Rechtliche Impulse. Carl von Ossietzky
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Название: Rechtliche Impulse

Автор: Carl von Ossietzky

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783966512084

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СКАЧАТЬ Gebärde zu seinem Adjutanten: Man töte diesen Wilms! Der mit dem Befehl weiter zu Herrn von Schleicher und dann über alle Zuständigen weiter bis zu den Klapproths. So primitive Vorstellungen hat kein verständiger Mensch von dem Hergang gehabt, und so etwas war weder hier noch anderswo behauptet worden. So etwas aber sollten wir beweisen, und unsre klar zutage tretende Unfähigkeit, das zu beweisen, verschaffte Herrn Crohne seine dialektischen Triumphe. Was dieser Prozess trotzdem zur Evidenz gezeigt hat, das war die namenlose Gemütlichkeit, mit der das RWM den schwarzen Komplex behandelt hat. Alle Herren verschanzten sich hinter ihrer Unzuständigkeit. Niemanden ging die schwarze Geschichte etwas an. Dabei war diese sekrete Wehrmacht rund um Berlin stationiert. Wilde Formationen, die in Oberschlesien im Morden und Stehlen geübt waren, lagen rund um Berlin, geführt von republikfeindlichen Offizieren mit privaten Putschabsichten. Das Urteil meint überschlau, was wir wohl für Gesichter gemacht hätten, wenn die Polen wirklich gekommen wären und Herr Geßler nur das schwache legale Heer zur Verfügung gehabt hätte. O die Polen! Aber was geschehen wäre, wenn diese Landsknechtsbanden schließlich aus den Forts und Zitadellen geschwärmt wären auf Berlin zu, darüber schweigt das Urteil. Nicht die Fememorde, die der Zeuge Buchrucker mit mysteriösem Lächeln als »sachlichen Fehler« bezeichnet, sind die Grundsuppe des Übels, sie sind in aller ihrer Scheußlichkeit trotzdem nur Symptom. Der politische Aberwitz, dem diese Bluttaten entsprangen, war das Bestehen einer illegalen und durch und durch unzuverlässigen Truppe, für die niemand zuständig war, die im Dunkeln vegetierte, von der niemand amtlich Kenntnis haben durfte, die dank mangelnder Kontrolle den »sachlichen Fehler« beging, Leute, die sie für Verräter und Spitzel hielt, durch Selbstjustiz auszusortieren. Die bizarre Symbolik des Zufalls will, dass jener Offizier, dessen dienstliche Berührung mit den »Arbeitskommandos«, diesen Niemandskindern, diesen Bankerten der mit unbedingter Vertragstreue gesalbten Seecktschen Militärpolitik, am wenigsten geleugnet werden kann, den Namen Keiner führt.

      Die Femekampagne war für uns niemals eine Hetzjagd hinter irgendwelchen armen Teufeln, die heute vielleicht in einem friedlichen bürgerlichen Beruf stecken und an ihre Küstriner Zeit wie an einen wirren Traum zurückdenken. Unser Ziel war nicht die juristische Sühne für jedes einzelne heute schwer erkundbare Verbrechen, sondern die Feststellung der letzten politischen Verantwortlichkeit dafür. Der Reichswehrminister hat mit dieser schwarzen Schöpfung eine grauenvolle Gefahr über das Land gebracht. Dafür müsste er Rechenschaft ablegen, selbst wenn er nicht Geßler hieße. Die Siegert-Kammer, vor der der Wilms-Prozess geführt wurde und die Schulz zum Tode verurteilt hat, ist gefährlich nah an die Frage jener tiefen Verantwortung herangekommen: »Wenn man die Geheimhaltung erzwingen wollte, so musste mit der brutalsten Gewalt gekämpft werden ... Die Feme, das war die Einrichtung, die sich notwendig ergeben musste, wenn die Geheimhaltung über alles ging.« Kein Wunder, dass Herr Geßler das nicht als letzten Spruch gelten lassen wollte und eine günstigere Lesart suchte. Sein Vertrauen, dass kein zweites Tribunal das Verdikt der Siegert-Kammer übernehmen würde, hat ihn nicht getäuscht. Künftig kann er auf den neuen Schein pochen: »Die moralische Mitschuld der Reichswehr, die Schulz mit angeführt hat, fällt damit ins Wasser. Von allem ist nichts übriggeblieben als lediglich schon die in frühern Schwurgerichtsurteilen ausgesprochene sogenannte moralische Verantwortlichkeit des Reichswehrministeriums. Das Gericht lässt es dahingestellt sein, ob überhaupt eine moralische Verantwortlichkeit des Reichswehrministers angenommen werden kann.« Du hast gesiegt, Galiläer. Der böse Geist ist erfolgreich abgeschlagen. Otto Geßler hat sich ums Vaterland verdient gemacht, und seine Offiziere stehen hier, in der dritten Person angeredet, vom mindern Volk unterschieden, und zucken mit einer in mehreren Prozessen erworbenen Routine die Achseln.

      Es sind noch zwei Außenseiter da, zwei Ausgefallene, zwei in Zivil: – Buchrucker und Schulz. Der Putschführer von Küstrin spricht mit der leisen Stimme und dem feinen ironischen Lächeln des Erfahrenen. Der hat genug bis an sein Lebensende. Unendlich überlegt und behutsam spricht er, meisterlich besteht er die schwere Situation, alte Beziehungen, die er nicht mehr liebt, weder preiszugeben noch reinzuwaschen. Hier, wo so viele beamtete Personen Verantwortlichkeit abstreiten und zuständig für die Schwarze Reichswehr am Ende nur noch unser Vater im Himmel bleibt, der sich auch um die Lilien auf dem Felde kümmert, leuchtet der abgeurteilte Rebell als Intellekt und Charakter. Paul Schulz hat jetzt die graue Gefängnisfarbe, er gestikuliert nervös und fahrig, aber seine Aussage ist zusammenhängend und konzentriert. Er weiß jetzt seine Vereinsamung, weiß, dass es um den Kopf und, wenn der gerettet, um die Freiheit geht. Auch er gibt niemanden preis, aber betont immer wieder den »Druck der Verhältnisse« damals, ohne sich über den Druck und die Verhältnisse näher auszulassen. Zögernd gesteht er zu, dass anno Diaboli 1923 auch die Behörden ungesetzliche Maßnahmen getroffen hätten. Und warum haben die Behörden die geheimen Morde nicht verfolgt, warum ließen sie die Akten liegen? Schulz fragt das immer wieder. Die Urteilsbegründung attestiert Schulz, Großes für den Staat geleistet zu haben. Nein, er hat nichts Großes geleistet, aber er hat ohne Zweifel beträchtliche Gaben, und sein krankhafter Ehrgeiz hat ihn in eine höllisch faule Sache verwickelt. Jetzt ist der Firnis der Wichtigtuerei abgeblättert. Jetzt steht da ein Abgehärmter und Verlassener, der am Ende des ersten Verhandlungstages mit verlorenen Augen in das Gewimmel von Leuten sieht, die nach Hause gehen. Jetzt steht nur ein großer Schuljunge da, der nachsitzen muss. Mit verschwimmenden Blicken sieht er die wehenden Schals und wie die Mäntel angezogen werden. Die Offiziere entfernen sich sporenklirrend. Alle gehen nach Haus. Auch der mürrische Schließer hinter ihm geht einmal nach Haus. Einer bleibt. Der letzte, bei dem die Kette der Verantwortung für die grausig-tragische Kategorie der Fememorde endet. Der letzte, den nach dem braven alten Wort die Hunde beißen.

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