Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
isbn: 9783742772527
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unter seinem Zauberschlage mit Milch; aus den hohlen Bäumen träufelte Honig. »Ja«, fügte einer der
Boten hinzu, »wärest du zugegen gewesen, o Herr, und hättest den Gott, den du jetzt schiltst, selbst
gesehen, du würdest dich in Gebeten vor ihm niedergeworfen haben!«
Pentheus, immer entrüsteter, bot auf diese Nachrichten alle schwerbewaffneten Krieger, alle Reiter,
alle Leichtbeschildeten gegen das rasende Weiberheer auf Da erschien Bakchos selbst wieder und
trat als sein eigener Abgeordneter vor den König. Er versprach, ihm die Bakchantinnen entwaffnet
vorzuführen, wenn nur der König selbst die Frauentracht anlegen wolle, damit er nicht als Mann und
Uneingeweihter von ihnen zerrissen werde. Ungerne und mit sehr natürlichem Mißtrauen ging
Pentheus auf den Vorschlag ein; doch folgte er endlich dem Gotte zur Schlachtbank. Aber als er
hinausschritt zur Stadt, war er schon vom Wahnsinne, den ihm der mächtige Gott zugesandt hatte,
besessen. Ihm deuchte es, als schaue er zwei Sonnen, ein gedoppeltes Theben und jedes seiner Tore
zwiefach. Bakchos selbst kam ihm vor wie ein Stier, der mit großen Hörnern an dem Kopfe vor ihm
herschreite. Er selbst wurde wider Willen von bakchischer Begeisterung ergriffen, verlangte und
erhielt einen Thyrsosstab und stürmte in Raserei dahin. So gelangten sie in ein tiefes, quellenreiches,
von Fichten beschattetes Tal, wo die Bakchospriesterinnen ihrem Gotte Hymnen sangen, andere ihre
Thyrsosstäbe mit frischem Efeu bekleideten. Des Pentheus Augen aber waren mit Blindheit
geschlagen, oder sein Führer Bakchos hatte ihn so zu leiten gewußt, daß sie die Versammlung der
begeisterten Frauen nicht gewahr wurden. Der Gott faßte nun mit seiner wunderbar in die Höhe
reichenden Hand den Gipfel eines Tannenbaumes, beugte ihn hernieder, wie man einen
Weidenzweig biegt, setzte den wahnsinnigen Pentheus darauf und ließ den Baum sachte und
vorsichtig allmählich wieder in seine vorige Lage zurückkehren. Wie durch ein Wunder blieb der
König fest sitzen und erschien auf einmal, hoch auf dem Tannenwipfel hingepflanzt, den
Bakchantinnen im Tale, ohne daß er sie erblickte. Dann rief Dionysos mit lauter Stimme ins Tal hinab:
»Ihr Mägde, schauet hier den, der unsere heiligen Feste verspottet; bestrafet ihn!« Der Äther
schwieg, kein Blatt im Walde regte sich, kein Schrei eines Wildes ertönte. Auf richteten sich die
Bakchantinnen, ihre Augen leuchteten in irrem Glanz; so horchten sie auf der Stimme Hall, die zum
zweitenmal ertönte. Als sie in dem Wort ihren Meister erkannt, schossen sie dahin, schneller denn
Tauben; wilder Wahnsinn, vom Gotte gesandt, trieb sie mitten durch die angeschwollenen
Waldbäche. Endlich waren sie nahe genug gekommen, um ihren Herrn und Verfolger auf dem
Tannenwipfel sitzen zu sehen. Schnell flogen Kiesel, abgerissene Tannenäste, Thyrsosstäbe gegen
den Unglücklichen empor, ohne die Höhe zu erreichen, in der er zitternd schwebte. Endlich
durchwühlten sie mit harten Eichenästen den Boden rings um den Tannenbaum, bis die Wurzel bloß
war und Pentheus unter lautem Jammergeschrei mit der stürzenden Tanne aus der Höhe zu Boden
fiel. Seine Mutter Agave, vom Gotte geblendet, daß sie den Sohn nicht wiedererkannte, gab das erste
Zeichen zum Morde. Dem Könige selbst hatte die Angst seine volle Besinnung wiedergegeben.
»Mutter«, rief er, sie umhalsend, »kennst du deinen Sohn nicht mehr, deinen Sohn Pentheus, den du
im Hause Echions geboren? Hab Erbarmen mit mir, sei du es nicht, Mutter, die meine Sünden am
eigenen Kinde straft!« Aber die wahnsinnige Bakchospriesterin, schäumend und mit weit
aufgesperrten Augen, sah nicht ihren Sohn in Pentheus, sondern glaubte einen Berglöwen in ihm zu
erblicken, faßte ihn an der Schulter und riß ihm den rechten Arm vom Leibe; die Schwestern
verstümmelten den linken; die ganze wütende Rotte stürmte auf ihn ein, jede ergriff ein Glied des
Zerrissenen; Agave selbst umklammerte das entrissene Haupt mit blutigen Fingern und trug es als ein
Löwenhaupt auf einen Thyrsosstab gesteckt durch die Wälder des Kithairon.
So rächte der mächtige Gott Bakchos sich an dem Verächter seines Gottesdienstes
Perseus
Perseus, der Sohn des Zeus, wurde mit seiner Mutter Danae von dem Großvater Akrisios, Könige von
Argos, dem ein Orakelspruch gesagt hatte, daß ein Enkel ihm Leben und Thron rauben würde, in
einen Kasten eingeschlossen und ins Meer geworfen; Zeus behütete sie in den Stürmen des Meeres,
und sie schwammen bei der Insel Seriphos ans Land. Dort herrschten zwei Brüder, Diktys und
Polydektes. Diktys fischte eben, als der Kasten angeschwommen kam, und zog ihn ans Land. Beide
Brüder nahmen sich der Verlassenen liebreich an; Polydektes erhob die Mutter zu seiner Gemahlin,
und der Sohn des Zeus, Perseus, wurde von ihm sorgfältig erzogen.
Als Perseus herangewachsen war, überredete ihn sein Stiefvater, auf Taten auszuziehen und etwas
Großes zu unternehmen. Der mutige Jüngling zeigte sich willig, und bald waren sie einig darüber, daß
Perseus der Medusa ihr furchtbares Haupt abschlagen und dem Könige nach Seriphos bringen sollte.
Perseus machte sich auf den Weg und kam unter Leitung der Götter in die ferne Gegend, wo Phorkys,
der Vater vieler entsetzlicher Ungeheuer, hauste. Zuerst traf er auf drei seiner Töchter, die Graien
oder Grauen; diese waren grauhaarig von Geburt an; alle drei miteinander hatten sie nur ein Auge
und einen Zahn, den sie einander gegenseitig abwechslungsweise zum Gebrauche liehen. Perseus
nahm ihnen beides weg, und als sie ihn flehentlich baten, das Unentbehrlichste ihnen doch
wiederzugeben, zeigte er sich zur Zurückerstattung nur unter der Bedingung bereit, СКАЧАТЬ