Название: Rechtliche Impulse
Автор: Carl von Ossietzky
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783966512084
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Der innere Marschrhythmus hat der deutschen Demokratie gefehlt vom ersten Tag an, und wo sie ihn hämmern fühlte, hat sie ihn unbarmherzig erstickt. Deshalb können die Republikaner noch heute nichts mit der Revolution anfangen, deshalb sprechen sie lieber von Max von Baden als von den Kieler Matrosen, und ihre Helden stammen aus einer Kategorie von halben Liberalen, die, durch die Ereignisse emporgehoben, ihre Stellung benutzten, um die alten Mächte zu konservieren. So befindet sich der deutsche Liberalismus auf einer ewigen Heldensuche, und er kann nicht wählerisch sein, weil die Auswahl nicht sehr groß ist. So schreiben jetzt die Demo-Blätter, dass Deutschland elend in Scherben gegangen wäre ohne den General Wilhelm Groener. Anlaß zu dieser beachtlichen Feststellung gab Herrn Groeners sechzigster Geburtstag. Die liberale Presse mit ihren guten Manieren und ihrer ausgesprochenen Einflußlosigkeit ist die geborene Gratulantin, so zeremoniöse Akte gelingen ihr ganz ausgezeichnet. Aber es fragt sich doch, ob sie nicht des Guten zuviel getan und zur Ergötzung des Volkes einen Monumental-Groener aus Zeitungspapier aufgebaut hat, der sich als Ganzes recht stattlich macht, aber bei einer Besichtigung, die weniger auf Figur gibt als auf akkurate Einzelheiten, qualitativ verliert. Herr Groener ist übrigens an dieser Berühmtheit nicht ganz unschuldig. Im Münchner Dolchstoßprozeß hat er zuerst den Novemberpakt zwischen dem Volksbeauftragten Ebert und der OHL als schallenden Trumpf ausgespielt und in einem Nachruf auf Friedrich Ebert dessen unerschrockenen Patriotismus gelobt: »Er war jederzeit und vorbehaltlos bereit, seine persönlichen und politischen Anschauungen und Wünsche zurückzustellen, wenn es galt, der Not des Vaterlandes gerecht zu werden. Auf diesem gemeinsamen Boden haben sich die damalige Oberste Heeresleitung und Friedrich Ebert zum festen Bunde die Hände gereicht, um der Revolution Herr zu werden und dem deutschen Volke Recht und Gesetz wiederzugeben.« Wäre Herr Groener der große Politiker, so hätte er diese Konfessionen hübsch bei den Akten liegenlassen als historisches Material für eine spätere Generation, die bei der Enthüllung eines Geheimvertrages keinen Stachel mehr fühlt, weil die Mächte nicht mehr da sind, die ihn abgeschlossen haben. Herr Groener ist kein großer Staatsmann, aber er hat Geruch für effektvolle Demagogie. Glaubt er wirklich, mit dem patriotischen Führungsattest für Ebert auch nur einen einzigen Konservativen zu überzeugen? Die Leute wollen alle Gewalt, und sie pfeifen darauf, ob Ebert ein guter oder schlechter Patriot gewesen ist. Wohl aber muss solche Eröffnung erschütternd auf die Arbeiterschaft wirken. Und es war wohl auch mehr Herrn Groeners Absicht, der Sozialdemokratie einen Dämpfer zu geben, als den toten Ebert zu entlasten. Denn was hätte es auch für einen Sinn, einen Mann in den Augen von hundert Konservativen zu rehabilitieren, der durch die gleiche Aussage für eine Million Sozialisten zum Verräter gestempelt wird? Für Herrn Groeners politischen Scharfsinn wird gern ins Feld geführt, dass er als Vertrauter Erzbergers den Herren Offizieren die Annahme des Versailler Vertrags mundgerecht gemacht habe. Aber noch im Dezember 1918 wollte der gleiche Groener, der doch einen Monat vorher in Spa ohne Zweifel begriffen hatte, dass der Krieg verloren war, die Volksbeauftragten zu einer Expedition nach Ostland überreden, um Posen zurückzuholen. Im Dezember 1918, im allgemeinen Debakel, wo nichts mehr kompakt war als der Bankrott! Die Volksbeauftragten wollten übrigens nichts davon wissen; nur des Genossen Otto Landsberg roter Shylockbart nickte Zustimmung. Wie die tägliche Beeinflussung Eberts durch Groener war und empfunden wurde, darüber besitzen wir einwandfreies Zeugnis in der Aussage des Abgeordneten Dittmann im Ledebour-Prozeß. Herr Dittmann führte nach dem stenographischen Protokoll aus: »Nun stellte sich aber sehr bald beim Zusammenarbeiten im Rat der Volksbeauftragten heraus, dass die drei Mitglieder der mehrheitssozialistischen Partei – Ebert, Scheidemann und Landsberg – fortgesetzt geneigt und willens waren, Konzessionen zu machen an die alte Bürokratie, an die Vertreter der kapitalistischen Parteien und an die Vertreter des alten Militärregimes ... Es war für uns sehr bezeichnend, dass besonders die Einwirkung des Generals Groener, des Leiters des Großen Hauptquartiers, auf Ebert an jedem Morgen bemerkbar war: abends um elf Uhr pflegte er sich mit dem Großen Hauptquartier telefonisch zu verständigen über die Dinge, die sich am Tage vorher ereignet hatten und am nächsten Tage vielleicht brennend wurden; dann war am andern Morgen stets der Einfluß Groeners bei ihm bemerkbar. Wir Unabhängigen Sozialdemokraten hatten dann fortgesetzt dagegen anzukämpfen, dass wieder die alten militärischen Anschauungen bei den Regierungsmaßnahmen СКАЧАТЬ