Die Kreutzersonate. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kreutzersonate - Лев Толстой страница 5

Название: Die Kreutzersonate

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752993479

isbn:

СКАЧАТЬ an meine Person hätten fesseln können.

      »Übrigens, vielleicht waren Kinder da, und vielleicht war auch gelegentlich eine größere Anhänglichkeit vorhanden, doch ist stellte mich so, als ob nichts davon da wäre. Und das hielt ich nicht nur für moralisch, sondern ich bildete mir gar etwas darauf ein …«

      Er hielt inne und gab seinen Laut von sich, wie er immer zu tun pflegte, wenn ihm offenbar ein neuer Gedanke durch den Kopf ging.

      »Darin liegt ja gerade die Hauptgemeinheit«, schrie er auf. »Die Ausschweifung beruht nicht auf irgend etwas Physischem – physische Unanständigkeit ist bei weitem noch keine Ausschweifung; die Ausschweifung besteht gerade darin, daß der Mann sich von jeglicher moralischen Beziehung zu der Frau, mit der er in physischen Verkehr tritt, für frei hält. Und eben diese Selbstbefreiung rechnete ich mir sogar zum Verdienst an. Ich erinnere mich, welche Qual es mir bereitete, als ich einstmals einer Frau, die sich mir wahrscheinlich aus Liebe hingegeben hatte, kein Geld hatte geben können und wie ich mich erst beruhigte, als ich ihr eine gewisse Summe übersandt und damit zu verstehen gegeben hatte, daß ich mich nunmehr ihr gegenüber in keiner Weise für moralisch gebunden erachte … Nicken Sie nicht mit dem Kopfe, als wenn Sie mir beistimmten!« schrie er mich plötzlich an. »Ich kenne diese Mätzchen. Wir alle, und auch Sie, wenn Sie nicht eine seltene Ausnahme bilden, haben bestenfalls dieselben Ansichten, die auch ich damals hatte. Nun, gleichviel, nehmen Sie es mir nicht übel«, fuhr er fort, »aber die Sache ist eben die, daß das alles so entsetzlich, entsetzlich, entsetzlich ist!«

      »Was ist so entsetzlich?« fragte ich.

      »Dieser Abgrund der Verirrung, worin wir hinsichtlich der Frauen und der Beziehungen zu ihnen dahinleben. Nein, ich vermag davon nicht ruhig zu sprechen – nicht darum, weil mir diese ›Episode‹, wie jener Herr sich ausdrückte, zugestoßen ist, sondern weil mir seit der bewußten Episode die Augen aufgegangen sind und ich alles in einem völlig neuen Lichte sehe. Alles umgekehrt, alles umgekehrt!«

      Er zündete sich eine Zigarette an, stützte die Ellbogen auf die Knie und begann aufs neue.

      In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht nicht sehen, sondern hörte nur durch das Rütteln des Wagens seine eindringliche, wohlklingende Stimme.

      4

      Ja, nur dank den Leiden, die ich erduldete, nur durch sie habe ich die Wurzel alles Übels erkannt, und begriffen, wie alles sein sollte, und darum die ganze Entsetzlichkeit des Bestehenden durchschaut.

      »Wollen Sie nun gefälligst aufmerken, wie und wann das seinen Anfang nahm, was schließlich zu meiner Episode führte. Es begann zu einer Zeit, da ich noch nicht volle sechzehn Jahre zählte. Ich war damals noch auf dem Gymnasium und mein älterer Bruder stand als Student im ersten Semester. Ich kannte die Frauen noch nicht, doch war ich, wie all die unglücklichen Kinder unserer Gesellschaftskreise, kein unschuldiger Knabe mehr; seit mehr als einem Jahre war ich bereits durch andere Knaben verdorben. Schon machte mir die Frau zu schaffen, nicht eine bestimmte Frau, sondern die Frau als ein süßes Etwas, die Frau schlechthin, jede Frau, die Nacktheit der Frau war es, die mich bereits peinigte. In den Stunden der Einsamkeit vermochte ich nicht, meine Reinheit zu wahren. Ich litt und quälte mich, wie neunundneunzig vom Hundert unserer Knaben sich quälen. Entsetzen ergriff mich, ich duldete, ich betete – und kam immer wieder zu Falle. Ich war bereits verdorben in Gedanken und in Wirklichkeit, den letzten Schritt jedoch hatte ich noch nicht getan. Ich ging allein dem Untergange entgegen, hatte aber noch nicht Hand angelegt an ein anderes menschliches Wesen. Doch ein Kamerad meines Bruders, gleichfalls Student, ein lustiger Bursche, ein sogenannter guter Kerl, das heißt ein richtiger Taugenichts, der uns auch das Trinken und Kartenspielen beigebracht hatte, überredete uns nach einer Kneiperei, ›dahin‹ zu fahren. Und so fuhren wir denn da hin. Mein Bruder, der gleichfalls noch unschuldig war, kam in jener Nacht zu Falle. Und ich, der sechzehnjährige, unreife Bursche, besudelte mich selbst und half ein Weib besudeln, ohne auch nur im geringsten zu begreifen, was ich tat. Hatte mir doch niemand von den Älteren je gesagt, daß das, was ich tat, etwas Böses sei. Auch heute wird man eine solche Warnung nie zu hören bekommen. In den ›zehn Geboten‹ ist davon allerdings die Rede, gewiß, aber die ›zehn Gebote‹ sind doch schließlich nur dazu da, daß man dem Religionslehrer bei der Prüfung eine Antwort gibt, auch sind diese Gebote lange nicht so wichtig, wie das Gebot über den richtigen Gebrauch des ›ut‹ in Bedingungssätzen.

