie den glücklichen
Eltern, und der goldene Palast empfing ihn als Bräutigam. Noch dampfte das Hochzeitsmahl, und die
Stunden strichen dem Vater und der Mutter, dem Bräutigam und der geretteten Braut in
sorgenfreier Eile dahin, als plötzlich die Vorhöfe der Königsburg mit einem dumpfen, brausenden
Getümmel sich füllten. Phineus, der Bruder des Königs Kepheus, der früher um seine Nichte
Andromeda geworben, aber in der letzten Not sie verlassen hatte, nahte mit einer Schar von Kriegern
und erneuerte seine Ansprüche. Den Speer schwingend, trat er in den Hochzeitssaal und rief dem
erstaunten Perseus zu: »Sieh mich hier, der ich komme, die mir entrissene Gattin zu rächen; weder
deine Flügel noch dein Vater Zeus sollen dich mir entreißen!« So rief er, schon zum Speerwurfe sich
anschickend: da hub sich Kepheus, der König, vom Mahle. »Rasender Bruder«, rief er, »welcher
Gedanke treibt dich zur Untat? Nicht Perseus raubt dir die Geliebte; sie wurde dir schon damals
entrissen, als wir sie dem Tode preisgaben, als du zusahest, wie sie gefesselt wurde, und weder als
Oheim noch als Geliebter ihr deinen Beistand liehest. Warum hast du nicht selbst dir den Preis von
dem Felsen geholt, an den er geschmiedet war? So laß wenigstens den, der ihn sich errungen hat, der
mein Alter durch die Rettung meiner Tochter getröstet, in Ruhe!«
Phineus antwortete ihm nichts, er betrachtete nur abwechselnd mit grimmigen Blicken bald seinen
Bruder, bald seinen Nebenbuhler, als besänne er sich, auf wen er zuerst zielen sollte. Endlich nach
kurzem Verzuge schwang er mit aller Kraft, die der Zorn ihm gab, den Speer gegen Perseus; aber er
tat einen Fehlwurf, und die Waffe blieb im Polster hängen. Jetzt fuhr Perseus vom Lager empor und
schleuderte seinen Spieß nach der Türe, durch welche Phineus eingedrungen war, und er würde die
Brust seines Todfeindes durchbohrt haben, wenn dieser sich nicht mit einem Sprunge hinter den
Hausaltar geflüchtet hätte. Das Geschoß hatte die Stirne eines seiner Begleiter getroffen, und jetzt
kam das Gefolge des Eingedrungenen mit den längst von der Tafel aufgestörten Gästen ins
Handgemenge. Lang und mörderisch war der Kampf; aber der Eingebrochenen war die Mehrzahl.
Zuletzt wurde Perseus, an dessen Seite sich umsonst die Schwiegereltern und die Braut
schutzflehend stellten, von Phineus und seinen Tausenden umringt. Die Pfeile flogen an ihnen von
allen Seiten vorbei wie Hagelkörner im Sturme. Perseus hatte die Schultern an einen Pfeiler gelehnt
und sich so den Rücken gedeckt. Von da zur Heerschar der Feinde gewendet, hielt er den Anlauf der
Feinde ab und streckte einen um den andern nieder. Erst als er sah, daß die Tapferkeit der Menge
erliegen müsse, entschloß er sich, das letzte, aber untrügliche Mittel, das ihm zu Gebote stand, zu
gebrauchen. »Weil ihr mich genötigt«, sprach er, »will ich mir die Hilfe bei meinem alten Feinde
holen! Wende sein Antlitz ab, wer noch mein Freund ist!« Mit diesen Worten zog er aus der Tasche,
die ihm immer an der Seite hing, das Gorgonenhaupt und streckte es dem ersten Gegner zu, der jetzt
eben auf ihn eindrang. »Suche andere«, rief dieser verächtlich beim ersten flüchtigen Blicke, »die du
mit deinen Mirakeln erschüttern kannst.« Aber als seine Hand sich heben wollte, den Wurfspieß
abzusenden, blieb er mitten in dieser Gebärde versteinert wie eine Bildsäule. Und so widerfuhr es
einem nach dem andern. Zuletzt waren nur noch zweihundert übrig. Da hub Perseus das
Gorgonenhaupt hoch in die Luft empor, daß alle es erblicken konnten, und verwandelte die
zweihundert auf einmal in starres Gestein. Jetzt erst bereut Phineus den unrechtmäßigen Krieg.
Rechts und links erblickt er nichts als Steinbilder in der mannigfaltigsten Stellung. Er ruft seine
Freunde mit Namen, er berührt ungläubig die Körper der Zunächststehenden: alles ist Marmor.
Entsetzen faßte ihn, und sein Trotz verwandelte sich in demütiges Flehen. »Laß mir nur das Leben,
dein sei das Reich und die Braut!« rief er und kehrte sein verzagendes Angesicht seitwärts. Aber
Perseus, über den Tod seiner neuen Freunde erbittert, kannte kein Erbarmen. »Verräter«, schrie er
zornig, »ich will dir für alle Ewigkeit ein bleibendes Denkmal in meines Schwähers Hause stiften!«
Und sosehr Phineus bemüht war, dem Anblicke zu entgehen, so traf doch bald das ausgestreckte
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