Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil. Gustav Schwab
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СКАЧАТЬ sein Hals erstarrte, sein feuchter Blick erharschte zu Stein. So blieb er

       stehen mit furchtsamer Miene, die Hände gesenkt, in knechtischer, demütiger Stellung. Ohne

       Hindernis führte jetzt Perseus seine Geliebte, Andromeda, heim. Lange glückliche Tage erwarteten

       ihn, und er fand auch seine Mutter Danae wieder. Doch sollte er an seinem Großvater Akrisios das

       Verhängnis erfüllen. Dieser war aus Furcht vor dem Orakelspruche zu einem fremden Könige ins

       Pelasgerland geflohen. Hier half er Kampfspiele feiern, als eben Perseus ankam, der auf der Fahrt

       nach Argos begriffen war, wo er seinen Großvater begrüßen wollte. Ein unglücklicher Wurf mit der

       Scheibe traf den Großvater von des Enkels Hand, ohne daß dieser jenen kannte oder treffen wollte.

       Nicht lange blieb ihm verborgen, was er getan. In tiefer Trauer begrub er den Akrisios außerhalb der

       Stadt und vertauschte das Königreich, das ihm durch des Großvaters Tod zugefallen war. Doch

       verfolgte ihn der Neid des Geschickes nicht länger. Andromeda gebar ihm viele herrliche Söhne, und

       der Ruhm des Vaters lebte in ihnen fort.

       Ion

       Der König Erechtheus von Athen erfreute sich einer schönen Tochter, die Krëusa hieß. Mit dieser

       hatte sich, ohne Wissen ihres Vaters, Apollo vermählt, und sie hatte ihm einen Sohn geboren,

       welchen sie aus Furcht vor dem Zorn ihres Vaters in eine Kiste verschloß und in der Höhle aussetzte,

       wo sie ihre heimlichen Zusammenkünfte mit dem Gotte gehalten hatte, in der Hoffnung, daß sich die

       Götter des Verlassenen erbarmen würden. Um aber den neugeborenen Knaben nicht ohne

       Erkennungszeichen zu lassen, hing sie ihm den Schmuck um, den sie als Jungfrau zu tragen pflegte.

       Apollo, dem als einem Gotte die Geburt seines Sohnes nicht verborgen geblieben war und der weder

       seine Geliebte verraten noch den Knaben ohne Hilfe lassen wollte, wandte sich an seinen Bruder

       Hermes, welcher als Götterbote, ohne Aufsehen zu erregen, zwischen Himmel und Erde zu verkehren

       hatte. »Lieber Bruder«, sprach er, »eine Sterbliche hat mir ein Kind geboren, es ist die Tochter des

       Königes Erechtheus zu Athen. Aus Furcht vor ihrem Vater hat sie es in einem hohlen Felsen

       verborgen; hilf mir es retten, bring es in der Kiste, in der es liegt, und mit den Windeln, in die es

       gewickelt ist, nach meinem Orakel zu Delphi und lege es dort auf die Schwelle des Tempels. Das

       übrige laß meine Sorge sein, denn es ist mein Kind.« Hermes, der geflügelte Gott, eilte nach Athen,

       fand den Knaben an der bezeichneten Stelle und trug ihn in dem geflochtenen Weidenkorbe, in

       welchem er verschlossen lag, nach Delphi, wo er ihn vor den Pforten des Tempels niedersetzte und

       den Deckel des Korbes öffnete, damit das Kind bemerklich würde. Dies geschah bei Nacht. Am

       andern Morgen, als schon die Sonne emporstieg, kam die delphische Priesterin nach dem Tempel

       geschritten, und als sie ihn betreten wollte, fiel ihr Auge auf das neugeborne Kind, das in der Kiste

       schlummerte. Sie hielt dasselbe für die Frucht irgendeines Verbrechens und war schon geneigt, es

       von der heiligen Schwelle fortzustoßen, als das Mitleid doch in ihrer Seele die Oberhand gewann;

       denn der Gott wandte ihr Herz und sprach in demselben für seinen Sohn. Die Prophetin nahm also

       das Kind aus dem Korbe und zog es auf, ohne seinen Vater und seine Mutter zu kennen. Der Knabe

       erwuchs, um den Altar seines Vaters spielend, und wußte nichts von seinen Eltern. Er wurde ein

       stattlicher Jüngling. Die Bewohner von Delphi, die ihn schon als kleinen Tempelhüter gewohnt

       worden waren, setzten ihn zum Schatzmeister über alle Geschenke, die der Gott erhielt, und so

       brachte er fortwährend ein ehrbares und heiliges Leben im Tempel seines Vaters zu.

       Inzwischen hatte Krëusa von dem Gotte nichts mehr erfahren und mußte wohl glauben, daß er ihrer

       und ihres Sohnes vergessen habe. Um diese Zeit gerieten die Athener in einen Krieg mit den

       Bewohnern der Nachbarinsel Euböa, der bis zur Vertilgung geführt wurde und in welchem die

       letzteren unterlagen. In diesem Kampfe war den Athenern besonders wirksam ein Fremdling aus

       Achaja beigestanden. Es war dies Xuthos, ein Sohn des Äolos, der selbst ein Sohn des Zeus war. Zum

       Lohne seiner Hilfe begehrte und erhielt er die Hand der Königstochter Krëusa; aber es war, als ob der

       ihr heimlich angetraute Gott die Geliebte seinen Zorn empfinden ließe, daß sie sich einem andern

       vermählt hatte; denn ihre Ehe war nicht mit Kindern gesegnet. Nach langer Zeit verfiel Krëusa auf

       den Gedanken, sich an das Orakel zu Delphi zu wenden und von ihm Kindersegen zu erflehen. Dies

       war es, was Apollo gewollt; denn er hatte seines Sohnes keineswegs vergessen. So brach die Fürstin

       mit ihrem Gemahl und einem kleinen Gefolge von Dienerinnen auf und wallfahrtete zu dem Tempel

       nach Delphi. Als sie vor dem Gotteshause ankamen, trat gerade der junge Sohn Apollos über die

       Schwelle, um gewohnterweise das Tor und den Vorhof mit Lorbeerzweigen zu fegen. Da fiel sein

       Auge auf die edle Matrone, welche auf die Tore des Tempels zugewandelt kam und der beim

       Anblicke des Heiligtums Tränen über die Wangen rollten. Er wagte es, die Frau, deren würdige

       Gestalt ihm auffiel, bescheiden um die Ursache ihres Kummers zu befragen. »Es wundert mich nicht,

       o Jüngling«, erwiderte sie seufzend, »daß meine Traurigkeit deinen Blick auf sich zieht; habe ich doch

       Geschicke zu beweinen, die man mir wohl ansehen mag. Die Götter verfahren oft hart mit uns

       Sterblichen!« »Ich will deinen Kummer nicht weiter stören«, sprach der Jüngling, »aber sage mir,

       wenn es zu wissen erlaubt ist, wer du bist und von wannen du kommst.« »Ich bin Krëusa«,

       antwortete die Fürstin, »mein Vater heißt Erechtheus, mein Vaterland ist Athen.« Mit unschuldiger

       Freude rief der Jüngling: »Ei, aus welchem berühmten Lande, aus welch berühmtem Geschlechte

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