Die Kreutzersonate. Лев Толстой
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Название: Die Kreutzersonate

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783752993479

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СКАЧАТЬ würde: in seiner Gegenwart der Lüge, der Grausamkeit, ja selbst der Unsittlichkeit überführt zu werden oder in einem schlecht gearbeiteten, geschmacklosen Kleide vor ihm zu erscheinen! Jede einzelne wird sich für das erste entscheiden. Sie weiß, daß die erhabenen Gefühle, die unsereins zur Schau trägt, durch und durch erlogen sind, daß es dem Manne nur auf den Körper ankommt, daß er alle Laster verzeiht, nicht aber ein häßliches, schlecht gearbeitetes, geschmackloses Kleid.

      Die Kokette ist sich dessen klar bewußt, dem unschuldigen Mädchen aber sagt es, wie den Tieren, eine aus dem Unbewußten kommende Empfindung.

      Daher diese englischen Roben, diese abscheulichen Tournüren, diese nackten Schultern, Arme und womöglich auch Brüste. Die Frauen, namentlich jene, die durch die Schule der Männer gegangen sind, wissen sehr wohl, daß die Gespräche über ideale Dinge eben nur Gespräche sind, und daß der Mann nur nach dem Körper verlangt und nach alledem, was diesen anziehend und verlockend erscheinen läßt. Und danach richten sie sich dann auch.

      Streifen wir nur einmal die Gewöhnung an diese Zuchtlosigkeit ab, die uns zur zweiten Natur geworden ist, und betrachten wir das Leben unserer höheren Klassen in der ganzen Schamlosigkeit, in der es sich darstellt, dann haben wir tatsächlich nichts weiter vor uns als ein einziges Freudenhaus … Sie wollen das bestreiten? Gestatten Sie, ich will es Ihnen beweisen«, versetzte er, mich unterbrechend. »Sie sagen, die Frauen unserer Gesellschaft hätten andere Interessen als die Frauen in den Freudenhäusern, und ich sage Ihnen: das ist nicht der Fall, und ich werde Ihnen das beweisen. Wenn zwei Menschen sich in ihren Lebenszielen und ihrem Lebensinhalt unterscheiden, so wird dieser Unterschied zweifellos auch in ihrem Äußeren zutage treten, dieses Äußere wird bei beiden verschieden sein. Werfen Sie nur einen Blick auf jene Unglücklichen, Geächteten, und auf die vornehmen Damen unserer höchsten Gesellschaft: dieselben Toiletten, derselbe Schnitt, dieselben Parfüms, dieselben nackten Arme, Schultern und Brüste und dieselben knappen, prallen Tournüren; die gleiche Schwäche für Edelsteine, für kostspielige, blitzende Gegenstände, die gleiche Vorliebe für Vergnügungen und Tanz, für Musik und Gesang. Gleichwie jene die Männer durch alle möglichen Mittel anzulocken suchen, so auch diese. Nur daß die Prostituierten ›für kurze Frist‹ in der Regel mit Verachtung behandelt werden, während die Prostituierten ›für lange Frist‹ volle Hochachtung genießen.«

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      Ja, so wurden also diese englischen Taillen, diese Locken und Tournüren für mich sozusagen zu Fallen. Mich zu fangen, war übrigens leicht, weil ich unter ähnlichen Bedingungen wie die meisten jungen Leute aufgewachsen war, bei denen die verliebten Gefühle wie Gurken im Warmhause aufschießen. Unsere aufreizende, überreichliche Kost bei völliger Enthaltung von körperlicher Arbeit ist ja schließlich nichts anderes als eine systematische Aufreizung unserer Sinnlichkeit. Sie mögen das mit Staunen hören oder nicht, es ist einmal so. Auch ich hatte für alles das bis in die letzte Zeit keinen Blick. Jetzt aber bin ich sehend geworden. Darum peinigt es mich auch so, daß niemand die Sache klar übersieht und daß die Menschen so törichtes Zeug darüber reden, wie vorhin diese Dame hier.

      Ja … in meiner Nachbarschaft arbeiteten im Frühjahr die Bauern an der Aufschüttung des Eisenbahndammes. Die gewöhnliche Nahrung des Bauernburschen besteht aus Brot, Kwas und Zwiebeln; er bleibt dabei lebhaft, kräftig und gesund und ist imstande, tüchtige Feldarbeit zu verrichten. Arbeitet er auf der Eisenbahn, so besteht seine Kost aus Grütze und einem Pfund Fleisch täglich. Dieses Fleischquantum jedoch setzt er in sechzehnstündiger Arbeitszeit, hinter einem Karren von dreißig Pud, in Kraft um. Und er befindet sich wohl dabei. Wir aber verzehren täglich zwei Pfund Rindfleisch, dazu Wild und Fische und allerhand erhitzende Speisen und Getränke – wie soll der Körper das alles verarbeiten? Er setzt es in sinnliche Exzesse um. Wird das Sicherheitsventil nach dieser Richtung geöffnet und funktioniert es richtig, so ist alles in Ordnung; schließt man das Ventil jedoch, wie ich es zuzeiten getan habe, so tritt alsbald eine innere Umwandlung und damit ein Zustand ein, der, durch das Prisma unseres unnatürlichen Lebens hindurchschreitend, als Verliebtheit vom reinsten Wasser und selbst als Platonismus in Erscheinung tritt. Und so verliebte auch ich mich, wie sich alle verlieben. Alles war da: das Entzücken, die Rührung, die Poesie. In Wirklichkeit jedoch war diese meine Liebe einerseits ein Produkt der Tätigkeit Mamas und der Schneiderinnen, andererseits ein Ergebnis der von mir verschlungenen überschüssigen Nahrung bei untätiger Lebensweise. Wären nicht die Bootsfahrten, die Taillen der Schneiderinnen usw. gewesen, hätte die junge Dame ein Hauskleid von schlechtem Schnitt getragen, hätte ich, wie jeder Mensch in normalen Lebensverhältnissen, so viel Nahrung zu mir genommen, als ich zur Verrichtung meines täglichen Arbeitspensums bedurfte, und wäre das Sicherheitsventil bei mir geöffnet gewesen, statt daß ich es um jene Zeit gerade aus irgendeinem Grunde geschlossen hatte, dann hätte ich mich nicht verliebt, und es wäre nichts geschehen.

