Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
isbn: 9783742772527
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stehen mit furchtsamer Miene, die Hände gesenkt, in knechtischer, demütiger Stellung. Ohne
Hindernis führte jetzt Perseus seine Geliebte, Andromeda, heim. Lange glückliche Tage erwarteten
ihn, und er fand auch seine Mutter Danae wieder. Doch sollte er an seinem Großvater Akrisios das
Verhängnis erfüllen. Dieser war aus Furcht vor dem Orakelspruche zu einem fremden Könige ins
Pelasgerland geflohen. Hier half er Kampfspiele feiern, als eben Perseus ankam, der auf der Fahrt
nach Argos begriffen war, wo er seinen Großvater begrüßen wollte. Ein unglücklicher Wurf mit der
Scheibe traf den Großvater von des Enkels Hand, ohne daß dieser jenen kannte oder treffen wollte.
Nicht lange blieb ihm verborgen, was er getan. In tiefer Trauer begrub er den Akrisios außerhalb der
Stadt und vertauschte das Königreich, das ihm durch des Großvaters Tod zugefallen war. Doch
verfolgte ihn der Neid des Geschickes nicht länger. Andromeda gebar ihm viele herrliche Söhne, und
der Ruhm des Vaters lebte in ihnen fort.
Ion
Der König Erechtheus von Athen erfreute sich einer schönen Tochter, die Krëusa hieß. Mit dieser
hatte sich, ohne Wissen ihres Vaters, Apollo vermählt, und sie hatte ihm einen Sohn geboren,
welchen sie aus Furcht vor dem Zorn ihres Vaters in eine Kiste verschloß und in der Höhle aussetzte,
wo sie ihre heimlichen Zusammenkünfte mit dem Gotte gehalten hatte, in der Hoffnung, daß sich die
Götter des Verlassenen erbarmen würden. Um aber den neugeborenen Knaben nicht ohne
Erkennungszeichen zu lassen, hing sie ihm den Schmuck um, den sie als Jungfrau zu tragen pflegte.
Apollo, dem als einem Gotte die Geburt seines Sohnes nicht verborgen geblieben war und der weder
seine Geliebte verraten noch den Knaben ohne Hilfe lassen wollte, wandte sich an seinen Bruder
Hermes, welcher als Götterbote, ohne Aufsehen zu erregen, zwischen Himmel und Erde zu verkehren
hatte. »Lieber Bruder«, sprach er, »eine Sterbliche hat mir ein Kind geboren, es ist die Tochter des
Königes Erechtheus zu Athen. Aus Furcht vor ihrem Vater hat sie es in einem hohlen Felsen
verborgen; hilf mir es retten, bring es in der Kiste, in der es liegt, und mit den Windeln, in die es
gewickelt ist, nach meinem Orakel zu Delphi und lege es dort auf die Schwelle des Tempels. Das
übrige laß meine Sorge sein, denn es ist mein Kind.« Hermes, der geflügelte Gott, eilte nach Athen,
fand den Knaben an der bezeichneten Stelle und trug ihn in dem geflochtenen Weidenkorbe, in
welchem er verschlossen lag, nach Delphi, wo er ihn vor den Pforten des Tempels niedersetzte und
den Deckel des Korbes öffnete, damit das Kind bemerklich würde. Dies geschah bei Nacht. Am
andern Morgen, als schon die Sonne emporstieg, kam die delphische Priesterin nach dem Tempel
geschritten, und als sie ihn betreten wollte, fiel ihr Auge auf das neugeborne Kind, das in der Kiste
schlummerte. Sie hielt dasselbe für die Frucht irgendeines Verbrechens und war schon geneigt, es
von der heiligen Schwelle fortzustoßen, als das Mitleid doch in ihrer Seele die Oberhand gewann;
denn der Gott wandte ihr Herz und sprach in demselben für seinen Sohn. Die Prophetin nahm also
das Kind aus dem Korbe und zog es auf, ohne seinen Vater und seine Mutter zu kennen. Der Knabe
erwuchs, um den Altar seines Vaters spielend, und wußte nichts von seinen Eltern. Er wurde ein
stattlicher Jüngling. Die Bewohner von Delphi, die ihn schon als kleinen Tempelhüter gewohnt
worden waren, setzten ihn zum Schatzmeister über alle Geschenke, die der Gott erhielt, und so
brachte er fortwährend ein ehrbares und heiliges Leben im Tempel seines Vaters zu.
Inzwischen hatte Krëusa von dem Gotte nichts mehr erfahren und mußte wohl glauben, daß er ihrer
und ihres Sohnes vergessen habe. Um diese Zeit gerieten die Athener in einen Krieg mit den
Bewohnern der Nachbarinsel Euböa, der bis zur Vertilgung geführt wurde und in welchem die
letzteren unterlagen. In diesem Kampfe war den Athenern besonders wirksam ein Fremdling aus
Achaja beigestanden. Es war dies Xuthos, ein Sohn des Äolos, der selbst ein Sohn des Zeus war. Zum
Lohne seiner Hilfe begehrte und erhielt er die Hand der Königstochter Krëusa; aber es war, als ob der
ihr heimlich angetraute Gott die Geliebte seinen Zorn empfinden ließe, daß sie sich einem andern
vermählt hatte; denn ihre Ehe war nicht mit Kindern gesegnet. Nach langer Zeit verfiel Krëusa auf
den Gedanken, sich an das Orakel zu Delphi zu wenden und von ihm Kindersegen zu erflehen. Dies
war es, was Apollo gewollt; denn er hatte seines Sohnes keineswegs vergessen. So brach die Fürstin
mit ihrem Gemahl und einem kleinen Gefolge von Dienerinnen auf und wallfahrtete zu dem Tempel
nach Delphi. Als sie vor dem Gotteshause ankamen, trat gerade der junge Sohn Apollos über die
Schwelle, um gewohnterweise das Tor und den Vorhof mit Lorbeerzweigen zu fegen. Da fiel sein
Auge auf die edle Matrone, welche auf die Tore des Tempels zugewandelt kam und der beim
Anblicke des Heiligtums Tränen über die Wangen rollten. Er wagte es, die Frau, deren würdige
Gestalt ihm auffiel, bescheiden um die Ursache ihres Kummers zu befragen. »Es wundert mich nicht,
o Jüngling«, erwiderte sie seufzend, »daß meine Traurigkeit deinen Blick auf sich zieht; habe ich doch
Geschicke zu beweinen, die man mir wohl ansehen mag. Die Götter verfahren oft hart mit uns
Sterblichen!« »Ich will deinen Kummer nicht weiter stören«, sprach der Jüngling, »aber sage mir,
wenn es zu wissen erlaubt ist, wer du bist und von wannen du kommst.« »Ich bin Krëusa«,
antwortete die Fürstin, »mein Vater heißt Erechtheus, mein Vaterland ist Athen.« Mit unschuldiger
Freude rief der Jüngling: »Ei, aus welchem berühmten Lande, aus welch berühmtem Geschlechte
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