      So hatte ich von allen älteren Leuten, auf deren Meinung ich Wert legte, nie davon gehört, daß es sich dabei um etwas Böses handle. Im Gegenteil hatte ich von diesen Leuten, die ich hochschätzte, immer nur gehört, die Sache sei durchaus gut und löblich. Ich hatte gehört, daß meine Kämpfe und Leiden danach zum Stillstand kommen würden, hatte es gehört und gelesen; von älteren Leuten hatte ich gehört, daß diese Sache der Gesundheit dienlich sei, und die Kameraden meinten, es läge darin etwas Verdienstliches, eine gewisse Schneidigkeit. Man sah also darin nur lauter Gutes. Die Gefahr einer Erkrankung? Auch dafür ist Vorsorge getroffen. Die Polizeibehörde trifft ihre umsichtigen Maßnahmen. Sie überwacht und regelt das Leben der Freudenhäuser und schützt die Ausschweifungen der Gymnasiasten. Besoldete Ärzte tragen Sorge dafür. Somit ist alles aufs beste bestellt. Sie behaupten, die Ausschweifung sei der Gesundheit zuträglich, und sie achten darauf, daß die Ausschweifung ihren wohlgeregelten, geordneten Gang nehme. Ich kenne Mütter, die in dieser Hinsicht sich selbst um die Gesundheit ihrer Söhne bekümmern. Und auch die Wissenschaft schickt ja die jungen Leute in die Freudenhäuser.«

      »Die Wissenschaft? Wieso?« fragte ich.

      »Nun, was sind denn die Ärzte anderes als Priester der Wissenschaft! Wer verdirbt denn die jungen Leute durch die Behauptung, daß dies für die Gesundheit notwendig sei – wer denn anders als sie? Und dann kurieren sie mit dem ernstesten Gesichte von der Welt – die Syphilis!«

      »Warum soll man denn die Syphilis nicht heilen?«

      »Weil, wenn auch nur der hundertste Teil der Anstrengungen, welche auf die Heilung der Syphilis verwandt werden, der Bekämpfung des Lasters gewidmet würde, die Syphilis längst ausgerottet wäre. So aber werden diese Anstrengungen nicht zur Bekämpfung der Ausschweifung, sondern zu ihrer Förderung, zur Sicherung ihrer Gefahrlosigkeit verwendet. Doch nicht das ist der Kernpunkt der Sache. Der Kernpunkt ist vielmehr, daß ich, gleich neun Zehnteln – oder noch mehr – der jungen Leute unserer Kreise, ja überhaupt aller, auch der bäuerlichen Kreise, das Unglück hatte, nicht dem natürlichen Zauber der Reize einer bestimmten Frau zu erliegen. Nein, nicht eine Frau hat mich verführt, sondern ich erlebte diesen sittlichen Fall darum, weil die Angehörigen des mich umgebenden Gesellschaftskreises in meinem sittlichen Fall teils eine normale, gesundheitsfördernde Funktion, teils einen völlig natürlichen, nicht nur verzeihlichen, sondern sogar unschuldigen Zeitvertreib eines jungen Mannes sahen. Ich begriff gar nicht, daß hier von einem sittlichen Fall die Rede sein könne; ich begann mich diesen Dingen einfach hinzugeben, die einerseits als Vergnügen, andrerseits als Bedürfnis gelten und, wie man mir eingeprägt hatte, einem bestimmten Alter eigentümlich seien, begann mich dieser Ausschweifung hinzugeben, wie ich seinerzeit mit dem Trinken und Rauchen begonnen hatte. Und doch lag in diesem ersten sittlichen Fall etwas Besonderes und tief Bewegendes.

      Ich erinnere mich, daß mir gleich dort, an Ort und Stelle, bevor ich noch das Zimmer verlassen hatte, ganz traurig zumute wurde, so traurig, daß ich nahe daran war, zu weinen. Zu weinen um meine verlorene Unschuld, um das für immer zerstörte Verhältnis zum Weibe. Ja, das natürliche, einfache Verhältnis zum Weibe war für mich auf immer verloren; ein reines Verhältnis zum Weibe gab es seither für mich nicht mehr und konnte es nicht mehr geben. Ich war das geworden, was man einen Wüstling nennt. Und ein Wüstling zu sein, ist ein ähnlicher physischer Zustand wie der Zustand des Morphinisten, des Trinkers, des Rauchers. Wie der Morphinist, der Trinker, der Raucher kein normaler Mensch mehr ist, so ist der Mann, der mehrere Frauen zu seinem СКАЧАТЬ