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      So aber klappte alles ausgezeichnet: meine Stimmung, das schicke Kleid, die Kahnfahrt – alles war nach Wunsch ausgefallen. Zwanzigmal war der Versuch mißlungen, diesmal jedoch gelang er ganz glatt. Ich saß drin, wie in einem Fuchseisen. Ich scherze nicht. Die Ehen werden ja jetzt genau so angelegt wie die Fuchseisen. Nichts natürlicher auch: das Mädchen ist herangereift, also muß es einen Mann haben. Die Sache erscheint sehr einfach, wenn das Mädchen keine Missgeburt ist und es an heiratslustigen Männern nicht fehlt. Früher, in der alten Zeit, erledigten die Eltern die ganze Angelegenheit: war das Mädchen herangewachsen, so suchten sie ihm einen Mann.

      So war und so ist es bei der ganzen Menschheit Brauch: bei den Chinesen, den Indern, Mohammedanern, bei uns im Volke – beim gesamten Menschengeschlecht, mindestens bei neunundneunzig Hundertsteln, ist das der Fall. Nur das eine Hundertstel oder noch weniger von uns Wüstlingen hat gefunden, das sei nicht das Richtige, und hat sich etwas Neues ausgedacht. Und worin besteht nun dieses Neue? Es besteht darin, daß die Mädchen dasitzen und die Männer wie auf dem Markte auf und ab gehn und wählen. Die Mädchen aber warten und denken, ohne daß sie es auszusprechen wagen: ›Ach, mein Lieber, nimm mich!‹ – ›Nein, nein – mich!‹ – ›Nicht jene dort, sondern mich; sieh doch, was für Schultern ich habe und was sonst noch alles!‹ – Und wir Männer gehen auf und ab und mustern sie und sind höchst zufrieden. ›Wir wissen Bescheid,‹ sagen die Herren der Schöpfung, ›wir fallen nicht so leicht herein!‹ Und wie sie so prüfend auf und ab schreiten und sich freuen, daß alles für sie so nett hergerichtet ist – schwapp, sitzt schon einer, der sich nicht genug vorgesehen hat, in dem Eisen fest.«

      »Wie soll es denn nun gehalten werden?« sagte ich. »Soll vielleicht die Frau den Antrag machen?«

      »Das weiß ich wirklich nicht; aber wenn schon Gleichheit herrschen soll, dann soll auch vollständige Gleichheit herrschen. Wenn man die alte Methode der Ehestiftung erniedrigend findet, so ist diese Methode noch tausendmal schlimmer. Dort sind die Rechte und Aussichten gleich, hier ist die Frau die Sklavin auf dem Markte oder die Lockspeise im Eisen. ›In die Gesellschaft‹ soll das Töchterchen eingeführt werden. Man sage der Frau Mama oder dem Fräulein selbst einmal die Wahrheit, daß es ihnen nur darum zu tun sei, einen Mann einzufangen: o Gott, wie beleidigt werden sie sein! Und dabei haben sie wirklich nichts anderes im Sinn und befassen sich mit nichts anderem. Und ganz besonders empörend ist, daß zuweilen ganz junge, unschuldige arme Mädelchen sich mit diesen Dingen befassen, und zwar nicht offen und ehrlich, sondern auf höchst listige Weise. ›Ach, die Entstehung der Arten, wie interessant!‹ – ›Ach, Lili interessiert sich so sehr für Malerei!‹ – ›Werden Sie die Ausstellung besuchen? Wie lehrreich!‹ – ›Und die Troikafahrten? … und die Theatervorstellungen? … und die Sinfoniekonzerte?‹ – ›Ach, wie wundervoll! Meine Lili ist ganz hin, wenn sie Musik hört. Wie kommt es, daß Sie keinen Geschmack daran finden? Sind Sie ein Freund von Bootsfahrten? …‹ So geht es in einem fort – in Wirklichkeit aber haben sie nur den einen Gedanken: ›Oh, greif doch zu! Nimm mich!‹ – ›Nimm! meine Lili!‹ – ›Nein, mich! СКАЧАТЬ